Geron will gegen Krebs impfen
Spektakulärer Forschungsansatz löst an der Börse Euphorie aus
Mit einer sensationellen Ankündigung hat in der vergangenen Woche ein Biotech-Unternehmen an den Börsen für Euphorie gesorgt. Die kalifornische Firma Geron mit Sitz in Menlo Park verkündete, daß sie gemeinsam mit dem US-Pharmakonzern Merck einen Impfstoff entwickeln werde - aber nicht irgendein margenschwaches Serum für die nächste Grippesaison, sondern etwas Revolutionäres: einen Telomerase-Impfstoff.
Hinter dem trockenen Fünfsilber verbirgt sich eine völlig neuartige Therapie, die eines Tages die Heilung von vielen Krebsleiden in den Bereich des Denkbaren rücken soll. Die Börse hat vorsorglich schon einmal genickt: Am Montag schnellte der Geron-Aktienkurs um fast 30 Prozent in die Höhe. Das kalifornische Unternehmen - clevere Köpfe, marginaler Umsatz, tiefrote Zahlen - steigerte seine Marktkapitalisierung um mehr als 100 Millionen Dollar.
Sicher ist: Gerons wissenschaftlicher Ansatz ist spektakulär. Die Telomerase ist ein Enzym im Zellkern, das in Tumoren präsent ist, nicht aber in gesundem Körpergewebe. Dort macht sie etwas möglich, was eigentlich nicht sein darf: Sie läßt krankes Krebsgewebe unkontrolliert wachsen.
Bei jeder Teilung einer gesunden Zelle werden die Spitzen der Chromosomen, die sogenannten Telomere, ein winziges Stückchen gekappt. Diese Telomere sitzen gewissermaßen wie ein Plastikring am Ende eines Schnürsenkels und halten das Chromosomen-Knäuel in Form. Sind sie nach vielen Teilungen aufgebraucht, stirbt die Zelle ab. Geschieht dies milliardenfach, altert der Mensch. Telomerase hat in diesem Prozeß eine besonders gemeine Fähigkeit: Sie kann die Verkürzung der Telomere unterbinden. Da sie dies in Krebsgewebe tut, können Tumoren unkontrolliert wachsen.
Der Ansatz der Geron-Forscher: Könnte die Telomerase gezielt blockiert werden, könnten Tumoren nicht wachsen. Genau diesen Effekt soll der Impfstoff, für den erste klinische Tests am Duke University Medical Center in North Carolina laufen, erzielen, indem er das Immunsystem gegen Telomerase aufstachelt. Daß ausgerechnet Merck, einer der versiertesten Impfstoff-Produzenten der Welt, dieses Projekt unterstützt, verleiht ihm Seriosität.
Geron erhält durch die Kooperation eine willkommene Finanzspritze, der Pharmakonzern wiederum wird sich mittelfristig an Geron beteiligen. Ein kluger Schachzug, denn: Biotech-Unternehmen mit großen Visionen gehen oft pleite, und diese Gefahr scheint mit Mercks Einstieg gebannt. Allerdings sind die Risiken dennoch beträchtlich. Biotech-Experten bescheinigen Geron zwar, wissenschaftlich sehr interessante Arbeit zu leisten. Da bis zur Markteinführung aber viele Jahre vergehen würden, sei für Private ein Einstieg in fünf oder zehn Jahren ratsamer. Michael Braun
www.wams.de/data/2005/07/24/750002.html
Artikel erschienen am 24. Juli 2005