Die Ankündigung kam unerwartet: Eine Tochtergesellschaft des schwedischen Batterieherstellers Northvolt, die für den Ausbau der Produktionskapazitäten im Heimatland gegründet wurde, hat Insolvenz angemeldet. Damit erreicht die Krise beim einstigen Vorzeigekonzern eine neue Dimension. Während Northvolt für viele in der europäischen Industrie als Hoffnungsträger für eine unabhängige Batteriezellenproduktion gilt, steht das Unternehmen zunehmend unter Druck.
Die betroffene Tochtergesellschaft „Northvolt Ett Expansion AB“ war eigens für die Erweiterung des Stammwerks in Skellefteå gegründet worden. Doch dieser Ausbau wurde vor zwei Wochen gestoppt. Zeitgleich kündigte Northvolt den Abbau von 1.600 Stellen in Schweden an, was knapp einem Viertel der dortigen Belegschaft entspricht. Die Insolvenz betrifft zwar nur eine von über 20 Tochterfirmen, doch sie verdeutlicht die ernste Lage des Unternehmens.
Die aktuellen Entwicklungen bei Northvolt spiegeln nicht nur interne Schwierigkeiten wider, sondern auch die angespannten Bedingungen auf dem Markt für Elektrofahrzeuge und deren Komponenten. Während die politische und wirtschaftliche Elite Europas weiterhin auf eine beschleunigte Elektrifizierung setzt, zeigen sich auf den Märkten deutliche Bremsspuren. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Europa bleibt unter den Erwartungen, während Konkurrenten aus China zunehmend Marktanteile im Bereich der Batteriezellenproduktion gewinnen.
In Europa ist Northvolt derzeit eines der wenigen Unternehmen, das überhaupt Batteriezellen in größerem Maßstab herstellt. Doch trotz Aufträgen im Wert von über 50 Milliarden Dollar bleibt das Unternehmen tief in den roten Zahlen. Finanzielle Unterstützung von Investoren wie Volkswagen, Goldman Sachs und Blackrock in Höhe von insgesamt mehr als 15 Milliarden Dollar konnte bisher nicht verhindern, dass Northvolt in die Verlustzone abrutschte.
Ein deutlicher Rückschlag war der Verlust eines Großauftrags von BMW, der dem Unternehmen im Juni 2024 entzogen wurde. BMW, das ursprünglich Batteriezellen im Wert von zwei Milliarden Euro bei Northvolt bestellt hatte, zog sich zurück, nachdem es zu wiederholten Verzögerungen bei der Produktion gekommen war. Die Zellen entsprachen laut BMW weder in Qualität noch im Zeitrahmen den Erwartungen. Diese Absage ist nicht nur finanziell ein herber Schlag, sondern auch ein Signal für weitere Automobilhersteller, die auf zuverlässige Zulieferer angewiesen sind.
Peter Carlsson, CEO von Northvolt und ehemaliger Tesla-Manager, hat in den letzten Monaten mehrfach betont, dass das Unternehmen vor einem „Gegenwind“ stehe, sowohl in Bezug auf den Automobilmarkt als auch das globale Industrieumfeld. Der internationale Konkurrenzdruck, insbesondere aus China, zwinge europäische Hersteller wie Northvolt, effizienter und schneller zu produzieren.
In Deutschland plant Northvolt den Bau einer Batteriefabrik im schleswig-holsteinischen Heide, die als eines der größten Industrieprojekte im Land gilt. Der Standort, der strategisch günstig in der Nähe von Windkraftanlagen liegt und somit eine nachhaltige Energieversorgung verspricht, soll ab 2026 Batteriezellen produzieren. Das 4,5 Milliarden Euro teure Werk soll 3.000 Arbeitsplätze schaffen und jährlich bis zu eine Million Batteriezellen für Elektrofahrzeuge herstellen.
Doch trotz der optimistischen Äußerungen der Unternehmensführung mehren sich die Zweifel an der Realisierbarkeit des Zeitplans. Lokale Politiker und Bürger in der Region sind zunehmend verunsichert. Die Geschäftsführung von Northvolt versichert, dass der Standort Heide von den jüngsten Entwicklungen in Schweden nicht betroffen sei, doch der schwedische Analyst Anders Hägerstrand zeichnet ein düsteres Bild. Er hält einen Produktionsbeginn in Heide innerhalb der nächsten zwei Jahre für „fast unmöglich“, da Northvolt seine Ressourcen nun vor allem in die Stabilisierung der Produktion im Stammwerk Skellefteå investieren müsse.
Angesichts der Krise hat Northvolt angekündigt, seine internationalen Expansionspläne zurückzufahren und sich wieder stärker auf das Kerngeschäft, die Produktion von Batteriezellen, zu konzentrieren. Der Abbau von 20 Prozent der weltweiten Belegschaft ist Teil dieser Strategie. Laut Professor Holger Görg vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) könnte diese Fokussierung der richtige Schritt sein, um Northvolt zu stabilisieren. „Das Unternehmen hat in der Vergangenheit verschiedene Geschäftsfelder ausprobiert und muss nun zurück zu seiner Kernkompetenz“, erklärte Görg. Dies sei eine „normale Konsolidierungsmaßnahme“ angesichts der aktuellen Herausforderungen auf dem Markt.
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Trotz der Schwierigkeiten bleibt Northvolt von entscheidender Bedeutung für die europäische Automobilindustrie. Sollte Northvolt scheitern, droht Europa, noch stärker von chinesischen Herstellern abhängig zu werden. In den letzten Jahren hat die EU Milliarden in den Aufbau einer eigenen Batteriezellproduktion investiert, um die Abhängigkeit von Asien zu verringern. Northvolt war dabei stets als eines der zentralen Unternehmen betrachtet worden, das diesen Übergang ermöglichen sollte.
Nicht nur Investoren wie Volkswagen, das etwa 20 Prozent der Anteile an Northvolt hält, sondern auch politische Akteure beobachten die Entwicklungen mit Sorge. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bestätigte, dass die Bundesregierung im ständigen Kontakt mit Northvolt stehe, um Lösungen für die Probleme des Unternehmens zu finden. „Das Unternehmen muss nun die Produktion hochfahren, um mehr Einnahmen zu generieren“, erklärte Habeck.
Die Insolvenz der Tochtergesellschaft und der Stellenabbau bei Northvolt werfen lange Schatten auf die Zukunft des Unternehmens. Die europäische Batteriezellenproduktion steht an einem Scheideweg: Gelingt es Northvolt, sich zu stabilisieren und seine ambitionierten Projekte in Schweden und Deutschland umzusetzen, könnte das Unternehmen weiterhin eine Schlüsselrolle in der globalen E-Mobilitätsstrategie spielen. Scheitert Northvolt, droht Europa, in diesem strategisch wichtigen Bereich dauerhaft den Anschluss an China zu verlieren.
Quellen: ndr.de, manager-magazin.de
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