Goldman Sachs: Edelmetall-Rallye wackelt
29.11.25 15:22
Börse Global
Die Investmentbank Goldman Sachs blickt skeptisch auf die dramatische Preisexplosion bei Silber, Platin und Palladium. Die drei Edelmetalle haben seit Jahresbeginn um bis zu 66 Prozent zugelegt – doch die Analysten warnen: Hinter dem Höhenflug stecken vor allem spekulative Kapitalströme, nicht fundamentale Stärke.
Besonders bemerkenswert: Platin kletterte um 65 Prozent, obwohl die chinesische Nachfrage nach Platinschmuck unter dem Durchschnitt der Jahre 2021 bis 2024 blieb. Die Rally wirkt losgelöst von der industriellen Realität.
Anleger auf der Jagd nach dem großen Coup
Was treibt die Preise dann? Goldman Sachs identifiziert zwei Hauptfaktoren. Erstens: Private Investoren haben nach den Zinssenkungen der Federal Reserve massiv in die drei Metalle umgeschichtet. Sie betrachten Silber, Platin und Palladium als risikoreichere Alternativen zu Gold – mit dem Glauben, dass die Metalle nach der Gold-Rallye "aufholen" müssten.
Das Problem: Die Märkte für Platin und Palladium sind deutlich kleiner und weniger liquide als der Goldmarkt. Schon moderate Kapitalzuflüsse können hier zu extremen Preisbewegungen führen.
Lagerkrise in London verschärft Volatilität
Der zweite Treiber: physisches Metall wurde massiv in die USA verlagert. Alle drei Edelmetalle stehen auf der US-Liste kritischer Mineralien und könnten theoretisch mit Zöllen von bis zu 50 Prozent belegt werden – auch wenn sie im April 2025 zunächst ausgenommen wurden. Gleichzeitig läuft gegen russisches Palladium eine Anti-Dumping-Untersuchung.
Die Folge: Händler transportierten Metall vorsorglich an US-Börsen, um Lieferrisiken zu vermeiden. In London, dem globalen Preiszentrum, schrumpften die Lagerbestände dramatisch. Bei dünnem Bestand sind Preismanipulationen leichter durchzuführen – und schwerer zu kontrollieren.
Silber-Squeeze endete im Crash
Wie anfällig das System ist, zeigte der Oktober-Squeeze bei Silber. Als sich die Verknappung auflöste, stürzte der Silberpreis zwischen dem 17. und 21. Oktober um 11 Prozent ab. Die Panik griff über: Gold fiel am 21. Oktober um 6 Prozent. Goldman Sachs betont, dass Silber, Platin und Palladium nicht über die institutionelle Leihbasis verfügen, die Gold Stabilität verleiht.
Die Analysten halten breit angelegte US-Zölle für unwahrscheinlich. Die geologische Realität spricht dagegen: US-Silberproduktion ist minimal und überwiegend ein Nebenprodukt. Die bekannten heimischen Reserven würden nur etwa fünf Jahre des aktuellen Importbedarfs decken. Platin und Palladium stammen hauptsächlich aus Südafrika und Russland – die zwei US-Lagerstätten in Montana arbeiten nur mit 50 Prozent der theoretischen Kapazität.
Industrienachfrage bleibt Fragezeichen
Ein Verbot russischen Palladiums? Goldman Sachs hält das für unwahrscheinlich. Eine US-Regierungsstudie prognostizierte einen Preisanstieg um 24 Prozent und wirtschaftliche Nettoverluste von rund einer Milliarde Dollar – hauptsächlich für Autohersteller.
Die industrielle Nachfrage sendet gemischte Signale. Chinas rasante E-Auto-Expansion reduziert den PGM-Bedarf für Katalysatoren und erhöht gleichzeitig das Schrottangebot. Die potenzielle Rolle von Platin in Brennstoffzellen für Rechenzentren bleibt spekulativ. Goldman Sachs verweist auf Chinas Solar-Boom 2022, als Kupfer Silber in Solarzellen ersetzte – ein Warnsignal für Substitutionsrisiken bei hohen Preisen.