Seit dem Krieg in der Ukraine haben Gold und Silber für Russland eine neue, strategische Rolle eingenommen. Es geht nicht mehr allein um Schmuck oder klassische Anlageprodukte - vielmehr dienen Edelmetalle inzwischen als fundamentaler Bestandteil staatlicher Bilanzen, um Sanktionen abzufedern und die Wirtschaft gegen Finanzblockaden zu immunisieren.
Nach dem Ausschluss von internationalen Kapitalmärkten 2022 blieb Russland kaum eine andere Wahl, als sich stärker auf reale Werte zu stützen. Während die Zentralbank ihre Goldkäufe zwischenzeitlich reduzierte, stieg die Bedeutung von Gold und Silber in den Finanzreserven insgesamt. Gleichzeitig griffen auch private Haushalte verstärkt zu: Allein 2024 kauften russische Bürger 75,6 Tonnen Gold in Form von Münzen und Barren - ein Viertel der gesamten Jahresproduktion. Damit fließt ein erheblicher Teil der heimischen Förderung direkt in die Vermögenssicherung der Bevölkerung.
Doch nicht nur Russland, auch die BRICS-Staaten insgesamt betrachten Edelmetalle zunehmend als strategisches Gegengewicht zum US-Dollar. Die Idee, Handelsströme und Reservepolitik unabhängiger von der westlichen Leitwährung zu machen, prägt die Diskussion seit Jahren. Analyst Tim Treadgold betonte, dass "die Akkumulation von Gold und Silber innerhalb der BRICS-Staaten ein Baustein auf dem Weg zu einem alternativen Finanzsystem" sei.
Russland hat entschieden, Silber erstmals in seine staatlichen Reserven aufzunehmen und damit ein deutliches Signal gesetzt. Neben Gold könnten künftig auch Silber und Platin als Währungsreserven dienen, sowohl als Geldersatz wie auch als unverzichtbare Industriemetalle für Zukunftstechnologien.
Die Exportzahlen machen deutlich, wie stark die Bedeutung Russlands im Edelmetallhandel gewachsen ist. Nach Angaben von Bloomberg stiegen die Ausfuhren nach China im ersten Halbjahr 2025 um 80 Prozent auf rund eine Milliarde US-Dollar. Treiber dieser Entwicklung waren nicht nur die deutlich gestiegenen Preise, allein Gold verteuerte sich innerhalb eines Jahres um 43 Prozent, sondern auch wachsende Liefermengen. Russland exportierte neben Gold zunehmend auch Silber, Platin und Palladium.
China spielt in diesem Geflecht eine Schlüsselrolle. Das Land ist nicht nur der größte Goldproduzent der Welt, sondern zugleich einer der aktivsten staatlichen Käufer. Damit tritt Peking in doppelter Funktion auf: als wichtigster Abnehmer russischer Edelmetalle und als zentraler Akteur in der BRICS-Strategie, Edelmetalle als gemeinsame Reservebasis zu verankern.
Ein Blick nach Teheran zeigt, dass der Fokus auf Edelmetalle längst kein rein russisches Phänomen ist. Auch der Iran hat seine Handels- und Finanzstrukturen in den vergangenen Jahren zunehmend auf Gold ausgerichtet. Allein 2024 führte das Land über 100 Tonnen im Wert von mehr als acht Milliarden US-Dollar ein. Damit entfielen rund elf Prozent aller Importe auf Gold, ein ungewöhnlich hoher Anteil, der deutlich macht, welche Rolle das Metall in den iranischen Staatsfinanzen inzwischen spielt.
Hinter diesen Zahlen steht eine klare Strategie. Gold wird nicht nur als Absicherung gegen die anhaltende Währungsschwäche genutzt, sondern auch gezielt in die staatlichen Bilanzen eingebaut. Der frühere Bankchef Hossein Mehri sprach davon, dass Gold die Wirtschaft "gegen Sanktionen impft". Besonders deutlich wurde diese Funktion im Rahmen eines Rüstungsgeschäfts mit Russland: Für iranische Drohnen wurde ein Teil der Zahlung nicht in Dollar oder Euro, sondern in Goldbarren abgewickelt. Damit zeigt sich, dass Edelmetalle im internationalen Handel wieder als Zahlungsmittel eingesetzt werden und genau dort Bedeutung gewinnen, wo der Zugang zu klassischen Finanzstrukturen blockiert ist.
Im ersten Quartal 2025 ist der Anteil des US-Dollars an den globalen Währungsreserven auf unter 50 % gefallen - ein historischer Tiefstand, wie man ihn seit über einem halben Jahrhundert nicht mehr gesehen hat. Während das Vertrauen in den Dollar schwindet, gewinnen alternative Positionen an Bedeutung, allen voran Gold. Diese Entwicklung signalisiert nicht nur eine zunehmende Skepsis gegenüber der US-Finanzpolitik und der wachsenden Staatsverschuldung, sondern auch den Wunsch vieler Länder, sich vom dominanten, sanktionsanfälligen Dollar-System zu lösen. In einem geopolitischen Umfeld voller Spannungen und wachsender Unsicherheit setzen Staaten verstärkt auf reale, bewährte Werte und Gold steht dabei wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Ob dieser Trend langfristig die Vormachtstellung des US-Dollars im Welthandel schwächen wird, ist offen. Doch unübersehbar ist: Vor allem innerhalb der BRICS-Staaten rücken Edelmetalle immer stärker in den Mittelpunkt der Finanzarchitektur. Russland, China und Iran binden Gold und zunehmend auch Silber enger in ihre Staatsfinanzen ein und stellen damit das westlich dominierte Währungssystem infrage. Die entscheidende Frage lautet daher: Erleben wir hier den Beginn einer neuen BRICS-geführten Ordnung, in der Gold und möglicherweise bald auch Silber ihre alte Rolle als einziges, allgemein akzeptiertes Geld wieder annehmen oder handelt es sich nur um eine Übergangsstrategie, solange geopolitische Spannungen andauern?
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