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Philipp Vorndran: "Schuldenschnitt in Griechenland unvermeidlich."
Handelsblatt: Die Diskussionen um einen Zahlungsausfall Griechenlands reißen nicht ab. Erwarten Sie eine Pleite?
Philipp Vorndran: Griechenland ist ja im Frühjahr schon de facto pleite gewesen. Aber es gab die Rettungspakete. Ein Staatsbankrott ist politisch zumindest derzeit einfach nicht gewünscht.
Asoka Wöhrmann: Das sehe ich genauso. Die Kraft der Politik in Europa wird unterschätzt, und das Land ist zu klein, um deswegen das Projekt Europa zu riskieren.
Und wie sieht es langfristig aus?
Stefan Homburg: Griechenland wird laut IWF-Plan zunächst noch Primärdefizite aufweisen, und seine Schuldenstandsquote soll auf 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Daher besteht vorerst ein Anreiz zur pünktlichen Bedienung von Zins und Tilgung. Ab 2013 soll Griechenland aber netto zurückzahlen, und es fragt sich, ob es dazu bereit sein wird.
Rechnen Sie damit?
Homburg: Bei Laufzeiten über zwei Jahren nicht. Auch die Märkte glauben das nicht, wie Sie an den hohen Risikoprämien für griechische Langläufer ablesen können. Ob die Staatengemeinschaft noch einmal einspringt oder die Gläubiger Verluste erleiden, ist fraglich.
Ist denn ein Schuldenschnitt und damit eine Pleite wahrscheinlich?
Andrew Bosomworth: Ich gehe davon aus. Und dieser Schuldenschnitt muss in Griechenland mindestens 50 Prozent betragen, um den Schuldenstand des griechischen Bruttoinlandsprodukts auf zumindest 60 bis 70 Prozent und damit auf das Niveau des im Rahmen des Maastrichter EU-Vertrages Erlaubten zu rücken.
Vorndran: Längerfristig ist ein Schuldenschnitt in Griechenland unvermeidbar.
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Andrew Bosomworth: "Kein Dominoeffekt, keine Panik."
Aber hätte das nicht gravierende Auswirkungen auf andere Märkte?
Wöhrmann: Ja, und zwar für das ganze System. Die anderen angeschlagenen Länder - Irland, Portugal, Spanien - gerieten sofort in Sippenhaft. Und hinter allem steckt eine weitere Gefahr für alle verschuldeten Staaten: Das Risiko, dass Investoren an den Märkten generell nicht mehr akzeptieren, dass man Staatsschulden mit neuen Staatsschulden bezahlt Im schlimmsten Fall kann das plötzlich passieren, das wäre ein Crash. Dazu kommt: Die Europäische Zentralbank (EZB) hält hohe Bestände an Staatsanleihen, entweder direkt oder als Sicherheit für Refinanzierungsgeschäfte. Dies birgt ein systemisches Risiko: Wenn die Aktivseite der EZB nach einem Haircut plötzlich nur noch die Hälfte wert wäre, müsste Kapital nachgeschossen werden.
Bosomworth: Entschuldigung, solche Aussagen halte ich für Angstmacherei. Natürlich würden bei einem Schuldenschnitt auch die Risikoprämien anderer Euro-Länder steigen. Aber einen Dominoeffekt und eine Panik würde ich eben nicht fürchten.
Warum nicht?
Bosomworth: Der Schuldenschnitt wird ja schon längst an den Märkten erwartet und würde deshalb - anders als bei der unerwarteten Pleite der Investmentbank Lehman Brothers vor gut zwei Jahren - eben keine Schockwellen auslösen. Und natürlich würden auch Banken Probleme bekommen, die griechische Staatsanleihen halten. Aber im Zweifelsfall könnte diesen Instituten durch den von den Euro-Ländern und dem IWF getragenen Rettungsschirm EFSF geholfen werden - eben um den Dominoeffekt zu verhindern.
Homburg: Es kommt entscheidend darauf an, wie ein Schuldenschnitt gestaltet wird. Wenn die Laufzeiten der Anleihen verlängert und die Zinszahlungen gekürzt werden, ist das für Investoren nicht so schmerzlich, weil sie ihr Geld zurückerhalten und Abschreibungen vermeiden. Den Schuldnern hilft ein solch schonendes Verfahren unter dem Strich genauso wie ein harscher Haircut - also ein Abschlag auf die ausstehenden Schulden.
Vorndran: Das stimmt. Es bleibt aber mindestens ein Problem: Damit bekommt Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit nicht wieder.
Wären wie auch immer geartete Schuldenschnitte denn ökonomisch sinnvoll?
Homburg: Sie wären das einzig Sinnvolle! Mit Rettungen oder Bail-Outs verlagern Sie die Probleme schließlich nur auf die nächsthöhere Ebene.
Wie meinen Sie das?
Homburg: Sehen Sie sich das Beispiel Irland an: Zunächst rettete der Staat seine Banken, jetzt hat er selbst massive Probleme. Falls Irland sich nicht mehr refinanzieren kann, schlüpft es unter den Rettungsschirm. Aber auch die supranationalen Institute wie IWF, EU und die EZB sind nur begrenzt belastungsfähig. Irgendwann bekommen auch diese Institutionen Refinanzierungsprobleme - und zwar noch zu unserer Lebenszeit, wenn es mit den Bail-Outs so weitergeht.
Rettungen schaden also mehr als sie nutzen?
Homburg: Genau. Lassen Sie es mich plastisch ausdrücken: Die ständigen Bail-Outs wirken, als ob Sie auf ein Krebsgeschwür immer größere Pflaster kleben. Sie sehen das Geschwür dann nicht mehr, aber es wuchert weiter und wird sie letztlich töten.
Bosomworth: Da haben Sie Recht. Der politische Wille, Problemkandidaten immer weiter zu stützen, ist sehr gefährlich, da er ein Moral-Hazard-Problem schafft.
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Stefan Homburg: "Schauderhafte US-Finanzplanung."
Wie erklären Sie den politischen Stützungswillen?
Vorndran: Die Maxime vieler Politiker ist die kurzfristige Sicherung der Wiederwahl. Deshalb suchen sie keine Problemlösungen, die schmerzhaft wären, sondern verschieben die Probleme lieber in die Zukunft.
Welche Staaten könnten denn noch Probleme bekommen und auf Hilfen angewiesen sein?
Vorndran: Nach Griechenland im Euro-Raum Spanien, Portugal, Irland. Wir machen die Probleme gerne an der Höhe der Staatsschulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung fest. Aber das Land muss seine Schulden auch bedienen können und wollen. Deswegen hat Italien weniger Risiko als Spanien, weil es stärker binnenfinanziert ist.
Wöhrmann: Es kann immer Staatspleiten geben - selbst in Europa, wenn der Glaube an Schuldpapiere nachhaltig ins Wanken gerät.
Wie sieht es international aus?
Vorndran: Wir haben Japan und die USA im Fokus. Auch Großbritannien macht uns Sorgen, allerdings haben die Briten einen hohen Anteil langfristiger Schulden, müssen also nicht kurzfristig refinanzieren. Kurzfristig ist es in Ungarn schwierig. Hinter den Rückzahlungswillen des Landes setzen wir Fragezeichen. Das könnte ein erster echter Pleitefall werden.
Homburg: Das Land über das ich am meisten nachdenke, sind die USA. Die mittelfristige Finanzplanung sieht schauderhaft aus.
Wöhrmann: Wenn etwa die USA als größter Anbieter im Anleihemarkt sich weiter so stark verschulden, kann das Land in fünf Jahren wie Griechenland da stehen.
Eine Pleite der USA - jetzt malen Sie aber wahre Horrorszenarien...
Homburg: Wir haben ja nicht gesagt, dass die USA in Insolvenz gehen. Sie haben - anders als die Euro-Länder - den Vorteil einer eigenen Währung und Geldpolitik. Deshalb können die USA über einen schwachen Dollar und eine hohe Inflation ihre Schulden reduzieren. De facto haben sie ja schon begonnen, durch eine extrem expansive Geldpolitik den Realwert ihrer Verbindlichkeiten zu senken.
Und es gibt Inflation?
Homburg: Sicher, schon deshalb, weil die USA und auch die EZB die Geldbasis extrem ausgeweitet haben. Mit Verzögerung werden auch Geldmenge und Preise steigen.
Bosomworth: Das ist aber doch sehr theoretisch. Inflation entsteht ja nicht einfach dadurch, dass die Notenbanken mehr Geld zur Verfügung stellen. Das Geld muss erst in der Wirtschaft über zum Beispiel neue Kredite ankommen. Dieser Transmissionsriemen läuft aber noch nicht auf Hochtouren.
Vorndran: Momentan ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sehr gering, wenn sich das ändert, bekommen wir Inflation. Damit rechne ich innerhalb der nächsten fünf Jahre. Wöhrmann: Dem stimme ich zu. In der vergangenen Dekade war Inflation zwar eine Fata Morgana. Wenn bald eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt, wird die Inflation anziehen.
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Asoka Wöhrmann: "Es gibt einen Trendwechsel."
Was heißt das für Investoren?
Homburg. Dass lang laufende Anleihen momentan die riskanteste Anlageklasse sind. Das gilt auch für Bundesanleihen, bei denen ich angesichts der extrem niedrigen Renditen eine Spekulationsblase befürchte.
Vorndran: Wir haben eine Blase am Anleihemarkt. Aber es ist keine, die in den nächsten zwölf Monaten platzen dürfte. Am Ende aber wird unsere Erfahrung sein: Das vermeintlich Sichere, die Staatsanleihen, war eben nur vermeintlich sicher.
Wöhrmann: Es gibt ganz sicher einen Trendwechsel: Ohne Risiko kann kein Geld mehr mit Anleihen verdient werden. Ich sehe im Moment aber noch keine Blase am Anleihemarkt. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen kann durchaus in den nächsten zwölf Monaten drei Prozent erreichen, binnen fünf Jahren fünf Prozent.
Wie richten Sie ihre Portfolios konkret aus?
Bosomworth: Ich glaube eben nicht an die Inflation, und deshalb halten wir auch noch einen Anteil an Bundesanleihen mit längerer Laufzeit. In den meisten Peripheriestaaten sind wir deutlich untergewichtet. Das kann sogar bedeuten, dass wir in einzelnen Ländern überhaupt keine Positionen haben. Als Beimischung setzen wir dafür auf Anleihen aus Schwellenländern sowie hochwertige Unternehmensanleihen. Auch ausgewählte mit Forderungen unterlegte Anleihen, sogenannte Asset Backed Securities halten wir als Beimischung für interessant.
Wöhrmann: Wir unterscheiden nach Investoren. Privaten empfehlen wir Sachwerte wie Aktien und inflationsgeschützte Anleihen. Große Institutionelle werden aufgrund der Auflagen weiter auch Bundesanleihen und ähnlich ausfallsicherere Papiere halten. Beiden raten wir zu kurzen Laufzeiten. Südeuropa-Bonds aus Griechenland, Irland und Portugal gehören zu kleinen Teilen ebenfalls dazu. Bei griechischen Anleihen haben wir kurze Anleihen mit einer Laufzeit bis zu drei Jahren und Bonds mit langen Laufzeiten, in deren Kurs ein Haircut bereits enthalten ist. Spannend sind Anleihen global aktiver Unternehmen mit Geschäft in Schwellenländern, zunehmend auch Unternehmen aus diesen Ländern.
Vorndran: Wir versuchen in der Euro-Zone Staatstitel zu meiden und weichen auf Unternehmenstitel wie Nestlé oder Coca Cola aus. Solche Unternehmen werden eher solvent bleiben als Staaten. Wichtig ist die Streuung nach Ländern und Währungen. Ein Viertel der Gelder sollte in Anleihen von Ländern stecken, die mit ihrer Bonität und ihrer Rückzahlungswilligkeit über alle Zweifel erhaben sind. Dazu zählen wir Australien, Neuseeland, Chile, Norwegen, die Schweiz, Dänemark und Finnland. Unsere Privatkunden investieren schon jetzt stark in Sachwerte, in Wohnimmobilien, Aktien, und in Gold als Ersatzwährung.
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Die Teilnehmer des Frankfurter Gesprächs (von links): Stefan Homburg, Andrew Bosomworth, Asoka Wöhrmann, Philipp Vorndran.
Die Teilnehmer des Frankfurter Gesprächs:
Andrew Bosomworth (45) leitet das Portfoliomanagement bei der Fondsgesellschaft Pimco. Bevor der Volkswirt im Jahr 2001 zu Pimco kam, war er Portfoliomanager und Volkswirt bei der Europäischen Zentralbank. Davor handelte er Zinsswaps bei bei Merrill Lynch und startete seine Karriere bei der staatlichen neueseeländischen Finanzagentur. Pimco verwaltet weltweit 913 Mrd. Euro, davon 122 Mrd. Euro in Europa.
Professor Stefan Homburg (49) lehrt seit 1997 am Institut für Öffentliche Finanzen an der Leibniz Universität Hannover und betreibt gleichzeitig ein Steuerberatungsbüro. Mit 29 Jahren wurde er an der Universität Bonn Deutschlands jüngster Professor. Später wechselte er zunächst nach Magdeburg. In der Politik war er unter anderem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.
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Philipp Vorndran (48) ist Kapitalmarktstratege beim unabhängigen Kölner Vermögensverwalter Flossbach & von Storch. Bis Ende 2008 arbeitete der Betriebswirt bei der Credit Suisse Gruppe, unter anderem als Chefstratege von Credit Suisse Asset Management. Seine Karriere startet er bei der Bank Julius Bär. Flossbach & von Storch betreut Kundenvermögen im Wert von 3,5 Mrd. Euro.
Asoka Wöhrmann (45) verantwortet als Mitglied der Geschäftsführung das Rentenfondsmanagement der DWS. Dort begann er 1998 als Fondsmanager für Internationale Anleihen und wurde später unter anderem Leiter des Währungsgeschäfts. Der Volkswirt promovierte in Magdeburg, wo er auch vier Jahre lang lehrte. Die DWS betreut weltweit ein Vermögen von 262 Mrd. Euro, davon 173 Mrd. Euro in Europa.