Ich möchte den neuen "Hunderter-Überlauf" zum Anlass nehmen, die Thesen des Eingangsposting Revue passieren zu lassen:
Die Subprime-Krise erwies sich als noch schlimmer als damals erwartet. Zur Threaderöffnung war noch nicht klar, wie stark europäische (und vor allem deutsche) Banken in dem Schrott involviert sind. An den Spätfolgen der Housing-Krise (Zwangsversteigerungen) leidet USA noch immer. In dem Punkt kann auch nicht ernsthaft von einem Ende der Krise gesprochen werden. Mit Gewerbe-Immos (CRE) tut sich sogar gerade die nächste Billionen-schwere Baustelle auf, die vor allem Regionalbanken platt machen dürfte. Letztes Jahr starben über 140, dieses Jahr bereits 28. Die Liste der "Problembanken" des FDIC erreichte kürzlich mit über 700 einen neuen Höchststand.
Treffer. Bear Stearns, Lehman und Washington Mutual waren die "Highlights". Gemessen an der Wichtigkeit viel zu wenig beachtet sind die Hypothekenbanken Fannie und Freddie, die wegen ihre hohen Systemrelevanz nicht pleite gehen dürfen und nun ein staatsgepäppeltes Zombie-Dasein fristen. Die ausstehenden Kredite der beiden FMs belaufen sich auf zusammen 5 Billionen (5000 Milliarden), das ist ein Drittel des US-BIP. Diese Schulden werden immer noch laufend faul. In den letzten Quartalen lagen die FM-Zombies dem US-Steuerzahler mit jeweils zweistelligen Milliardenverlusten auf der Tasche. Die Fed ist unterdessen zu einer Art Bad Bank für die faulen MBS von Fannie und Freddie geworden. Wird spannend, wenn im März QE ausläuft...
Die US-Verbraucher nutzen unterdessen die Notlage für sich aus: Sie konsumieren trotz Reallohn-Abbau und 10 % AL-Quote munter weiter - einfach dadurch, dass sie zunehmend ihre Hypothekenzahlungen einstellen. Grund: Faule Hypo-Schulden werden kaum eingetrieben (# 58974). Wozu auch, die Zeche zahlt ja am Ende eh die Fed. Doch für die potenziell faulen Billionen, die die Fed als "Gläubiger der letzten Instanz" in ihrem Soma-Account bunkert, wird letztlich ebenfalls der US-Steuerzahler aufkommen müssen - mithin dieselben Leute, die sich jetzt um ihre Hausraten-Zahlungen drücken. Eine reine Aufschiebenummer. Bei anderen US-Großbanken "versickern" die Schulden kosmetisch, weil sie ihre faulen MBS standhaft zum Einstandspreis bewerten, obwohl diese teils nur noch 3 % davon wert sind. Das müssen die Banken auch, weil sie sonst sofort pleite wären (negative EK). Die Leute, die ihre Hyposchulden nicht zahlen und stattdessen neue Autos kaufen, missbrauchen somit die Notlage der Banken. Die Banken können auch deshalb nicht zuviel zwangsversteigern, weil sonst zuviel Dreck ans Licht kommt, der sich zurzeit noch in den Bilanzen verstecken lässt (shadow inventory).Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.
3. Überschuldung der USA im Inland (negative Sparquote, Haushaltsdefizit)
und im Ausland (Handelsdefizit)
Die US-Staatsverschuldung ist auf neue Rekordhöhen geschnellt, während Verbraucher eher sparen. Obama will bis 2020 schwindelerregende 9 Billionen an zusätzlichen Schulden aufnehmen. (Woher soll das ganze Geld eigentlich herkommen?) Das US-Haushaltdefizit ist bereits jetzt horrend. Die Neuverschuldung in 2009 hat in USA mit über 10 % des BIP (in GB sogar 13 %) bereits "griechische Dimensionen" erreicht. Nur die Sonderstellung der USA als (noch) führende Wirtschafts- und Mililtärnation führt dazu, dass die Amis die Verschuldungsspielchen ungeahndet (immer noch AAA) fortsetzen können. Die Welt kuscht. Nur die Chinesen beginnen sich langsam querstellen (kaufen immer weniger US-Staatsanleihen...)
4. Möglicher weiterer Wertverlust des Dollars zum Euro (zurzeit bereits über 1,30)
Der Dollar bleibt ein schwieriges Kapitel. Als Bear Stearns pleite ging, stürzte er bis fast 1,60 ab. Die Rohstoff-Blase in 2008 schwächte ihn auch wegen der Dollar-Carrytrades. Doch als Lehman und Wamu im Herbst 2008 pleite gingen, gab es einen ungeahnten Dollar-Höhenflug, weil der Buck immer noch die Weltleitwährung ist und als sicherer Hafen gilt. Die jüngste Erholung in 2010 kommt vordergründig von US-Wirtschaftsstärke (5,9 % Staatspäppel-Wachstum), ist aber de facto eher auf die Euroschwäche nach dem Griechendebakel zurückzuführen. Die Schieflagen in den PIGS verderben die bisherige Euro-Euphorie. Die GB-Malaise (# 58987) hilft auch nicht, die Stimmung für Europa zu heben.
5. Anziehende Inflation wegen Überschuldung und unkontrollierten Geldmengenwachstums
Ebenfalls ein sehr schwieriges Kapitel, auf dessen Für und Wider ich hier detailliert eingegangen bin. Die aktuelle Rohstoff-Echoblase (Öl bei 82 Dollar) und die allg. Assetblase wirken zumindest inflationär - trotz deflationärer Tendenz in der Weltwirtschaft.
6. Weitere Zinserhöhungen der Fed zur Inflationsbekämpfung
Völlige Fehlanzeige. Bernanke machte seinem Hubschrauber-Ruf alle Ehre und senkte die Zinsen auf Null. Zudem versucht er mittels QE, den Dollar zu schwächen. Die Rückabwicklung der Dollar-CT und Europas PIGS wirken seinem (klammheimlichen) Ziel, den Dollar zu schwächen, jedoch entgegen.
7. Rückgang des US-Konsumentenvertrauens und weniger Konsum wegen der
Liquiditätsrückgänge und drückender Housing-Schulden
Treffer. Der Umsatz der US-Einzelhändler brach in der Krise um über 10 % ein, was ein bisheriger Nachkriegsrekord ist. Die US-Industrie ist mit 72 % Auslastung (normal über 80 %) immer noch im Keller. Gegenüber dem Krisentief legten die Einzelhandels-Umsätze in letzter Zeit wieder etwas zu. Das liegt zum einen daran, dass die Amis wieder weniger sparen (Krisenersparnisse schon bereits halbiert), zum anderen daran, dass Aktien durch die kollektiven Pumpaktionen gestiegen sind (Amis fühlen sich wieder "reicher"). Eine Kreditsause wie von 2003 bis 2007 wird es jedoch nicht wieder geben, auch das Haus als "Geldautomat" (HELOC) scheidet aus. Der Konsum scheint zu einem nicht unerheblichen Teil daher zu kommen, dass die Amis ihre Hypotheken-Zahlungen immer weniger bedienen (Punkt 2, unten). Das ist selbstredend nicht nachhaltig, weil es die Not der Banken verschlimmert. Je mehr faule Kredite die Banken haben, desto weniger können sie an neuen verleihen. Dass die Fed temporär viel Geld verleiht, nützt da auch nichts.
8. Rückabwicklung von Yen-Carry-Trades, weil Japan die Zinsen erhöht
-> Ende der "globalen Hyperliquidität"
Treffer, der Yen brach 2008 geradezu biblisch ein. Der Grund waren allerdings nicht Zinserhöhungen in Japan, sondern wachsende Risikoaversion, die bei gehebelten Trades für starke Bewegungen sorgt. EUR/JPY stürzte 2008 von 172 auf 115 ab. Zum Dollar steht der Yen aktuell bei 90 - und damit nahe seinem Allzeithoch in 1995 (das bei 85 lag).
2008 ersetzte der Nullzins-Dollar den Yen in Rohstoff-Carrytrades. 2010 könnten auch ein Euro-CT hinzukommen. Wenn die Zinsen überall auf Null sind, kann man CTs allerdings vergessen. Der Austral-Dollar bleibt mit 4 % Zinsen allerdings eine Hochzinswährung, weil er von der Rohstoffblase 2.0 profitiert. Die dürfte aber demnächst als Echoblase platzen - z. B. wenn das Weltwachstum schwächer ausfällt als erwartet (woran ich nicht zweifle) und/oder weil sich die Staatspleiten häufen und neue Risikoaversion die "Reflations-Trades" ausbremst.
9. Probleme im Irak, wachsende Kriegsgefahr in Iran/Nahost, Ölpreis-Anstieg
Probleme drohen zurzeit vorwiegend im Iran wegen seiner Atomaufrüstung. Öl war seit Threadbeginn eine Berg- und Talfahrt. Erst gab es einen horrenden Anstieg auf 147 Dollar (= Treffer), dann den Absturz auf 35, nun wieder die Echoblase auf aktuell 82. Langfristig sehe ich eher Öl-Kurse um 40 bis 50 Dollar. Bei einem Irak-Angriff, der von Israel (als Stellvertreter USAs) ausgehen könnten (im Mai 2010), würde Öl kurzfristig hochschießen, sich dort aber nicht halten.
10. Terrorgefahr
Al Kaida lebt, wir sahen es kürzlich am missglückten Jumbo-Attentat. Wenn es die Amis in Afghanistan und Pakistan zu arg treiben, könnte ich mir auch wieder neue Vergeltungs-Attacken auf US-Territorium vorstellen.
11. Überbewertung der US-Aktien (das DOW-JONES KGV für 2006 liegt bei 24,25,
das des SP-500 bei 19)
Am März-2009-Tief war das KGV der US-Aktien auf etwa 11 gesunken. Das ist noch deutlich über typischen Bärenmarkt-Tiefs, in denen KGVs bis auf 7 sinken können. Die Wende im März war mMn eine wohlkalkulierte Zockeraktion zwischen der Fed und den Großbanken. Letztere erhielten massig Geld, angeblich um neue Kredite vergeben zu können, kauften damit aber zur Überraschung Aller massiv US-Aktien und (Junk-)Bonds hoch. Aktuell liegt das 2010-KGV bei schätzungsweise 17, was nicht stark überbewertet wäre, WENN DENN die Gewinnprognosen der Analysten (70 bis 75 Dollar im SP-500) sich erfüllen. Stöffen zeigte heute einen Chart (# 58975), der eher auf ein neues Doppel-Dip hindeutet. Fallen die Gewinne wieder auf 55 Dollar (wie Anfang 2008) und sinkt das zugebilligte KGV wegen Risikoaversion auf 8, wären sogar SP-500-Kurse um 440 denkbar. Das ist freilich ein Extrem, und dazu bedürfte es mindestens einiger Staatspleiten oder Bundesstaatspleiten und/oder einer mittleren Doppel-Dip-Rezession.
12. Aktien-Hausse der letzten vier Jahre verlief ohne nennenswerte Korrekturen
(untypisch)
Das ist nach dem 56-%-Einbruch im Herbst 2008, dem stärksten in der Geschichte des DOW, hinfällig geworden.
Zum Schluss schrieb ich, dass "der Fokus auf USA liegt (der DAX spielt nur am Rande eine Rolle, da die wirtschaftliche Lage hier zu Lande besser ist)." Letzteres schien damals der Fall. Doch niemand ahnte im Feb. 2007, wie tief Deutschland ebenfalls im US-Subprimesumpf involviert ist. Außerdem kamen eigene Liquiditäts-Probleme in Ost- und Südeuropa hinzu, die auch hier zu Lande die Kredite austrockneten. Inzwischen hat China den Deutschen den Titel des Exportweltmeisters abgetrotzt. Die Niedriglohn-Politik Chinas (gekoppelt mit Yuan-Dollar-Peg) ist für Hochlohnländer wie D. ruinös und dürfte bei uns (und in Japan) die Deflation fördern. Durch die massiven Export-Rückgänge in D. sank zudem das Steueraufkommen. Dies führt zu Gebühren- und Steuererhöhungen sowie zu deflationären Sparmaßnahmen (wenn das Geld ausgeht, müssen die Deutschen genauso sparen wie die Griechen...)