(schon etwas älter, aber trotzdem aufschlussreich - unten im Text geht es um Spanien)
Spekulationsblase in den USA platzt
Ralf Streck 16.03.2007
Das gerade am US-Immobilienmarkt zu beobachtende
Szenario könnte sich bald, mit deutlicheren Auswirkungen, in Spanien wiederholenWegen zahlloser fauler Kredite auf dem US-Immobilienmarkt beginnen nun auch große Akteure zu straucheln. Mit New Century Financial gerät einer der größten Akteure auf dem US-Hypothekenmarkt in die Zahlungsunfähigkeit. Frisches Geld brauchen andere US-Hypothekenanbieter, kleinere Firmen haben bereits dicht gemacht. Wurde zunächst abgewiegelt, steigt nun die Angst vor einer Kettenreaktion, welche eine Rezession mit weltweiten Folgen nach sich ziehen könnte. Auch in Spanien hat sich seit Jahren eine Immobilienblase gefährlich aufgeblasen, an der ein guter Teil der gesamten Ökonomie hängt. Ermüdungsanzeichen sind deutlich sichtbar und die Krise in den USA könnte die Blase auch in Spanien zum Platzen bringen.
Die platzende Immobilienblase in der USA hat inzwischen einen großen Namen: [extern] New Century Financial. Der Handel mit Aktien der zweitgrößten US- Hypothekenfirmen wurde an der New Yorker Börse ausgesetzt, nachdem die Aktien seit Jahresbeginn mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren haben. Sie stürzten vom Höchststand von 66 Dollar (2004) ab und sind heute keinen Dollar mehr wert, weshalb die Notierung gestrichen werden soll und eine Insolvenz ansteht.
Doch New Century steht nur als Symptom für eine gesamte Branche. Mehrere Dutzend kleinere Firmen haben inzwischen dicht gemacht. Ein weiterer wichtiger Anbieter, die Accredited Homelenders, [extern] meldete dringenden Kapitalbedarf an . Der Kurs ihrer Aktien hat sich schon mehr als halbiert.
Betroffen sind bisher nur die Anbieter, die, wie New Century, am so genannten "subprime market" in den letzten Jahren sehr viel Geld verdient haben, einem Markt mit einem Volumen von etwa 500 Milliarden Euro ([local] Am amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt droht ein Desaster). Käufer mit geringer Bonität erhielten von den Firmen, die auf dieses Segment spezialisiert sind, Kredite. Ihre Kreditwürdigkeit wurde oft nicht geprüft, was mit einem höheren als dem üblichen Hypothekenzins bezahlt wurde. Manche Kredite waren derart faul, dass die Kreditnehmer nicht einmal die erste Rate zahlen konnten.
Die Party auf dem Immobiliensektor ist vorbei
Das ging so lange gut, solange die Zinsen niedrig waren, die Konjunktur brummte und die Preise für die Immobilien weiter stiegen. Denn damit war die Hypothek, oft ohne jegliches Eigenkapital vergeben, durch die Immobilie scheinbar gedeckt. Doch das geht schief, wenn mehrere Faktoren (manchmal reicht auch einer) sich negativ entwickeln. Das ist nur eine Zeitfrage, wenn nicht deutlich gegengesteuert wird. Denn der wesentliche Haken an diesen Krediten ist, dass die Hypothekenfirmen die Risiken über variable Zinsen voll an ihre Kunden weiter geben. Steigt der Zinssatz, bekommen gleichzeitig viele Familien Zahlungsprobleme und können die Raten nicht mehr zurückzahlen. Zudem bricht ein Teil des Konsums weg.
Das macht sich in der US-Ökonomie schnell in einer schwächelnden Konjunktur bemerkbar, was wiederum diesen Prozess verstärkt und zu einem Ansteigen von Zwangsversteigerungen und Verkäufen führt. In den USA wurde die Zahl der Zwangsvollstreckungen im vierten Quartal 2006 auf einen Höchststand seit 37 Jahren katapultiert. Im Januar standen mehr als 4,1 Millionen Häuser zum Verkauf, davon mehr als eine halbe Million neu gebauter, weil deren Besitzer sie nicht mehr bezahlen konnten.
Da plötzlich viele Immobilien auf den Markt geschwemmt wurden, begannen die Preise zu fallen. Die Aufwärtsspirale, von scheinbar ständig steigenden Preisen, wurde gestoppt und die Blase begann zu platzen, als die Preise zu fallen begannen. Die nun deutlich erkennbare Krise wird erneut Hunderttausende Immobilien auf den Markt bringen, die Folgen sind noch nicht absehbar. Wie vor sieben Jahren bei der Dot.com-Blase ist die Party nun auch im Immobiliensektor vorbei. In diesen Sektor waren einst zahlreiche Anleger geflüchtet. Inzwischen erkennen immer mehr Analysten an, dass eine massive Krise droht. Nach Turbulenzen am "Schwarzen Dienstag" Ende Februar ([local] Vor dem Tsunami) hatten sie noch von einer üblichen Anpassung des Marktes gesprochen, obwohl der ehemalige Chef der US-Zentralbank Alan Greenspan schon vor einer Rezession warnte.
So schreibt nun auch das Handelsblatt von der "Angst vor dem Ausverkauf". Die Zeitung warnt vor einem Übergreifen auf den Gesamtmarkt. Die Zahlen zeigten, dass die Kreditprobleme weit über den "subprime market" hinausreichten. Sie bezieht sich dabei auf den Chefökonom der Investmentbank Goldman Sachs. Dessen Kollege David Rosenberg von Merrill Lynch befürchtet, dass die Zahlungskrise dem taumelnden Immobilienmarkt einen weiteren Schlag versetzen könnte.
Für diese Aussagen muss man kein Prophet sein, schließlich haben neben Goldman Sachs und Merrill Lynch alle Großen an der Wall Street zuvor gute Geschäfte mit New Century gemacht, unter anderen auch die Schweizer UBS und die Deutsche Bank. Sie haben dem Hypothekenanbieter mehr als 17 Milliarden Dollar für seine Geschäfte an die Hand gegeben, aber inzwischen den Geldhahn abgedreht. Die abgeschlossenen Hypothekenkredite waren von ihnen mit hohem Gewinn gebündelt, umgepackt und in Form von neuen Wertpapieren an institutionelle und auf höhere Renditen spekulierende kleine Anleger verkauft worden, die nun das Nachsehen haben.
Die Börsen haben weltweit schon auf das sich abzeichnende Debakel reagiert. Am Dienstag fiel der Dow-Jones-Index an der Wall Street um fast zwei Prozent. Das war schon der zweite große Kurssturz in diesem Jahr, nachdem Ende Februar die Börse in Schanghai Schockwellen um die Welt geschickt hatte. In der Folge ging auch der deutsche Aktienmarkt am Mittwoch auf Talfahrt. Der DAX sackte um 2,67 Prozent ab und fiel unter die Marke von 6500 Punkten. Es wird nun befürchtet, dass die Krise sich auf den gesamten Hypotheken- und Kreditmarkt auswirken wird. Das Geschäft wird rauer, die Kreditvergabe härter und damit droht der oft auf Pump bezahlte Konsum in den USA abzustürzen, der zu etwa 70 Prozent die US-Wirtschaft trägt. Das Gespenst der Rezession geht um in den USA. Und wenn der Motor der Weltwirtschaft stottert, hat das schnell Auswirkungen, ganz besonders auf Länder wie Deutschland, die stark exportorientiert sind.
Dazu kommt ein allgemeiner Vertrauensverlust von Investoren. Szenen wie in den USA, wo nun Gläubiger ihr Geld zurückfordern und die Kreditschrauben allgemein angezogen werden, könnten sich wegen der internationalen Vernetzung auch schnell internationalisieren. Das Motto: Rette sich, wer kann, ist meist Vorbote einer internationalen Finanzkrise.
Das Risiko für einen Immobiliencrash wächst besonders in Spanien
Die platzende Blase in den USA könnte sich also schnell auf Europa auswirken. Betroffen könnten auch Länder sein, die ebenfalls mit einer extrem hohen Verschuldung der privaten Haushalte zu kämpfen haben und in denen heftig mit Immobilien spekuliert wird. Seit Jahren warnen Finanzinstitutionen zum Beispiel Spanien vor einem sich anbahnenden Immobiliencrash.
Das liegt vor allem an der "überdurchschnittlich hohen Verschuldung" der spanischen Haushalte, die über dem EU-Durchschnitt liegt. Die Haushalte werden "verletzlicher", weil die Einkommen der Familien nicht mit der Verschuldung Schritt hielten. Allein im vergangenen Jahr ist die Verschuldung über Hypothekenkredite um fast 20% auf knapp 569 Milliarden Euro gestiegen. Die Gesamtverschuldung der Familien, zu der auch die Konsumkredite gehören, hat fast 800 Milliarden Euro erreicht. Das sind fast 85 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der gesamten Wirtschaftsleistung. Die EU-Kommission schätzt, dass bis 2008 die Verschuldung auf 100 % des BIP steigt. Deshalb warnt die EU in einem Bericht erneut vor der wachsenden Verschuldung, denn die steigenden Zinsen könnten auch hier den Konsum beeinträchtigen, der bisher dem Land das robuste Wachstum beschert. Daneben wird auch erneut darauf verwiesen, dass das Land weiter an Konkurrenzfähigkeit verliert und die Inflation noch immer hoch ist.
Obwohl die Haushalte in anderen EU-Ländern zum Teil höher als in Spanien verschuldet sind, wird die Lage hier nun besonders gefährlich. Wie am subprime market in den USA werden die Zinsen der Kredite in Spanien fast ausschließlich variabel vergeben. Zumeist sind sie an den Euribor gebunden. Das ist der Zinssatz, den europäische Banken voneinander beim Handel von Einlagen mit festgelegter Laufzeit verlangen. Trotz der Warnungen schauen die Regierungen, ob konservativ oder sozialistisch, seit Jahren tatenlos zu, wie Banken Rekordgewinne schreiben, während sich die Bürger inzwischen zum Teil für das gesamte Leben verschulden.
In Spanien haben sich die Immobilienpreise in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt. Der durchschnittliche Kredit liegt nun bei 150.000 Euro mit einer Laufzeit von 25 Jahren. Da auch in Europa die Zinsen steigen, wird es für viele Familien immer enger. Allein die Erhöhung des Euribors um 1,1 % im zurückliegenden Jahr schlägt durchschnittlich mit fast 1650 Euro zu Buche, die jährlich mehr an Zinsen bezahlt werden müssen. Mit 4,1 % hat der Euribor einen neuen Höchststand erreicht, der sich in den letzten zwei Jahren fast verdoppelte. Ein Ende des Anstiegs ist noch nicht abzusehen, wie die Europäische Zentralbank bei Erhöhung der Leitzinsen kürzlich auf 3,75 % deutlich machte.
Dass es in Spanien trotz eines robusten Wachstums eng wird, lässt sich nun an einigen Punkten deutlich ablesen:
* Die Zahl der säumigen Schuldner steigt, und ist nach einer relativ stabilen Phase nun plötzlich auf einen [extern] Höchststand seit 2002 geschnellt. Obwohl der Wert mit 0,41% noch gering ist, macht der Anstieg den Kreditgebern sorgen.
* Der Zeitraum, der nötig ist um eine Wohnung zu verkaufen, wird ständig größer und die Zahl der Transaktionen [extern] geht zurück.
* Die Steigerung der Immobilienpreise fiel 2006 mit 9,1 % gegenüber den Vorjahren moderat aus. Tatsächlich zeigten sich aber schon Ermüdungstendenzen. In den Provinzen Kantabrien, Zamora, Orense, Alava, Guipúzcoa und der Rioja stagnierten die Preise oder fielen erstmals sogar.
Die Folgen eines Immobiliencrashs wären in Spanien deutlich heftiger als in den USA, denn ein Drittel der gesamten Wirtschaft hängt vom völlig aufgeblähten Bausektor ab. Viele Häuser werden gebaut, die niemand braucht und nur der Spekulation dienen, während Jugendliche [local] keinen bezahlbaren Wohnraum finden. In den letzten Jahren wurden in Spanien jährlich mehr Wohnungen gebaut als in Frankreich, Deutschland und Italien zusammen. Bei einem Crash würde die Wirtschaft gemeinsam mit ihrer großen Stütze in eine tiefe Krise stürzen. Spätestens die Expansionswellen dieses Crashs werden in Europa deutlich spürbar sein.
Artikel-URL: www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24865/1.html