HANDELSBLATT, Montag, 30. Oktober 2006, 07:09 Uhr
Profil
Ein Raider geht in Rente
Von Gregory Lipinski
Roland Flach tritt ab: Der Vorstandschef der angeschlagenen Beteiligungsgesellschaft WCM hat auf Druck des Hauptgläubigers HSH Nordbank seinen Hut nehmen müssen. Der Aufstieg und Fall eines bemerkenswerten Managers.
HAMBURG. Ob MG Technologies, ThyssenKrupp oder die Metro – wenn an der Frankfurter Börse vor einigen Jahren Übernahmespekulationen die Runde machten, standen bei einem Mann die Telefone nicht still: Roland Flach, Vorstandschef der Frankfurter Beteiligungsholding WCM.
Denn immer wieder überrascht der so gedrungen wirkende Manager mit dem leichten Doppelkinn Analysten und Banker mit spektakulären Ankündigungen: Mal erschüttert er Deutschlands Finanzgemeinde mit einem Einstieg bei der Frankfurter Commerzbank, mal verblüfft er mit einer Beteiligung an den Duisburger Klöckner-Werken oder der Bonner Immobilienholding IVG. Der Kurs der WCM kennt nur eine Richtung: steil aufwärts. Mehr als sechs Milliarden Euro ist das Unternehmen zeitweise wert. Das war 2002.
Anders ist das Bild am Donnerstag vergangener Woche: Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, tritt der gefürchtete Raider ab. Der 62-jährige Manager hat sein Amt als Vorstandsvorsitzender niedergelegt, teilt WCM in einer dürren, fünfzeiligen Ad-hoc-Meldung mit. Der Aktienkurs gibt leicht auf 13 Cent nach, die Börsenkapitalisierung erreicht mit 40 Millionen Euro einen für die Gesellschaft historischen Tiefpunkt.
Sein Rückzug kommt nicht überraschend: Denn die WCM steht am Rande des Abgrunds. Der Grund: Die Hamburger HSH Nordbank – Hauptgläubigerin der Firma – hatte der Frankfurter Gesellschaft über Nacht alle Kredite gekündigt und dem Vorstand eine kurze Frist gesetzt, um die Darlehen zurückzuzahlen. Flach bemüht sich, einen Käufer für den Duisburger Maschinenbauer Klöckner-Werke zu finden. Damit will er das millionenschwere Finanzloch stopfen.
Doch kein Investor beißt an. Die HSH Nordbank bereitet deshalb die Versteigerung der Aktienmehrheit an dem Maschinenbauer vor, die als Sicherheit für die WCM-Darlehen diente. Damit verliert die Gesellschaft die letzte werthaltige Beteiligung. „Ich habe es nicht geschafft“, räumt der Manager reumütig in der Frankfurter Firmenzentrale ein.
Flachs Untergang bei der WCM ist da längst programmiert gewesen. Blindlings vertraut Flach dem Firmengründer und einstigen WCM-Großaktionär Karl Ehlerding – wie ein Kettenhund seinem Herrchen. Der ehemals schwerreiche Hamburger Finanzjongleur Ehlerding hatte jahrelang unterbewertete Firmen gekauft und sie nach einer Zeit mit einem satten Gewinn wieder verscherbelt.
Doch ab 2001 geht Ehlerdings Erfolgsmodell nicht mehr auf. Er verspekuliert sich im großen Stil mit Commerzbank-Aktien. Auf Pump hatte er massiv Aktien an Deutschlands drittgrößter Bank gekauft und mit WCM-Aktien beliehen. Als es zum Börsencrash kommt, fällt der Commerzbank-Kurs und mit ihm die Notierung der WCM. Die Folge: 800 Millionen Euro Miese allein 2002. Die Banken sitzen Flach im Nacken.
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Der WCM-Vorstandschef schaltet in den Rückwärtsgang. Auf Druck der Banken und des damaligen Aufsichtsratschefs und früheren Thyssen-Lenkers Dieter Vogel verkauft er das Commerzbank-Paket, veräußert auch alle Wohnungsbestände, um den milliardenschweren Schuldenberg abzubauen. Aus dem einstigen Milliardenimperium WCM, dessen Kürzel in Glanzzeiten für „World of Cash and Magic“ stand, entwickelt sich eine Gesellschaft mit „Wenig Cash und Management“.
In den Medien wird Flach deswegen zum Buhmann. Die „Euro am Sonntag“ kürt ihn zu „Mr. Burn“ – zum Geldvernichter. Das „manager magazin“ bezeichnet ihn als „Verlademeister“.
Flach hatte seine Karriere einst beim Düsseldorfer Warenhauskonzern Horten begonnen. Bei seiner nächsten Station, dem Konkurrenten Hertie in Frankfurt, wurde er schnell mit dem Erwerb und der Integration von Beteiligungsgesellschaften betraut. Dann machte er sich selbstständig, baute die Handelskette Sound & Technik auf, die er später mit Gewinn veräußerte.
Zur WCM kam Flach 1998 über den Nürnberger Bund (NBAG). Die Banken hatten ihn geholt, um die marode Einkaufsgenossenschaft für Eisenhändler zu sanieren. Der Manager wandelte deshalb die Firma in eine AG um, gab Randbereiche ab und verkaufte sie an die Frankfurter Beteiligungsholding. WCM-Großaktionär Ehlerding holte ihn schließlich in den Vorstand, 2001 rückte der Manager an dessen Spitze.
Die Wut der Aktionäre und Fondsmanager über Flach hat sich bis heute nicht gelegt. „Er ist ein Abwickler für die Banken, der nicht die Interessen der Aktionäre vertritt“, meint Horst Schlüchter, einer der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Ähnliche Töne schlägt auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) an. „Herr Flach hat als Manager versagt und hat jetzt endlich die Konsequenz gezogen“, meint die Aktionärsschützerin Reinhild Keitel.
Erzürnt ist auch Stefan Leibold, Fondsmanager bei der Stuttgarter Privatbank Ellwanger & Geiger. „Er hat die Aktiengesellschaften für sein persönliches Wohlergehen genutzt“, meint Leibold. Er kritisiert vor allem, dass Flach in den vergangenen Jahren noch hohe Vorstandsbezüge kassiert habe, während die Firma immer näher an den Abgrund taumelt.
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Dennoch findet Flach noch einen rettenden Halm. In weiser Voraussicht des drohenden Untergangs als Holding-Chef übernimmt er bereits im April dieses Jahres – in Personalunion – den Vorstandsvorsitz bei den börsennotierten Klöckner-Werken. Die wichtigste WCM-Tochter hat sich mit mehr als 3 000 Mitarbeitern mittlerweile zu einem Hersteller für Abfüllanlagen in der Getränkeindustrie gesundgeschrumpft.
Flachs abrupter Vorstandswechsel erregt vor allem die Aktionärsschützer. DSW-Sprecher Schlüchter: „Er sollte den Vorsitz bei den Klöckner-Werken so schnell wie möglich abgeben, weil er durch sein schlechtes Image der Firma eher schadet als hilft.“ So hätten die Aktionäre bereits seit Jahren unter einem schwachen Kursniveau zu leiden.
Tatsächlich könnte für Flach auch hier die Zeit bald abgelaufen sein. Denn die HSH Nordbank will die Aktienmehrheit an der Duisburger Gesellschaft bis Ende November verkaufen. Es sei denn, Flach findet in dieser Zeit – mit Hilfe des WCM-Firmengründers Ehlerding – einen Investor, der an ihm festhält. Nicht völlig ausgeschlossen, denn für Überraschungen war der Manager immer gut.
VITA: ROLAND FLACH
1944
wird er am 31. Oktober im sauerländischen Enkhausen geboren.
1963
arbeitet er beim Warenhauskonzern Horten als Personalchef.
1976
geht er zum Neckermann-Versand nach Frankfurt, wo er als Direktor für den Gesamtvertrieb verantwortlich ist.
1990
macht er sich mit der Elektronikfachmarktkette Sound selbstständig.
1996
berufen ihn die Gläubigerbanken zum Krisenmanager bei der Einkaufsgenossenschaft Nürnberger Bund. Flach firmiert sie in eine AG um, gibt Randbereiche ab und regelt die Übernahme durch den Finanzinvestor WCM.
2001
wird er WCM-Vorstandschef.
2006
übernimmt er im April zusätzlich den Vorstandsvorsitz der WCM-Tochter Klöckner-Werke. Im Oktober legt er sein Amt als Vorstandschef der WCM nieder.
MfG
kiiwii