Airbus steigert Eurofighter-Produktion – Bundeswehr-Auftrag stärkt Europas Rüstungsindustrie
Die europäische Rüstungsindustrie erlebt eine neue Dynamik: Airbus Defence and Space steht kurz vor dem Zuschlag für 20 neue Eurofighter-Kampfjets im Wert von rund 3,75 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat der Beschaffung bereits zugestimmt. Mit dieser Entscheidung beginnt nicht nur eine Phase verstärkter Rüstungsproduktion in Deutschland, sondern auch ein strategisch wichtiger Impuls für das europäische Kampfflugzeugprojekt Eurofighter Typhoon.
Wie Michael Schöllhorn, Chef der Rüstungssparte bei Airbus, im Gespräch mit dem Handelsblatt mitteilte, wird die Produktionsrate der Eurofighter von bislang zehn auf zwanzig Maschinen pro Jahr verdoppelt. Dieser Schritt erfolgt in Erwartung weiterer Aufträge sowohl im In- als auch im Ausland. Schöllhorn verweist dabei auf die Bedeutung konstanter Stückzahlen für die Stabilität der Lieferketten, die in den vergangenen Jahren bei einer sinkenden Produktionsrate massiv unter Druck geraten wären.
Eurofighter: Industrieprojekt mit europäischer Arbeitsteilung
Am Eurofighter-Projekt sind mehrere europäische Unternehmen beteiligt. Airbus hält mit seinen Tochtergesellschaften in Deutschland und Spanien einen Anteil von 46 Prozent, gefolgt von BAE Systems (BAE Systems Aktie) (Großbritannien) mit 33 Prozent und Leonardo (Italien) mit 21 Prozent. Alle drei Länder unterhalten eigene Endmontagelinien. In Deutschland ist der Standort Manching bei Ingolstadt das Herzstück der Produktion, an dem rund 6.000 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Neben den eigentlichen Flugzeugen umfasst der Bundeswehr-Auftrag auch umfangreiche Infrastrukturkomponenten: Simulatoren, Ersatzteile und Unterstützungsleistungen werden integriert. Ziel ist es, nicht nur bestehende Fähigkeiten zu modernisieren, sondern auch gezielt Lücken zu schließen, die etwa durch die Ausmusterung alter Tornado-Maschinen entstehen.
Technologische Modernisierung und neue militärische Rolle
Die neuen Eurofighter werden mit fortschrittlicher Avionik, neuen AESA-Radaren (Active Electronically Scanned Array) und erweiterten Kapazitäten für elektronische Kampfführung ausgestattet. Damit erhalten sie Fähigkeiten wie insbesondere die sogenannte „SEAD“-Funktion (Suppression of Enemy Air Defenses), also die gezielte Bekämpfung gegnerischer Radarstellungen, welche bislang den Tornado-Jets vorbehalten waren.
Die Luftwaffe prüft derzeit zudem die Integration des Marschflugkörpers „Taurus“ in den Eurofighter. Der bunkerbrechende Lenkflugkörper mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern kann bislang nur vom Tornado aus gestartet werden. Sollte der Umbau gelingen, stünde der Eurofighter auch für strategische Abschreckungsmissionen zur Verfügung.
Internationale Perspektiven: Türkei und Saudi-Arabien als neue Kunden
Auch außerhalb Europas könnte der Eurofighter eine Renaissance erleben. Insbesondere Saudi-Arabien hat erneut Interesse bekundet, seine Flotte mit bis zu 48 neuen Maschinen aufzustocken. Nach anfänglichem politischem Widerstand hat die Bundesregierung der Lieferung inzwischen zugestimmt. Die Auslieferung soll über den britischen Partner BAE Systems erfolgen.
Darüber hinaus steht ein möglicher Verkauf von bis zu 40 Eurofightern an die Türkei im Raum. Dieser Schritt wäre von geopolitischer Tragweite, da Ankara traditionell auf US-amerikanische Systeme setzte. Mit dem potenziellen Einstieg in das Eurofighter-System würde sich die Türkei zumindest teilweise aus der Abhängigkeit von US-Rüstungsgütern lösen.
Strategische Bedeutung für das FCAS-Projekt
Die gestärkte Position des Eurofighters hat auch Auswirkungen auf das europäische Großprojekt FCAS (Future Combat Air System), das Airbus gemeinsam mit Dassault Aviation (Frankreich) entwickelt. Das Programm ist aktuell ins Stocken geraten, da Uneinigkeit über die Arbeitsteilung zwischen den Industriepartnern herrscht. Während Dassault auf eine Führungsrolle pocht, fordert Airbus mehr Einfluss.
Mit der nun gesicherten Produktionsauslastung und einer verbesserten Technologieplattform durch den Eurofighter könnte Airbus seine Verhandlungsposition stärken. Geplant ist unter anderem der Einsatz von Begleitdrohnen, die im Rahmen von FCAS eine zentrale Rolle spielen sollen. Erste Tests in Verbindung mit dem Eurofighter laufen bereits.
Sollte das FCAS-Projekt scheitern, stehen Airbus alternative Kooperationsmöglichkeiten offen. So gibt es Überlegungen, sich dem britisch-italienisch-japanischen GCAP (Global Combat Air Programme) anzuschließen, an dem bereits BAE Systems und Leonardo beteiligt sind. Eine weitere Option wäre eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem schwedischen Saab-Konzern, etwa im Rahmen eines Nachfolgeprojekts für das Kampfflugzeug Gripen.
Bundeswehr bestellt auch Radpanzer im Milliardenvolumen
Parallel zur Aufrüstung der Luftwaffe setzt die Bundesregierung auch bei der Heeresmodernisierung ein deutliches Signal. Insgesamt fast 7 Milliarden Euro sollen in neue Radpanzer investiert werden. Zwei Großprojekte stehen im Fokus:
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Spähfahrzeuge auf Piranha-Basis: General Dynamics (General Dynamics Aktie) soll im Rahmen eines Rahmenvertrags bis zu 356 neue Fahrzeuge liefern. 274 Einheiten sind bereits konkret bestellt, das Volumen liegt bei 3,5 Milliarden Euro. Die Auslieferung ist ab 2028 vorgesehen.
Rad-Schützenpanzer „Schakal“: Die Artec GmbH – ein Joint Venture von Rheinmetall (Rheinmetall Aktie) und KNDS (vormals KMW) – erhält den Zuschlag für 150 Fahrzeuge im Wert von 3,4 Milliarden Euro. Auch hier besteht eine Option auf bis zu 200 weitere Panzer. Die Fahrzeuge sollen zwischen 2027 und 2031 ausgeliefert werden.
Zusätzlich sollen 72 „Schakal“-Panzer an die Niederlande gehen, die diese jedoch selbst finanzieren. Der „Schakal“ basiert auf dem Fahrgestell des Transportpanzers Boxer und verwendet den Turm des Schützenpanzers Puma (Puma Aktie).
Profitieren dürfte auch der Elektronikspezialist Hensoldt, der mit Sensorik- und Radarsystemen als Unterauftragnehmer beteiligt ist. Damit festigt das Unternehmen seine Rolle als zentraler Zulieferer innerhalb der deutschen Rüstungsindustrie.
Konkurrenz aus den USA: Boeing (Boeing Aktie) mit Aufwärtstrend bei Auslieferungen
Während Airbus mit dem Eurofighter in Europa Boden gutmacht, verzeichnet der US-Flugzeughersteller Boeing eine Erholung im Zivilsegment. Im September 2025 lieferte Boeing 55 Flugzeuge aus, was der höchste Monatswert seit 2018 ist. Davon entfielen 40 Einheiten auf die 737 MAX-Serie, die nach schweren Rückschlägen wieder an Marktanteil gewinnt.
Unter den Kunden: Ryanair (10 Flugzeuge), Southwest Airlines, United Airlines, China Southern sowie der Leasingriese AerCap. Insgesamt kommt Boeing in den ersten neun Monaten des Jahres auf 440 Auslieferungen, verglichen mit 507 bei Airbus im gleichen Zeitraum.
Für die 737 MAX soll die Produktionsrate bis Jahresende von derzeit 38 auf 42 Maschinen pro Monat steigen – vorbehaltlich der Zustimmung der US-Luftfahrtaufsicht FAA. Hintergrund ist ein sicherheitsrelevanter Vorfall im Januar 2024, der zur zwischenzeitlichen Reduktion der Produktionsmenge geführt hatte.
Auch im Bereich Großraumflugzeuge zeigt Boeing Stärke: Im September wurden 64 Bestellungen für den 787 Dreamliner verbucht. Allein 50 davon sind für für Turkish Airlines bestimmt. Hinzu kommen 30 neue 737-Bestellungen von Norwegian Airlines.
Fazit: Rüstungsindustrie mit strategischen Weichenstellungen auf Expansionskurs
Die jüngsten Entwicklungen rund um Airbus, den Eurofighter und die geplanten Investitionen in die Bodenstreitkräfte zeigen eine klare strategische Ausrichtung der Bundesregierung: Verteidigungsausgaben werden als industriepolitisches und sicherheitspolitisches Instrument genutzt. Mit der Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben entsteht ein finanzieller Handlungsspielraum, der der deutschen Rüstungsindustrie neue Möglichkeiten eröffnet und auch auf europäischer Ebene neue Kräfteverhältnisse schafft.
Gleichzeitig signalisiert das internationale Interesse am Eurofighter, dass europäische Waffensysteme wieder an Attraktivität gewinnen. Die kommenden Jahre könnten damit entscheidend sein. Zum einen für Airbus und zum anderen für das FCAS-Projekt und für die strategische Autonomie Europas im Bereich Verteidigungstechnologie.