Bulle und Bär
Vom Quartalswahn geheilt
Was waren das für Zeiten: Prominente Unternehmen wie Cisco oder Nokia präsentierten ihre Quartalsbilanz – und Anleger hielten weltweit den Atem an, ehe das Unternehmen den Lauf der gesamten Börse bestimmte. Warum gibt es so etwas nicht mehr? Keineswegs sind die Firmen und ihre Manager langweiliger als gestern, doch Anleger lassen sich nicht mehr so leicht ins Bockshorn jagen.
DÜSSELDORF. Allenfalls der amerikanische Notenbankchef genießt stets eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit wie einst die ganz Großen in der Unternehmenswelt. Doch wenn heute kurz nach 22 Uhr der Netzwerkausrüster Cisco Systems seine Quartalsbilanz präsentiert, ist die Spannung weit geringer als zwei Stunden vorher, wenn die US-Notenbank ihre Zinsentscheidung bekannt gibt.
Ob Cisco nun bessere oder schlechtere Zahlen als erwartet präsentiert und einen optimistischen oder pessimistischen Ausblick auf das restliche Jahr gibt, wird allenfalls die Aktie selbst, vielleicht noch die Kurse der Branche beeinflussen. Doch der gesamten Börse wird Cisco kaum etwas anhaben können. Wenn Cisco oder Nokia hingegen früher ein paar Cent weniger verdienten, verhagelte das allzu schnell die gesamte Stimmung. Ein besserer Zungenschlag der Konzernchefs John Chambers oder Jorma Ollila brachten anschließend aber ebenso schnell die Börsenwelt wieder in Ordnung.
Dass es diesen Wahn heute nicht mehr gibt, verdanken die Börsen der Rückkehr zur Normalität. Ende der Neunziger und Anfang dieses Jahrhunderts machten die große Euphorie und vor allem die Bewertung der Firmenanteilsscheine solche Exzesse möglich. Damals bezahlten Aktionäre fast alle Technologie-Unternehmen mit dem 50-fachen Jahresgewinn. Häufig sogar mit dem 100-fachen, wie etwa den SAP-Konkurrenten Oracle. Hinzu kam, dass auch so gut wie alle anderen Aktien großer Unternehmen ambitioniert bis überbewertet waren. Das machte sie immer anfälliger für Schwächen.
Überraschte ein Großkonzern mit unbefriedigenden Zahlen oder Ausblicken, reichte das für eine Kettenreaktion aus. Überinvestierte und nervöse Anleger fürchteten längst überfällige Kursrückgänge und verkauften, ehe sie bei der nächsten guten Nachricht eines einzelnen illustren Unternehmens auf ebenso breiter Front wieder einstiegen. Aus Angst vor entgehenden Gewinnen. Die hohen Umsätze an der Börse belegen dieses Herdenverhalten.
Diese Zeiten sind vorbei. Die Aktien der großen Unternehmen sind moderat, die meisten sogar im historischen Vergleich unterbewertet. Das gilt vor allem für Technologie-Aktien. Wenn deshalb heute Abend Cisco Überraschungen präsentiert, braucht niemand in Panik oder Euphorie zu verfallen. Alle, auch prominente Unternehmen sprechen nur für sich. Allenfalls sind sie ein Trendsetter ihrer Branche.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 8. August 2006, 07:00 Uhr
Euer
Einsamer Samariter
Vom Quartalswahn geheilt
Was waren das für Zeiten: Prominente Unternehmen wie Cisco oder Nokia präsentierten ihre Quartalsbilanz – und Anleger hielten weltweit den Atem an, ehe das Unternehmen den Lauf der gesamten Börse bestimmte. Warum gibt es so etwas nicht mehr? Keineswegs sind die Firmen und ihre Manager langweiliger als gestern, doch Anleger lassen sich nicht mehr so leicht ins Bockshorn jagen.
DÜSSELDORF. Allenfalls der amerikanische Notenbankchef genießt stets eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit wie einst die ganz Großen in der Unternehmenswelt. Doch wenn heute kurz nach 22 Uhr der Netzwerkausrüster Cisco Systems seine Quartalsbilanz präsentiert, ist die Spannung weit geringer als zwei Stunden vorher, wenn die US-Notenbank ihre Zinsentscheidung bekannt gibt.
Ob Cisco nun bessere oder schlechtere Zahlen als erwartet präsentiert und einen optimistischen oder pessimistischen Ausblick auf das restliche Jahr gibt, wird allenfalls die Aktie selbst, vielleicht noch die Kurse der Branche beeinflussen. Doch der gesamten Börse wird Cisco kaum etwas anhaben können. Wenn Cisco oder Nokia hingegen früher ein paar Cent weniger verdienten, verhagelte das allzu schnell die gesamte Stimmung. Ein besserer Zungenschlag der Konzernchefs John Chambers oder Jorma Ollila brachten anschließend aber ebenso schnell die Börsenwelt wieder in Ordnung.
Dass es diesen Wahn heute nicht mehr gibt, verdanken die Börsen der Rückkehr zur Normalität. Ende der Neunziger und Anfang dieses Jahrhunderts machten die große Euphorie und vor allem die Bewertung der Firmenanteilsscheine solche Exzesse möglich. Damals bezahlten Aktionäre fast alle Technologie-Unternehmen mit dem 50-fachen Jahresgewinn. Häufig sogar mit dem 100-fachen, wie etwa den SAP-Konkurrenten Oracle. Hinzu kam, dass auch so gut wie alle anderen Aktien großer Unternehmen ambitioniert bis überbewertet waren. Das machte sie immer anfälliger für Schwächen.
Überraschte ein Großkonzern mit unbefriedigenden Zahlen oder Ausblicken, reichte das für eine Kettenreaktion aus. Überinvestierte und nervöse Anleger fürchteten längst überfällige Kursrückgänge und verkauften, ehe sie bei der nächsten guten Nachricht eines einzelnen illustren Unternehmens auf ebenso breiter Front wieder einstiegen. Aus Angst vor entgehenden Gewinnen. Die hohen Umsätze an der Börse belegen dieses Herdenverhalten.
Diese Zeiten sind vorbei. Die Aktien der großen Unternehmen sind moderat, die meisten sogar im historischen Vergleich unterbewertet. Das gilt vor allem für Technologie-Aktien. Wenn deshalb heute Abend Cisco Überraschungen präsentiert, braucht niemand in Panik oder Euphorie zu verfallen. Alle, auch prominente Unternehmen sprechen nur für sich. Allenfalls sind sie ein Trendsetter ihrer Branche.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 8. August 2006, 07:00 Uhr
Euer
Einsamer Samariter