HINTERGRUND: Gigantische Gewinne der Ölriesen - Mehr Investitionen
21.11.06 07:22
HAMBURG (dpa-AFX) - Die hohen Energiepreise treiben Verbraucher in der
ganzen Welt zur Verzweiflung, sorgen aber für große Freude bei den Aktionären
und den Chefs der Ölkonzerne. Sie haben von den Rekordpreisen auf dem Ölmarkt
profitiert wie nie zuvor und können satte Gewinne einstecken. Aber auch die
Zulieferindustrie und die Staatshaushalte bekommen einen beträchtlichen Teil des
Kuchens.
"Klar ist, dass das letzte Quartal die besten Bedingungen geboten hat", sagt
BP -Chef John Browne. Nachdem der Ölpreis seinen Höhepunkt
überschritten und seit Anfang August rund 25 Prozent nachgegeben hat, werden die
Konzerne die Ergebnisse des dritten Quartals wohl nicht wiederholen können.
ÖLGESELLSCHAFTEN MIT SATTEN GEWINNZUWÄCHSEN
Die vier in Deutschland dominierenden internationalen Ölgesellschaften haben
allesamt ihre Gewinne in den ersten neun Monaten des Jahres kräftig gesteigert.
Die US-amerikanische ExxonMobil (Esso) kam auf den
unvorstellbaren Betrag von mehr als 29 Milliarden Dollar Reingewinn, das sind 24
Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. ExxonMobil verdiente somit
Woche für Woche 750 Millionen Dollar oder mehr als 100 Millionen Dollar pro Tag.
Die britische BP (Aral) erreichte einen Gewinn von 18,4 Milliarden Dollar
(plus 23 Prozent), bei Shell waren es 19,4
Milliarden Dollar (plus zwölf Prozent) und auch das französische Unternehmen
Total konnte 12,3 Milliarden Dollar (plus acht Prozent)
Gewinn einstreichen.
AKTIONÄRE PROFITIEREN
Ein erheblicher Teil des Profite wandert in die Taschen der Aktionäre. Die
Unternehmen haben Rückkauf-Programme für ihre eigenen Aktien gestartet, die den
Wert der Anteile steigern. Außerdem haben die internationalen Konzerne ihre
Dividenden erhöht. "Bei ExxonMobil steigt die Dividende seit 21 Jahren jedes
Jahr an", sagt Karl-Heinz Schult-Bornemann von der deutschen
Tochtergesellschaft.
Die Anteile von Riesenkonzernen wie ExxonMobil, BP oder Shell sind breit
gestreut; neben Privatinvestoren sind auch viele institutionelle Anleger wie
Aktienfonds oder Versorgungs- und Pensionseinrichtungen an den Unternehmen
beteiligt. So fließt ein Teil des Geldes, das Autofahrer und Heizölkäufer
bezahlen, zurück an Verbraucher, die ihr Erspartes in Ölaktien oder Fonds
angelegt haben.
STAAT EIN WEITERER PROFITEUR
Ein weiterer Profiteur der hohen Konzerngewinne ist der Staat, allerdings
kaum der deutsche. Die Firmen müssen mit den höheren Gewinnen auch höhere
Steuern zahlen. Bei BP kletterte zum Beispiel die Steuerlast in den ersten neun
Monaten von 7,4 auf knapp 11 Milliarden Dollar, bei Shell von 12,6 auf 14,4
Milliarden Dollar. Und das sind nur Gewinnsteuern der Unternehmen, nicht aber
Verbrauchssteuern der Konsumenten, die beim Kauf von Ölprodukten in den meisten
Staaten der Welt anfallen.
Der Geldsegen hat die Konzerne aber auch animiert, mehr Geld für die
Erschließung neuer Ölfelder auszugeben. Schon laufende Projekte wurden
beschleunigt oder vergrößert, neue Projekte durchgerechnet. So will ExxonMobil
von 2007 bis 2010 jedes rund Jahr 20 Milliarden Dollar investieren und damit
mehrere Milliarden mehr als in den Vorjahren. Die Konzerne entwickeln Öl- und
Gasfelder in Kanada, dem Golf von Mexiko und Westafrika, am Schwarzen Meer und
in Sibirien. Ein Teil der höheren Investitionen wird allein wegen drastischer
Preiserhöhungen der Zulieferer notwendig; vom Bohrmeißel bis zur Arbeitskleidung
ist alles teurer geworden, was zum Ölbohren benötigt wird.
ÖLPREIS
Mit ihren Investitionsentscheidungen haben die privaten Ölkonzerne aber auch
dazu beigetragen, dass dem Ölpreis auf seinem Anstieg kurz vor der Marke von 80
Dollar für ein Fass die Luft ausging. "Die Märkte orientieren sich wieder mehr
an Angebot und Nachfrage, den fundamentalen Daten", sagt Klaus Matthies vom
Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA). "Öl war immer reichlich
vorhanden." Er rechnet mit einem Ölpreis von rund 60 Dollar im nächsten
Jahr./gi/DP/sbi
--- Von Eckart Gienke, dpa ---