News - 04.12.08 17:57
US-Autobauer: "Kontrollierte Sprengung" erwogen
Die beiden US-Autokonzerne General Motors und Chrysler wollen einen vorbereites Konkursverfahren zur Not akzeptieren, falls es zur Voraussetzung für ein Hilfspaket der US-Regierung gemacht werde.
Das berichtete der US-Nachrichtendienst Bloomberg am Donnerstag unter Verweis auf mit der Situation vertraute Personen. Rick Wagoner, Konzernchef des vom finanziellen Aus bedrohten Herstellers General Motors (GM), hat ein Verfahren nach Kapitel elf des US-Konkursrechts öffentlich bisher strikt abgelehnt. Das Management fürchtet, dass ein Konkursverfahren unmittelbar in die Liquidation führen könnte, weil Kunden dann gegebenfalls noch stärker vor einem Kauf von GM - und Chrysler-Autos zurückschrecken. Es gebe "keinen Plan B" außer der Staatshilfe, hatte auch GM-Vizechef Fritz Henderson zur Wochenmitte noch betont.
Im US-Kongress wird das Thema indes heiß diskutiert: Einige Kongressabgeordnete hätten sich bereits bei Bankern und Konkursexperten informiert, wie eine "kontrollierte Sprengung" am besten zu bewerkstelligen sei, schreibt das "Wall Street Journal". Dabei werde über einen "im Voraus arrangierten Konkurs" gesprochen, den der Staat mitfinanzieren könnte. Damit schwinden die Chancen für die US-Autokonzerne, dass sie eine Staatshilfe auf der Grundlage ihrer bisherigen Strukturen erhalten.
Der US-Kongress ist in der Frage "Auto-Rettung oder Konkurs?" ohnehin tief gespalten. Hochrangige Demokraten befürworten eine milliardenschwere Hilfe aus dem Rettungsprogramm "Tarp", das aber eigentlich zur Stabilisierung des Finanzsystem in erster Linie für Banken aufgelegt worden war. Präsident George W. Bush und die Republikaner im Kongress sind jedoch für eine Lösung, wonach ein bereits abgesegnetes Darlehen über 25 Mrd. Dollar schnell nach Detroit überwiesen werden soll. Die Auflage, dass diese Summe ausschließlich für die Entwicklung alternative Antriebe zu verwenden ist, soll fallengelassen werden. Gegen diesen Lösungsweg sträuben sich wiederum die Demokraten. Erst müsse man sehen, ob GM, Ford und Chrysler "einen vernünftigen Plan" vorlegen könnten, sagte der designierte US-Präsident Barack Obama. Erst danach wolle er darüber diskutieren, welche Geldquelle die Politik anzapfen könnte. Die endgültige Entscheidung über ein milliardenschweres Rettungspaket wird für nächste Woche erwartet.
Die Abgeordneten müssen dabei auch ihre Wahlkreise im Sinn haben: In einer aktuellen Umfrage lehnen 70 Prozent der Befragten eine Nothilfe Washingtons für die Autohersteller ab.
Die Konzernchefs von GM, Ford und Chrysler, die am Donnerstag erneut vor dem US-Kongress verhört wurden, müssen sich in Washington wie Marionetten vorkommen. Ihnen bleibt dieser Tage nur noch Lobby-Arbeit in verschärfter Form - und die vage Hoffnung darauf, dass sie der US-Kongress noch einmal vor dem finanziellen Kollaps retten möge. "Es ist sehr wichtig für die Vereinigten Staaten, in dieser globalen Industrie eine Heimmannschaft zu haben", sagte GM-Chef Wagoner gestern vor den Anhörungen.
Die Rücktrittsforderungen gegen den Manager, der seit acht Jahren an der Spitze des wankenden US-Marktführers steht, werden mit jedem Tag lauter. Der Board von GM hat sich jedoch auch in dieser Woche wieder vor Wagoner gestellt. "Es gibt den Glauben, und ist mehr als eine Hoffnung, dass einige sehr kluge Menschen in Washington die Wichtigkeit dieses Problems verstehen", sagte GM-Verwaltungsrat George Fisher in einem Interview. Er geht davon aus, dass es ein Brückendarlehen geben werde, das GM zumindest bis in die nächste Administration führe. Obama soll am 20. Januar nächsten Jahres in Washington vereidigt werden.
Mark Zandi, Chefökonom von Moody's Economy.com, sprach sich am Donnerstag vor dem Senat für eine Rettungsaktion aus. Sie werde allerdings deutlich teurer werden als jene 34 Mrd. Dollar, die zuletzt von den "Big Three" genannten Autokonzernen eingefordert wurden. Wahrscheinlich sei am Ende eine Summe zwischen 75 Mrd. Dollar und 125 Mrd. Dollar, betonte Zandi. Um einen unvorbereiteten Zusammenbruch der Industrie zu vermeiden, solle zunächst ein kleinerer Teil dieser Summe nach Detroit überwiesen werden, empfahl er. Den Restbetrag solle es dann nur geben, wenn sich ein Erfolg bei den Restrukturierungsbemühungen abzeichne. GM, Ford und Chrysler haben allein im abgelaufenen Quartal fast 18 Mrd. Dollar an Liquiditätsreserven verbrannt.
Die US-Autoindustrie leidet unter einem anhaltenden Käuferstreik, auch weil die Autobanken der Kundschaft keine günstigen Finanzierungskonditionen mehr anbieten können. Bei GM brach der US-Absatz im November erdrutschartig um 41 Prozent ein. Der Rivale Ford verkaufte 31 Prozent weniger Fahrzeuge, bei Chrysler brach der Absatz um rund 30 Prozent ein. GM und Chrysler stehen deshalb dicht vor der Zahlungsunfähigkeit.
Quelle: Handelsblatt.com