Märzimpressionen
von Torsten Ewert
Verehrte Leserinnen und Leser,
vermutlich haben Sie in der vergangenen Woche auch den einen oder anderen Artikel über das „Jubiläum“ des Neuen Marktes gelesen (am 10.3.2000 erreichte der TecDAX-Vorläufer NEMAX 50 sein Allzeithoch von 9.666 Punkten).
Zweifelhafte Jubiläen
Natürlich sind im Rückblick sowohl die vorangegangene Übertreibung als auch die nachfolgende Kapitalvernichtung als Extreme erkennbar. Doch seien wir ehrlich: In der damaligen Zeit hat das kaum jemand erkannt. Noch weniger haben auch nach dieser Erkenntnis gehandelt. Und selbst wer die Übertreibung erkannte und danach handelte („short“ ging), verbrannte zumeist sein Geld – sofern er vor dem März 2000 aktiv wurde...
Für Häme oder Besserwisserei angesichts der zahlenmäßig wenigen „Überlebenden“ der Internet-Euphorie besteht daher überhaupt kein Anlass. Vielleicht sind Anerkennung oder gar Dankbarkeit die besseren Reaktionen. Schließlich legten auch die gescheiterten Pionier-Unternehmen von damals den Grundstein für all die Errungenschaften, die wir heute wie selbstverständlich nutzen: schnelles Internet und günstigen Mobilfunk, Navigation und Onlinehandel und, und, und.
Selbst die Investoren – egal, ob sie nun viel Geld verdienten oder verloren – erfüllten eine wichtige Funktion: Sie machten mit ihren Mitteln all diese „Versuche“ erst möglich, von denen sich schließlich die brauchbarsten durchsetzten.
Die Wirtschaft als Labor
Natürlich, wer damals oder bei anderen Gelegenheiten viel Geld verlor, wird sich für solche Art Würdigung bedanken. Aber letztlich ist die Wirtschaft tatsächlich nichts als ein riesiges Experimentierfeld, ein Art Labor für die technisch und ökonomisch besten Lösungen für die Herausforderungen der jeweiligen Zeit.
Und weil wir gerade bei Jubiläen waren: Dieser Tage konnten wir noch einige andere Jahrestage (bezogen auf Kursstände im DAX) begehen. Vor gut einem Jahr (9.3.2009) bildete der DAX sein vorläufiges Tief nach der Finanzkrise aus, vor sieben Jahren (12.3.2003) verzeichneten wir das Ende der Baisse nach dem oben erwähnten Internet-Hype...
Ist vielleicht der März ein ganz besonderer Monat, der dazu neigt, derartig markante Wendepunkte hervorzubringen? Schließlich ereignete sich bereits vor genau 2054 Jahren, am 15. März im Jahre 44 vor Christus, mit der Ermordung Gaius Iulius Caesars ein Vorfall, dessen langfristige Folgen (spätrömische Dekadenz) uns bis heute beschäftigen...
Der März als Umkehrmonat?
Zumindest für die Börsen können wir die Neigung der Kurse, im März Umkehrpunkte auszubilden, relativ schnell überprüfen. Dazu der folgende Monatschart, der den DAX-Verlauf ab 1985 zeigt:
#595959; font-size: 8pt">Quelle: MarketMaker
Die senkrechten blauen Linien markieren den März im jeweiligen Jahr. Neben den bereits genannten Jahren (rote Kreise) finden sich auch andere markante Hoch- und Tiefpunkte (gelbe Kreise). Doch insbesondere in den letzten Jahren finden wir kaum Auffälligkeiten im März.
Und dies trotz des großen Verfallstags, der hier regelmäßig stattfindet (diesmal am kommenden Freitag). Man könnte nämlich geneigt sein, diesem Termin eine gewisse Bedeutung für die Ausbildung eines Umkehrpunkts zuzusprechen.
Doch zum Bedauern aller Statistik-Fans lässt sich auch aus diesem Mythos kein Kapital schlagen...
Die Lehre aus den März-Jubiläen
Doch vielleicht lässt sich aus den eingangs genannten Jubiläen doch noch ein positives Fazit ziehen. Zeigt uns doch der Internet-Crash, dass sich trotz Übertreibung und Zähneklappern die ursprüngliche Idee („Information und Internet für alle!“) letztlich irgendwie durchgesetzt hat.
Investoren, die – als der Staub sich gelegt hatte – konsequent auf die „Überlebenden“ am Markt gesetzt haben (z.B. Amazon, Cisco, United Internet), fuhren am Ende doch eine erkleckliche Rendite ein.
Das wird voraussichtlich auch auf die Übertreibungen der vergangenen Jahre zutreffen. Bei den Emerging Markets können wir das schon sehen – auch wenn z.B. der chinesische Aktienmarkt 2007 um über 70 Prozent eingebrochen ist. Auch Rohstoffe verzeichneten 2008 eine Blase mit nachfolgendem dramatischem Einbruch. Dennoch bleiben auch hier die Aussichten weiter positiv – vielleicht genau wegen dieser Bereinigung.
Besinnliche Vorfrühlingszeit
Und wer weiß, vielleicht stellt sich eines Tages heraus, dass die viel geschmähten Finanzderivate im Prinzip doch eine sinnvolle Erfindung waren (andere Derivate, wie Futures und Optionen, werden auch schon seit Jahrzehnten problemlos eingesetzt). Dann werden Banken und Versicherungen, die diese Instrumente professionell anwenden, langfristig zu den Gewinnern gehören.
Wenn also in den nächsten Tagen der lang ersehnte Frühling doch noch auch sich warten lässt, dann nutzen Sie die Zeit einfach zur Besinnung auf solche und andere Chance, die sich aus den Widrigkeiten des Börsengeschehens immer wieder ergeben.
Mit besten Grüßen
Torsten Ewert