HAMBURG (Dow Jones)--Das aus mobilcom AG, Büdelsdorf, und freenet.de AG, Hamburg, entstehende Unternehmen soll die Marktchancen wahrnehmen und größer werden. "Ich bin einer klarer Verfechter der Wachstumsstrategie", sagte der designierte Vorstandsvorsitzende Eckhard Spoerr am Montag in Hamburg. Er habe mit Sicherheit nicht vor "riesige Dividenden" auszuschütten, sondern setze vor allem auf operativ profitables Wachstum. Dennoch schließt er Zukäufe nicht aus. Wenn sich Gelegenheiten ergäben und Unternehmen zu einem fairen Preis zum Verkauf stünden, sei dies eine gute Möglichkeit.
Vorrangig setzt das neue Unternehmen nach Darstellung von Spoerr auf Wachstum aus eigener Kraft. In den Verschmelzungsverhandlungen sei überdies eine Konzentration auf die Bereiche DSL und Internet festgelegt worden. Damit seien seine Vorstellungen gut berücksichtigt, sagte Spoerr. Dagegen wäre ihm eine Verwendung der freenet.de-Mittel für den Ausbau des Mobilfunk-Service-Provider-Geschäftes nicht Recht gewesen, sagte er.
Bei den Zukaufszielen hält der Vorstandsvorsitzende von freenet.de an seinen bekannten Zielen fest. Das Interesse an AOL Deutschland und der Arcor AG & Co KG bestehe fort. Beide Unternehmen stünden aber nicht zum Verkauf, sagte er. An der QSC AG habe er indes kein Interesse. Das neue Unternehmen hat Spoerr zufolge ausreichend Mittel für Übernahmen. Ein Kauf für mehr als 1 Mrd EUR könnte das Unternehmen schon stemmen, sagte er mit Verweis auf Gespräche mit Banken. Dem neuen Unternehmen stünden allein mehr als 300 Mio EUR an liquiden Mitteln zur Verfügung. Davon stammten 250 Mio EUR von mobilcom, die für den Geschäftsbetrieb dort nicht nötig seien. "Darauf freue ich mich schon", sagte Spoerr.
Sollte es nicht gelingen, das Geld organisch oder mit Hilfe von Zukäufen in den Ausbau des Geschäftes zu investieren, plädiert der Vorstand für eine Ausschüttung an die Aktionäre. Sie seien die Eigentümer des Unternehmens. Spoerr schließt nicht aus, dass sich das neue Unternehmen für die Zahlung einer Dividende verschuldet. Bei einer vernünftigen Kapitalstruktur sei dies durchaus denkbar, sagte er. Von dem in den Medien kolportierten angeblichen Streit mit der mobilcom-Großaktionärin Texas Pacific Group (TPG) über deren Dividendenforderung wisse er nichts. Im freenet.de-Aufsichtsrat habe es keine Diskussion darüber gegeben.
Die Entscheidung, ihn als Vorstandsvorsitzenden des neuen Unternehmens zu berufen, habe nichts mit diesem Thema zu tun, sagte er. Die Aufsichtsräte von mobilcom und freenet.de hätten sich für ihn entschieden, nachdem mobilcom-Aktionäre einzelne Aufsichtsräte angerufen und auf den Erfolg von freenet.de hingewiesen hätten. Dabei hätten diese Anteilseigner klar gesagt, dass sie nicht in ein Unternehmen ohne diese Wachstumspotenziale investieren wollten.
Spoerr glaubt nicht daran, dass die Texas Pacific Group ihren Anteil an dem neuen Unternehmen aufstocken wird. Der US-Finanzinvestor hält derzeit 28,7% der mobilcom-Aktien. Nach der Fusion wird die Beteiligung an dem neuen Unternehmen bei 18% liegen. Es gebe keine Indikation für einen Zukauf, sagte Spoerr. Die freenet.de-Aktionäre werden nach der Fusion 35% an dem künftigen Unternehmen halten, der Rest liegt bei den mobilcom-Anteilseignern.
Die der Fusion aufgedeckten stillen Reserven schätzt Spoerr auf 800 Mio bis 1 Mrd EUR. Die Eigenkapitalquote werde bei mehr als 50% liegen. In der Übergangsphase wird das neue Unternehmen freenet.de AG heißen, später wahrscheinlich mobilcom-freenet.de, sagte Spoerr. Unter dem Dach einer Holding seien die einzelnen Marken als eigenständige Gesellschaften angesiedelt. In den öffentlichen Auftritt der Holding will Spoerr nicht investieren. Wichtig sei die Erhaltung der Marken freenet.de, mobilcom und strato.
Bei der Fusion kann es laut Spoerr zu Stellenabbau im Zentralbereich kommen. Dafür würden aber viele Mitarbeiter für die Betreuung der neuen Kunden benötigt, die im DSL-Bereich gewonnen werden sollen, sagte er. Insgesamt seien die Kosteneinsparungen durch die Verschmelzung allein nicht so hoch und hätten allein auch einen Zusammenschluss nicht gerechtfertigt. Viel wichtiger sei die Marktmacht, die mit der Fusion erreicht werde. Es werde mehr als 13 Millionen Kundenbeziehungen geben, sagte Spoerr. Ferner entfalle der Wettbewerb von mobilcom und freenet.de untereinander.
Die steuerliche Nutzung der Verlustvorträge von mobilcom könne in den nächsten Jahren zu Einsparungen von 25 Mio EUR führen. Beim Geschäft von mobilcom sieht der Vorstand noch viel Arbeit. Das Rendite-Potenzial sei noch nicht ausgereizt. Eine EBITDA-Marge von 6% im Mobilfunk sieht er als durchaus möglich an. mobilcom hatte für 2004 für den Bereich Service Provider 2,8% Marge ausgewiesen.
Nachdem die Verlustvorträge genutzt sind, kann sich Spoerr eine Verlegung des Unternehmenssitzes nach Hamburg vorstellen. Zunächst werde der Sitz aber in Büdelsdorf belassen, da der Vorstand für die Nutzung der Verlustvorträge aus dem schleswig-holsteinischen Finanzministerium verlässliche Aussagen habe.
Die weitere Besetzung des Vorstandes nach Darstellung von Spoerr noch nicht entschieden. Benötigt würden Spezialisten aus beiden Unternehmensbereichen. Er sei froh, dass er bei der Besetzung des Gremiums ein gewichtiges Wort mitsprechen könne, sagte Spoerr und verwies darauf, dass er einen "hervorragenden Finanzvorstand" kenne. Zur Größe des Vorstandes äußerte er sich nicht. Spoerr rechnet damit, dass mobilcom-Aufsichtsratsvorsitzender Dieter Vogel auch im neuen Unternehmen diese Funktion einnehmen wird.
-Von Kirsten Bienk, Dow Jones Newswires; +49 (0) 40 3574 3116,
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MfG
waldy
Ps.
Nach Angabe eines technisch orientierten Marktteilnehmers rückt das März-Hoch von mobilcom bei 20,04 EUR zunehmend in den Blick der Anleger. Sollte die Marke gebrochen werden, sei im Prinzip Luft bis 24,60 EUR, heißt es. Eher fundamental orientierte Beobachter bezeichnen die Spoerr-Aussagen als derzeit "kaum kursrelevant". Lediglich der Satz, dass das Wachstum wichtiger als die Dividende sei, schmälere die Hoffnung auf eine Sonderausschüttung etwas, so ein Händler. Mobilcom ziehen aktuell 5,3% auf 19,65 EUR an.
DJG/mla/raz
11.07.2005, 11.07
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