Parteitag der chinesischen KP. Kann Chinas Führung das Megawachstum des Landes weiter beherrschen? Wichtig wäre es. Denn das Riesenreich treibt Börsen und Märkte weltweit an. Doch Experten befürchten ein jähes Ende der Aktienrally: "Vorsicht vor China", rät etwa Vermögensverwalter Gottfried Heller.
Die Volksrepublik China stellt die Weichen für die Zukunft. Eine ganze Woche berieten die 2200 Delegierten des 17. Parteitags der Kommunistischen Partei über den Kurs der kommenden fünf Jahre. Meist hinter verschlossenen Türen.
Schließlich ist China ein autoritärer Ein-Parteien-Staat. Ergebnis: "Harmonischer wachsen" lautet die Devise des neuen Fünfjahresplans. Das Problem der Parteiführung: die rasend schnelle Wandlung eines riesigen, hoffnungslos unterentwickelten Agrarstaats in einen modernen Industriestaat zu steuern. Wenn alles gut geht, steht am Ende des langen Marsches die größte Industrienation der Erde.
Doch die Steuerung macht bei anhaltenden Wachstumsraten von über zehn Prozent zunehmend Probleme. Deshalb kam zur Eröffnung des Parteitags die Ansage von Staats- und Parteichef Hu Jintao für die kommenden fünf Jahre: Es soll Schluss sein mit "blindem Wachstum".
In einem offenen und inzwischen verbotenen Brief beschwerten sich Hus Parteifreunde, Chinas neuer Kapitalismus sei eine große Gefahr. So leide die Bevölkerung unter dem wachsenden Einkommensgefälle und der zunehmenden Armut.
Bei der Weltbank sieht man das mit der Armut anders: Die Zahl der Chinesen, die unter einem Dollar pro Tag zum Leben haben, wurde seit dem Jahr 2000 um 300 Millionen auf heute 150 Millionen verringert.
Weniger Wachstum – weniger Arme? Kein plausibles Rezept. Ajar Kapur, einer der besten Asien-Kenner der internationalen Finanzszene, hält die explosionsartige Ansammlung von Reichtümern in China sogar für einen der wichtigsten Wachstumstreiber:
"Nach außen mag China kommunistisch erscheinen, im Alltag herrscht brutaler Kapitalismus. Wer Wachstum schaffen will, bekommt dort die Gelegenheit dazu."
Asien treibt die Weltwirtschaft an
Beim derzeitigen Wachstumstempo verdoppelt sich das Angebot von Gütern und Dienstleistungen in China alle sieben Jahre (Deutschland: 36 Jahre). Aber die Wege zum Wohlstand sind in China und außerhalb des Landes umstritten. Das Ausland beklagt zunehmend die Währungspolitik des Landes, der chinesische Yuan werde künstlich niedrig gehalten und fördere so die weltweiten wirtschaftlichen Ungleichgewichte.
Doch die Welt braucht die Wachstumsmaschine China. Zwei Drittel des Wachstums der Weltwirtschaft in den vergangenen sechs Jahren gehen auf das Wachstum Asiens zurück.
Was die Welt nicht braucht ist ein Megabörsencrash, der sich von Shanghai und Hongkong aus um die Welt ausbreitet und in der Folge Konjunkturen weltweit abwürgt. Hu Jintaos Antwort auf die Vorwürfe: Er wird seine Ideen des "wissenschaftlichen Entwicklungskonzepts" und der "harmonischen Gesellschaft" in der Verfassung der Partei verankern. So die Schlagworte aus Peking.
Eine Aktien-Blase in China?
Im Gegensatz zum bisherigen Wachstum um jeden Preis steckt dahinter ein nachhaltiger Ansatz, der auch Ressourcen und die Umwelt schonen soll – zumindest theoretisch. Trotz aller Versuche, das Wachstum abzubremsen, stieg das Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2007 um 11,5 Prozent. Die Investitionen wachsen mit rund 30 Prozent jährlich, der Konsum beginnt, sich aufzuheizen mit Wachstumsraten von zuletzt zehn Prozent. Die Inflationsrate lag im August bei 6,5 Prozent.
Bester Ausdruck des wuchernden Wachstums ist die Entwicklung der Börsen in Shanghai, Shenzhen und neuerdings auch Hongkong. China-Aktien versechsfachten ihren Wert in den vergangenen zwei Jahren. Der Shanghai Composite Index kletterte in den vergangenen Wochen beinahe täglich um ein bis zwei Prozent nach oben, erreichte Rekord um Rekord und steht zum ersten Mal jenseits der 6000-Punkte-Marke. Eine Blase?
Umgerechnet 3,7 Billionen Dollar sind die Aktien an Chinas Börsen insgesamt wert, das ist mehr als das 2006 erreichte Bruttoinlandsprodukt von gut 2,7 Billionen Dollar. Der Umsatz an den Börsen ist in diesem Jahr höher als an allen anderen Marktplätzen der Welt. Und die meisten Neuemissionen finden ebenfalls in Shanghai sowie Shenzhen statt – nicht in New York, nicht in London.
"Vorsicht vor China", rät Vermögensverwalter Gottfried Heller
"Vorsicht vor China", rät Vermögensverwalter Gottfried Heller. "Die Chinesen hatten lange nur das Sparbuch. Jetzt können sie in Aktien investieren. Der Andrang ist riesig, da werden am Tag manchmal 100 000 neue Depots eröffnet. Daher ist die Bewertung so hoch wie einst bei uns am Neuen Markt. Das kann noch eine Weile gut gehen, weil die Regierung dafür sorgen wird, dass die Wirtschaft zu den Olympischen Spielen 2008 gut dasteht. Aber das Risiko ist sehr hoch."
Die hohen aktuellen Kurse an Chinas Börsen sind Ausdruck der Spekulation – und des enormen Wachstums der chinesischen Konzerne. Der Energiekonzern PetroChina kletterte inzwischen auf Platz 2 der Rangliste der weltweit größten Konzerne.
Umgerechnet 305 Milliarden Euro ist das Unternehmen an der Börse wert. Gewichtiger ist nur ExxonMobil. Unter den zehn größten Unternehmen weltweit sind allein vier aus dem Reich der Mitte. Neben PetroChina sind das der Mobilfunker China Mobile, das Finanzunternehmen Industrial and Commercial Bank of China und die Energiefirma China Petroleum & Chemical.
Ausländische Kapitalanleger Mangelware
Der schnelle Aufstieg der chinesischen Konzerne an die Weltspitze erinnert an die Vorherrschaft japanischer Banken Ende der 80er-Jahre. Der Wert der Geldhäuser ergab sich dort aus Finanzbeteiligungen: Solange Aktien und Immobilienpreise kletterten, stiegen die Bankengewinne.
Das Platzen der damaligen Spekulationsblase brachte viele Banken an den Rand des Ruins. Luft aus der Börse lassen – eine der dringendsten Aufgaben der KP. Ausländische Investoren sind an den chinesischen Börsen immer noch Mangelware. Sie dürfen nur ein Prozent der Marktkapitalisierung halten.
Die Börsen in Shanghai und Shenzhen werden von 50 Millionen Privatanlegern dominiert, die zwei Drittel des täglichen Umsatzes bestimmen. An westlichen Börsen dagegen geben die Institutionellen den Ton an.
Zeitbomben geräuschlos entschärfen
Während westliche Experten das Platzen einer Börsenblase befürchten, stellt Ayar Kapur die Frage, ob es in einem autoritären Einparteiensystem nicht Möglichkeiten gibt, Zeitbomben geräuschlos zu entschärfen. Die gibt es.
Gerade die Dominanz der Privatanleger erlaubt es Chinas Regierung, die Börsen zu steuern. Die Lösung des Parteitags: Die Ersparnisse der Chinesen an andere Börsen lenken. Der Parteitag bestätigte das Qualified Domestic Institutional Investor (QDII) Programm.
Es erlaubt Chinas Banken seit Kurzem, Anlegergelder in ausländischen Aktien anzulegen. Rechtzeitig zu Beginn des Parteitags wurden die ersten QDII-Fonds angeboten. Eleanor Wan, Chefin von Allianz Global Investors Hongkong: "Der September 2007 ist der Monat, in dem Chinas Anleger die internationalen Börsen entdeckten."
Mark Mobius, Templeton: Lieber Unternehmen besteuern als besitzen
Das China Southern Fund Management hat umgerechnet vier Milliarden Dollar für seinen neuen Fonds Southern Global Enhanced Balanced eingesammelt – und entsprechende Dollar-Währungsreserven dafür von den Staatsbanken bekommen.
Dank der Börse – und natürlich eigenen unternehmerischen Handeln – gibt es in China inzwischen viele wohlhabende Bürger. 106 Dollar-Milliardäre sind es laut dem Shanghaier "Hurun Report". "Die Erfolgsgeschichten ermutigen viele junge Chinesen, es ebenfalls als Unternehmer zu versuchen", sagt der Engländer Rupert Hoogewerf, der den "Hurun Report" seit neun Jahren veröffentlicht.
Ermöglicht hat es die Kommunistische Partei, die nun erneut die Weichen stellen muss. "Der Staat gab zunächst die Kontrolle nicht aus der Hand, baute aber trotzdem eine Marktwirtschaft auf. Dann kam das Nachdenken: Warum sollen wir die Unternehmen besitzen, wir können sie ja besteuern; gebt sie dem Privatsektor und lasst sie machen, wir überwachen nur", sagt Mark Mobius, Fondsmanager bei Templeton.
Dominic Rossi, Threadneedle: Weniger Export, mehr Binnenmarkt
Und der Yuan? Er ist ein Hebel für alles. Die Landeswährung ist durch die Kopplung an den US-Dollar unterbewertet. Das hat den Exportboom und das Megawachstum erst ermöglicht.
"Chinas Herausforderung lautet, die exportlastige Wirtschaft zu transformieren in eine, die sich am Binnenmarkt orientiert", erklärt Dominic Rossi, Aktienchef beim Fondshaus Threadneedle.
Der Parteitag beließ es in Sachen Yuan bei Floskeln. Die wichtigste Waffe überlässt die Partei nicht dem Markt. Der Yuan wird noch gebraucht für den langen Marsch an die Weltspitze.
China im Überblick
Das Bruttoinlandsprodukt: Pro-Kopf-Verdoppelung in fünf Jahren
Das Bruttoinlandsprodukt Chinas liegt bei 2,7 Billionen Dollar. Pro Kopf sind das 2000 Dollar, das ist doppelt so viel wie 2002, als Hu Jintao seinen Job al Staatschef antrat. Im selben Zeitraum wuchsen die Fremdwährungsreserven auf 1,4 Billionen Dollar an. Die so wichtigen Exporte verdreifachten sich auf eine Billion Dollar.
Die Börsen: Shanghai und Hongkong
Die Hoffnung auf große Investitionen aus der Volksrepublik China treibt Hongkongs Börse von Rekord zu Rekord. Gerüchten zufolge wollen die Börsen Shanghai und Hongkong enger zusammenarbeiten. Chinesische A-Aktien nämlich werden immer noch mit einem massiven Aufschlag gegenüber Hongkongs H-Aktien gehandelt. Durch eine Kooperation könnten Aktien in Hongkong gekauft und in Shanghai verkauft werden. Die Bewertung würde sich vereinheitlichen.
Die Wirtschaft: Überhitzungstendenzen
Chinas Wirtschaft wird 2007 das stärkste Wachstum seit mehr als zehn Jahren erreichen. Das Bruttoinlandsprodukt wird wohl um 11,7 Prozent zulegen, so stark wie seit 1994 nicht mehr, teilte die chinesische Notenbank mit. Sie kündigte eine Fortsetzung ihrer Politik moderater Zinserhöhungen an, um einer Überhitzung der Wirtschaft entgegen zu wirken. Der Inflationsdruck jedoch lässt nicht nach, trotz mehrfacher Versuche, mit Zinserhöhungen gegenzusteuern.
Die Investments: Fonds bieten sich an
In China ticken die Börsenuhren anders. Während die von den USA ausgehenden Probleme mit verbrieften Kreditforderungen weltweit für Kursturbulenzen sorgten, zogen die Börsen in Shanghai und Hongkong unbeeindruckt an, vor allem Bankaktien. "Banken profitieren wie auch Immobilien- und Einzelhandelsfirmen vom Wachstum der chinesischen Binnenkonjunktur", kommentiert Agnes Deng die jüngste Entwicklung. Die Managerin des Baring Hong Kong China Fund setzt im Vorfeld der Olympischen Spiele und der Expo 2010 in Shanghai zudem auf Unternehmen aus dem Infrastrukturbereich. Ihr Ausblick: "Solange die Zuflüsse in Aktien die Rückflüsse übersteigen, geht die Party weiter."
Die besten China-Fonds in 2007*
Fonds: Performance seit 1.1.2007 (in %)
1. Robeco Chinese Eq. EUR D: 88.5
2. Baring Hong Kong China (EUR): 85.1
3. SGAM Eq. China: 76.9
4. Invesco PRC Equity A: 75.5
5. ABN China Equity A: 72.3
Fonds: WKN
1. Robeco Chinese Eq. EUR D:
A0CA012. Baring Hong Kong China (EUR):
9335833. SGAM Eq. China:
9210844. Invesco PRC Equity A:
9747595. ABN China Equity A:
974393Quelle: *FINANZEN FundAnalyzer, Performance auf Euro-Basis, Stand: 23.10.2007.