China laufen die Investoren davon
von Christine Mai (Frankfurt), Sundeep Tucker (Hongkong), Geoff Dyer (Peking)
Nach der UBS hat auch die Bank of America Anteile an einem chinesischen Geldinstitut versilbert. Investoren erwarten eine Flut solcher Verkäufe, da westliche Banken dringend frisches Geld brauchen. Auch die Royal Bank of Scotland prüft einen Ausstieg.
China droht ein massiver Kapitalabfluss, da immer mehr westliche Banken Beteiligungen an Instituten des Landes versilbern. Die Bank of America veräußerte am Mittwoch 2,5 Prozent an der China Construction Bank (CCB) für 2,8 Mrd. $. Nach Informationen der Financial Times prüft zudem die Royal Bank of Scotland, ihre Beteiligung an der Bank of China im Wert von 2 Mrd. Pfund abzustoßen. Vergangene Woche war bereits die Schweizer Großbank UBS aus diesem Institut ausgestiegen: Sie verkaufte ihren Anteil von 1,3 Prozent und erlöste damit 835 Mio. $.
Investoren und Analysten erwarten, dass weitere Banken folgen werden. Die krisengeschüttelten Institute brauchen dringend frisches Geld, und die Haltefristen für die Anteile laufen aus. Auch andere Investoren schlagen Beteiligungen los: Der Milliardär Li Ka-shing veräußerte Aktien der Bank of China im Wert von 524 Mio. $, bleibt aber Anteilseigner.
Die Papiere der chinesischen Banken brachen ein: Die CCB-Aktie etwa schloss fast neun Prozent im Minus. Dass westliche Banken sich massenhaft ganz aus dem chinesischen Markt zurückziehen, erwarten Experten jedoch nicht - auch wenn die Institute dort mit harten Bedingungen zu kämpfen haben und kaum Geld verdienen. Wer später Anteile verkauft, könnte allerdings im Nachteil sein, da der Markt diese Flut von Aktien kaum aufnehmen kann.
Matthew Austen, der bei der Beratung Oliver Wyman die Abteilung für Banken im Asien-Pazifik-Raum leitet, verwies darauf, dass es hier um reine Finanzbeteiligungen gehe. "Jetzt gibt es ein gestiegenes Interesse daran, einen Teil dieser Beteiligungen zu verkaufen - aus finanziellen Gründen", sagte Austen. "Ausländische Banken verlassen den chinesischen Markt aber nicht." Angesichts der Probleme an den dortigen Aktienmärkten müssten die Banken allerdings entscheiden, "wie sie in diesem Markt präsent bleiben können, ohne dass die Kosten zu hoch werden", fügte Austen hinzu.
Westliche Finanzkonzerne wie die Allianz, Royal Bank of Scotland und Goldman Sachs halten milliardenschwere Anteile an chinesischen Banken. Meist haben sie sich in den Jahren 2005 und 2006 eingekauft. Bislang ließen Sperrfristen keine Verkäufe zu. Immer mehr dieser Fristen laufen aber nun aus. Die UBS verkaufte ihren Anteil an der Bank of China genau an dem Tag, an dem die Periode endete.
Vor wenigen Wochen hatte es so ausgesehen, als werde sich die chinesische Regierung gegen den drohenen Kapitalabfluss stemmen: Die Bank of America blies die bereits damals geplante Reduzierung ihres CCB-Anteils ab, nachdem Peking Druck ausgeübt hatte. Die Regierung habe den Zeitpunkt des Verkaufs für falsch gehalten und ihn verzögert, glauben Insider.
Die CCB betont, der Schritt werde keine Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den beiden Instituten haben. "Die Bank of America hat mehrmals angekündigt, dass sie ihren Anteil verringern wird, und das wird ihren Status als wichtiger Aktionär nicht ändern", teilte das chinesische Institut mit.
Die Börse in Schanghai ist seit Juni 2008 um über 30 Prozent abgestürzt, die meisten Bankwerte haben noch viel stärker gelitten. Die Regierung in Peking fürchtet, dass der ungeordnete Ausstieg westlicher Investoren die Unterstützung für den heimischen Bankensektor untergraben könnte.
Satte Buchgewinne für die Banken
Für Verkäufe ist der Zeitpunkt günstig: Die Beteiligungen habe den Banken Buchgewinne eingebracht, da die Kurse der chinesischen Institute auch nach den Verlusten noch höher liegen als bei ihrem Einstieg. Die Aktien dürften zudem weiter an Wert verlieren.
Die UBS erzielte mit ihrem Beteiligungsverkauf einen Gewinn von 335 Mio. $., die Bank of America sogar 1,13 Mrd. $. Das US-Institut hält immer noch knapp 17 Prozent an der CCB. Das Geld kann die Bank gut gebrauchen: Neben Krisenfolgen muss sie die milliardenschweren Übernahmen des Hypothekenanbieters Countrywide und der Investmentbank Merrill Lynch verdauen.
Auch der Royal Bank of Scotland winkt ein Gewinn. Das Institut hatte seine Beteiligung Ende 2005 für 800 Mio. Pfund erworben. Der neue Chef des britischen Instituts, Stephen Hester, war in dieser Woche in Peking, wo er Topmanager der Bank of China und Regulierer traf, um mit ihnen über den möglichen Verkauf des 4,3-prozentigen Anteils an dem chinesischen Institut zu beraten. Die Haltefrist war vergangene Woche abgelaufen.
"Ob die Beteiligung an der Bank of China verkauft wird, ist noch nicht endgültig entschieden", sagte eine mit der Situation vertraute Person. "Aber die Chinesen wissen nun, wie die Royal Bank of Scotland über diese Frage denkt. Den Anteil zu verkaufen ist eine der Optionen." Das britische Institut wollte sich nicht äußern.
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