Lars Klingbeil (SPD).
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Nicolas Fuchs Nicolas Fuchs
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Nicolas ist seit 2016 Redakteur bei ARIVA.DE. Seine Expertise in der technischen Analyse und sein Engagement für genaue Prognosen machen ihn zu einer wertvollen Ressource für die Community, die auf aussagekräftige News angewiesen ist.

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BYD startet Abo-Offensive in Deutschland: Klingbeils E-Dienstwagen-Plan spielt deutschen Herstellern in die Karten

Der chinesische E-Autoriese BYD bringt mit dem Münchener Abo-Anbieter Finn bis zu 5000 Fahrzeuge auf deutsche Straßen. Ziel ist der bislang kaum erreichte Privatkundenmarkt – doch hohe Rabatte, schwache Markenbekanntheit und chinesischer Preisdruck werfen Fragen auf.
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BYDs Einstieg in den deutschen Privatkundenmarkt: Mit Finn gegen das Markenproblem

Der weltgrößte Hersteller von Elektroautos, das chinesische Unternehmen BYD (Build Your Dreams), wagt einen neuen Anlauf, um auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Im Fokus stehen diesmal nicht wie bisher Flottenkunden oder gewerbliche Zulassungen, sondern der Endverbraucher. Mit einer strategischen Partnerschaft mit dem Münchener Auto-Abo-Anbieter Finn sollen in den kommenden zehn Monaten bis zu 5000 BYD-Fahrzeuge auf deutschen Straßen rollen.

Diese Zusammenarbeit ist mehr als ein bloßes Distributionsmodell.Sie ist Teil einer klaren Wachstumsstrategie: BYD will seine Sichtbarkeit erhöhen, Zugang zum hart umkämpften Privatkundenmarkt gewinnen und gleichzeitig seine Präsenz im Segment der „New Energy Vehicles“ (NEV) in Europa ausbauen. Der Einstiegspreis von 259 Euro monatlich macht das Abo-Modell besonders attraktiv für preissensitive Kunden, die E-Mobilität unverbindlich testen möchten.

Im Hintergrund jedoch verdichten sich strukturelle Probleme: BYD ist im deutschen Privatmarkt bislang kaum bekannt, das Händlernetz dünn, und der wachsende Preisdruck aus China könnte langfristig die Marge gefährden. Auch wenn Finn die Fahrzeuge über sein eigenes Flottenmodell vermarktet, bleibt die Frage: Lässt sich eine Premiumpositionierung aufrechterhalten, wenn die Fahrzeuge später als rabattierte Rückläufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt landen?

BYDs Absatzschwäche bei Privatkunden: Trotz Wachstum keine Trendumkehr

Tatsächlich wurden von Januar bis April 2025 laut Dataforce nur 331 BYD-Fahrzeuge an Privatkunden in Deutschland ausgeliefert – das entspricht lediglich elf Prozent der Gesamtzulassungen der Marke im Land. Damit liegt BYD trotz einer Vervierfachung der Neuzulassungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum weiterhin im niedrigen dreistelligen Bereich, was die Reichweite der Marke auf dem deutschen Privatmarkt betrifft.

Der Großteil der Zulassungen stammt aus dem gewerblichen Bereich – darunter viele taktische Zulassungen, mit denen Hersteller ihre Absatzstatistiken künstlich verbessern. BYD hat es mit dieser Strategie im Mai sogar geschafft, Tesla in der deutschen Zulassungsstatistik zu überholen. Der Preis für diesen Erfolg ist jedoch hoch: Rabatte und Sonderaktionen mindern die Marge und beschädigen auf Dauer die Markenwahrnehmung – gerade bei einem Hersteller, der sich als Premiummarke etablieren möchte.

Ein ehemaliger Manager von BYD bringt es im Gespräch mit dem Handelsblatt auf den Punkt: „BYD versucht sich in Deutschland als Premiummarke zu etablieren, nur leider funktioniert das nicht. Dafür ist die Marke zu unbekannt.“

Finn als Brücke zum Endkunden: Niedrigschwelliger Zugang zur E-Mobilität

Der Abo-Anbieter Finn setzt auf Wachstum und Nachhaltigkeit – und will bis 2028 mehr als 80 Prozent seiner Flotte elektrifizieren. BYD wird mit seinen Modellen wie dem Dolphin, dem Atto 3 und drei weiteren Fahrzeugen ein zentraler Bestandteil dieses Wachstums sein. Der Dolphin, mit einem Einstiegspreis von rund 20.000 Euro, zählt zu den günstigsten vollwertigen E-Autos auf dem Markt – ein wichtiges Argument im aktuell preissensiblen Umfeld.

Für Finn ist die Kooperation auch strategisch sinnvoll. Anfang 2025 sicherte sich das Unternehmen einen flexiblen Asset-Backed-Securities-Kredit in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro. Damit sollen neue Fahrzeuge angeschafft und die internationale Expansion vorangetrieben werden. Im Zuge dessen wurde das Portfolio neu ausgerichtet – unter anderem trennte man sich von Tesla-Fahrzeugen, offenbar wegen Differenzen bei der Bewertung des Restwerts über die Abo-Laufzeit.

Der Vorteil für BYD: Über Finn können potenzielle Kunden die Fahrzeuge ohne langfristige Bindung testen. Doch nicht alle sehen in der Abo-Strategie eine Chance. Ein ehemaliger BYD-Manager warnt: Die Rückläufer würden meist mit hohen Abschlägen verkauft, was den Neuwagenwert drücke und das Preisniveau des Herstellers gefährde.

Vertriebschef Patrick Schulz hingegen sieht darin eine Gelegenheit: „Wir haben damit direkt ein attraktives Gebrauchtwagengeschäft – und das als Newcomer.“ BYD wolle Sichtbarkeit schaffen und Vorbehalte gegenüber chinesischer Elektromobilität abbauen.

Chinesischer Preiskrieg: Fluch oder Chance?

Die Initiative von BYD in Deutschland fällt zeitlich mit einer grundlegenden Neuausrichtung des chinesischen EV-Markts zusammen. Die Regierung in Peking hat zuletzt lautstark dazu aufgerufen, den destruktiven Preiskrieg zu beenden – eine sogenannte „Involution“, also ein sich selbst verstärkender Wettlauf nach unten. Der Begriff wurde bereits im März vom chinesischen Premier Li Qiang in den Jahresarbeitsbericht aufgenommen.

BYD selbst geriet ins Fadenkreuz dieser Debatte. Am 23. Mai senkte der Konzern den Preis eines Modells um über 30 Prozent, was eine neue Welle von Rabatten in der Branche auslöste. Die regierungsnahe China Association of Automobile Manufacturers kritisierte diese Maßnahmen öffentlich und sprach von einem „ungeordneten Preiskrieg“, der Gewinnspannen unter Druck setze und Risiken für die Produktsicherheit berge.

Auch Analysten wie Nomura (Nomura Aktie) sehen in der jüngsten Rabattwelle keine strukturelle Entspannung, sondern vielmehr eine Formalisierung bereits bestehender Inzahlungnahme-Programme. Der chinesische Automarkt ist überversorgt – ein Konsolidierungsprozess wird früher oder später unausweichlich sein. Der durchschnittliche Exportpreis eines in China produzierten Fahrzeugs sank 2025 auf 21.000 US-Dollar, verglichen mit 30.000 US-Dollar im Vorjahr. In China selbst liegt der durchschnittliche Neuwagenpreis inzwischen bei umgerechnet rund 22.900 Dollar (Dollarkurs), was einem Rückgang von 19 Prozent in zwei Jahren entspricht.

Förderpolitik in Deutschland: Klingbeils Sonderabschreibung als Wachstumstreiber

Parallel zu den strukturellen Herausforderungen auf dem chinesischen Markt erhält die Elektromobilität in Deutschland neue politische Impulse. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) will mit einer Sonderabschreibung steuerliche Anreize für die Anschaffung von E-Dienstwagen schaffen. Drei Viertel des Kaufpreises sollen bereits im ersten Jahr abgeschrieben werden dürfen, das dürfte vor allem den Absatz deutscher Hersteller befeuern.

Laut Dataforce entfielen im ersten Quartal 2025 rund 64 Prozent der E-Dienstwagenzulassungen auf Marken mit Produktionsstandorten in Deutschland. Rechnet man VW-Töchter wie Skoda und Cupra hinzu, steigt dieser Anteil auf 83 Prozent. Die geplante Anhebung der Fördergrenze für steuerlich begünstigte Fahrzeuge von 70.000 auf 100.000 Euro könnte künftig auch Premium-Modelle wie den BMW (BMW Aktie) iX oder den Mercedes EQE einschließen.

Gleichzeitig sinkt der Anteil privater E-Zulassungen weiter – er lag im ersten Quartal 2025 bei nur rund einem Drittel. Im Jahr 2023 waren es noch 48 Prozent. Damit zeigt sich: Die Elektromobilität wird in Deutschland zunehmend vom gewerblichen Segment getragen.

Zukunftsperspektiven: Marktkonsolidierung und Infrastruktur als Schlüssel

Für BYD und andere chinesische Hersteller stellt sich angesichts dieser Entwicklung eine doppelte Herausforderung. Zum einen müssen sie sich im deutschen Markt positionieren, der von heimischen Premiumherstellern dominiert wird. Zum anderen müssen sie sich in einem chinesischen Umfeld behaupten, das zunehmend von Überkapazitäten und regulatorischer Unsicherheit geprägt ist.

Der Weg über das Abo-Modell mag kurzfristig Sichtbarkeit schaffen, doch langfristig wird nur ein Ausbau des Händlernetzes – BYD plant bis Ende 2025 bis zu 120 Standorte in Deutschland – und eine glaubhafte Markenpositionierung zum Erfolg führen. Auch der Rückfluss gebrauchter Fahrzeuge in den Privatmarkt könnte helfen, wenn er professionell gesteuert wird.

Gleichzeitig braucht es politische Unterstützung: Die deutsche Förderung setzt klare Anreize im Dienstwagensegment, lässt den Privatmarkt jedoch bislang außen vor. Eine Vereinfachung der Ladeinfrastruktur, transparente Tarifmodelle und faire Wettbewerbsbedingungen könnten helfen, das Vertrauen der Konsumenten in chinesische Marken zu stärken, vorausgesetzt die Produktqualität stimmt.

Fazit:

BYD wagt mit der Kooperation mit Finn einen ambitionierten Vorstoß in den deutschen Privatkundenmarkt. Doch zwischen politischer Förderlogik, chinesischem Preisdruck und Markenaufbau bleibt die Strategie eine Gratwanderung. Während BYD auf alternative Vertriebskanäle setzt, um Sichtbarkeit zu gewinnen, profitieren vor allem die deutschen Hersteller von der politischen Flankierung: Finanzminister Klingbeils geplante Sonderabschreibung und die Anhebung der Preisgrenze für steuerlich begünstigte E-Dienstwagen stärken das etablierte Flottengeschäft von VW, BMW, Mercedes und Co. – weniger jedoch den privaten Absatz oder neue Marktteilnehmer wie BYD.

Trotz dieser politischen Rahmenbedingungen könnten auch Anbieter wie BYD mittelfristig profitieren – etwa über den Zweitmarkt, wenn ehemalige Dienstwagen als Gebrauchte in den Privatmarkt übergehen. Entscheidend bleibt jedoch die Frage, ob chinesische Marken sich zwischen Premiumanspruch, Preisdruck und Markenaufbau glaubhaft positionieren können – und ob sie infrastrukturell wie vertrieblich mit den deutschen Herstellern Schritt halten. Die kommenden Jahre dürften zeigen, ob BYDs europäische Expansionsstrategie Bestand hat oder im Schatten der deutschen Industriepolitik bleibt.


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