Wie tief der Dollar noch fällt
Wie tief soll der Dollar denn noch fallen? Mindestens 20 Prozent gegenüber dem Euro, meinen zwei namhafte US-Ökonomen.
Amerikaner, die eine Reise nach Europa planen, wären gut beraten, wenn sie gleich jetzt zur Bank rennen und einen Koffer voller Euro tauschen. Denn der Dollar wird noch viel weiter fallen. Davon zumindest sind die Ökonomen Bill Dudley und Jim O’Neill von Goldman Sachs felsenfest überzeugt. Der lange übermächtige Dollar dürfte nach Schätzungen der beiden Wirtschaftsforscher von derzeit 1,20 Dollar je Euro über die nächsten paar Jahre um weitere 20 Prozent fallen.
Für ein Zimmer im Nobelhotel Ritz in Paris bezahlt der Gast derzeit 565 Euro – oder 678 Dollar – pro Nacht. In absehbarer Zeit würden die Kosten einer Übernachtung also auf 814 Dollar klettern – und das vor Steuern und Trinkgeldern für Louis, den Portier, und das Zimmermädchen Monique. Vielleicht doch lieber ein Campingplatz?
Der Dollar hat seit Anfang 2002 gegenüber anderen großen Währungen bereits 10 Prozent seines Wertes eingebüßt – nach einer Aufwertung um 35 Prozent in den Jahren 1995 bis 2002. Aber die US-Handelsbilanz „schreit nach einem sehr schwachen Dollar, wenn die Rechnung aufgehen soll, denn das Ungleichgewicht zwischen Importen und Exporten ist inzwischen enorm“, erklären die beiden Goldman-Ökonomen.
Der Dollar muss noch viel weiter fallen, damit die Lücke in der US-Handelsbilanz wenigstens kleiner wird. Andernfalls stehe zu befürchten, so die beiden Ökonomen, dass die Zinsbelastung aus internationalen und nationalen Schuldtiteln, die zur Finanzierung des enormen Defizits emittiert wurden, ein „explosives Ausmaß“ erreichten. Das Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) drohe bis 2010 auf 70 Prozent anzusteigen; allein die Nettoauslandsverschuldung würde sich auf 60 Prozent des BIPs ausweiten. Diese Zahlen zeigen nach Ansicht der beiden Ökonomen, wie wichtig es sei, dem Dollar zu einer „weichen Landung“ zu verhelfen.
Beim derzeitigen Niveau müssten die Exporte um 50 Prozent schneller wachsen als die Importe. Dann wäre zumindest eine Stabilisierung des Handelsbilanzdefizits sichergestellt. Eine nachhaltige Verbesserung der Handelsbilanz ist nach Ansicht von Dudley und O'Neill nur zu erreichen, wenn der Dollar um weitere 20 Prozent fällt. Eine geordnete Abwertung des Dollar sei denn auch längst die offizielle geldpolitische Linie der US-Verantwortlichen, wenngleich Präsident George Bush und Finanzminister John Snow scheinbar unisono an der Rhetorik des starken Dollar festhalten. „Auf etwas bizarre Weise machen sie es recht schlau“, sagt O’Neill, „sie haben es geschafft, die Märkte von der Stärke des Dollar zu überzeugen, ohne irgendetwas zu tun, um ihn zu stärken.“ Hätten Bush und Snow Farbe bekannt und sich öffentlich für die Abwertung des Dollar eingesetzt, wäre auf den Märkten unter Umständen eine Panik ausgebrochen, meint O’Neill.
Professor Richard Clarida von der Columbia University, ein ehemaliger Staatssekretär im US-Finanzministerium, meint allerdings, dass Snow sehr wohl genau das sage, was er meine. Aber Snow definiere einen starken Dollar wohl anders als die Märkte. „Die Eckpfeiler seiner Definition eines starken Dollar sind die stabile Kaufkraft der Währung und das Vertrauen, das der Dollar im Ausland genießt. Das Wechselkursverhältnis bleibt in dieser Definition völlig ausgeklammert”, erklärt Clarida.
Eine von der Abwertung des Dollar gegenüber dem Euro ausgelöste Panik sei nach Meinung der beiden Wirtschaftsforscher jedenfalls auf kurze Sicht nicht zu erwarten, und das sei auch gut so. Denn wenn die ausländischen Investoren angesichts des Wertverlustes ihrer in Dollar denominierten Investitionen nervös würden, könnte dies zu einem breiten Ausverkauf von Aktien und Anleihen führen. Ein solcher aber hätte ernst zu nehmende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft – etwa in Form steigender Inflationsraten und Zinssätze.
Tatsächlich äussern sich zahlreiche Ökonomen überrascht, dass dies nicht längst passiert ist. Dieses Phänomen ist gegen die menschliche Natur, sagt David Kotok, leitender Anlagestratege bei Cumberland Advisors. Unter normalen Umständen würde diese Entwicklung die Investoren Hals über Kopf flüchten lassen. Aber die ausländischen Investoren werden nach Ansicht von Kotok derzeit von vielerlei Sorgen geplagt. Die US-Zentralbank versucht die Konjunktur anzukurbeln, indem sie großzügig Geld druckt. Halbstaatlichen Unternehmen wie Freddie Mac, Fannie Mae und die Tennessee Valley Authority, deren Anleihen in den Portfolios vieler Ausländer vertreten sind, haben Probleme mit ihrer Glaubwürdigkeit.
Und selbst dem Staat, Schuldner der in den USA beliebten Treasury Bonds, droht eine Herabstufung seiner Bonität. Moody’s verlangte in der vergangenen Woche eine verschärfte Defizitkontrolle, wenn verhindert werden soll, dass „die Verschuldung auf ein Niveau ansteigt, das mit der Höchstnote ‘AAA’ nicht mehr vereinbar wäre“.
„Die Standardantwort ist, dass die Investoren nicht wissen, wohin sie ausweichen könnten“, sagt Kotok. Deutschland und Frankreich, die traditionellen europäischen Zugpferde, kämpfen mit einer matten Konjunktur und enormen Budgetdefiziten. Und die Erholung in Japan erscheint nach den vielen verfehlten Hoffnungen im letzten Jahrzehnt ebenfalls zweifelhaft.
Im Ausland blicken die Investoren nach Amerika und hoffen, dass die aktuelle Politik letztlich zu besseren Renditen führt. „Sicher ist ihnen die Dollar-Abwertung ein Dorn im Auge, aber sie denken längerfristig“, sagt Professor Clarida von der Columbia University. Der Wirtschaftsforscher Gary Robbins von Fiscal Associates stimmt dem zu: „Die Leute erkennen, dass wir am Anfang einer starken Aufschwungphase stehen.“
Ein weiterer Faktor ist laut O’Neill das etablierte Image der USA als Land der unbegrenzten Möglichkeiten und üppigen Renditen – und dieses Image ist noch immer unversehrt. „Frau Schmidt aus München investiert in den amerikanischen Traum. Sie sieht sich nicht als Geldgeber der US-Regierung, damit diese mehr ausgeben kann“, sagt O’Neill.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist Eigeninteresse. Ausländische Investoren haben so viel in US-Vermögenswerte investiert, dass ein massiver Abverkauf einem Schuss nach hingen gleichkäme. „Sie wollen, dass der Dollar steigt, nicht fällt“, sagt Rob Atkinson, Vizepräsident des Progressive Policy Institute in Washington. Nach seiner Ansicht wäre ein gesundes Maß an „kontrollierter Panik“ durchaus begrüßenswert, weil das die Regierung hindern würde, immer mehr Schulden im Ausland zu machen und das Defizit immer weiter in die Höhe zu treiben.
Kotok befürchtet allerdings, dass sich die ausländischen Investoren auf längere Sicht doch noch vom amerikanischen Markt zurückziehen könnten. Die Gefahr droht seiner Meinung nach von einer ganz anderen Seite, nämlich dem Sarbanes-Oxley-Gesetz: Dieses verschärft die US-Bilanzierungsregeln und soll helfen, Bilanzskandale zu verhindern.
Das Gesetz könnte für den US-Aktienmarkt aber zwei unerwünschte Nebeneffekte haben. Erstens werden US-Unternehmen unter Umständen ins Ausland ausweichen, um die mit der Erfüllung der Auflagen verbundenen Kosten zu vermeiden. Zweitens könnten viel versprechende Unternehmen, die noch nicht an einer Börse notieren, den Gang an die Börse aus Kostengründen abblasen. Frau Schmidt müsste dann anderswo nach einem neuen Bill Gates Ausschau halten.
Jim McTague
03.12.2003
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auf sicht von 12 monaten halte ich einen €-kurs von 1,50$ für absolut realistisch. es könnte noch stärker kommen. anleger, die ihr geld in den usa parken/investieren sollten dies unbedingt berücksichtigen. sie haben schon stark federn gelassen und es wird noch schlimmer werden. wir sind nicht wieder in der zeit vor 2000. diese zeit kommt sobald nicht mehr wieder. sollte es zu einer panikartigen flucht von anlegern aus den usa kommen, wird sich europa unter stöhnen, weinen und ächsen von den us-amerikanischen finanzmärken emanzipieren.
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