BERLIN (dpa-AFX) - Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, lehnt die Idee ab, den Renteneintritt nicht mehr an das Alter zu koppeln - sondern an die Zahl von Beitragsjahren. "Der Vorschlag wird die Altersarmut nicht reduzieren, sondern Ungleichheiten verstärken", sagte der Ökonom der "Rheinischen Post".
Zudem werde der Vorschlag zu einem intensiven Streit über die Frage führen, "ob und wann Unterschiede im Renteneintrittsalter berechtigt sind oder nicht", sagte Fratzscher. Aus seiner Sicht würden auf diese Weise "Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt".
Arbeitsministerin findet Idee "grundsätzlich ganz gut"
Der Wirtschaftsprofessor Jens Südekum hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, den Renteneintritt nicht mehr an das Alter, sondern an die Zahl von Beitragsjahren zu koppeln. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sagte dazu im ARD-"Bericht aus Berlin": "Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut."
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf schloss sich dem an. "Ich finde erst mal, dass es eine Idee ist, die deutlich besser geeignet ist, darüber zu diskutieren als eine schnöde Anhebung des Renteneintrittsalters", sagte Klüssendorf im "Frühstart" von RTL/ntv.
Es gebe aber weitere Reformideen. Neben der Forderung, dass mehr Menschen in das System einzahlen sollen, sprach Klüssendorf auch "vom Wachsen von unterschiedlichen Rentenentscheiden". "Das heißt, wachsen kleine Renten genauso stark wie große Renten, gibt es dort momentan auch eine Ungerechtigkeit, weil kleine Renten benachteiligt sind."
Eine noch im Dezember einzusetzende Rentenkommission soll bis zum Sommer Vorschläge zur langfristigen Sicherung der Alterseinkommen machen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Rentenkommission muss jetzt ohne Denkverbote und Vorfestlegungen arbeiten, ansonsten macht es keinen Sinn sie einzurichten." Er fügte hinzu: "Die Überlegung, das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln, gehört da sicherlich dazu."
Scharfe Kritik von links
Linke-Fraktionsvize Nicole Gohlke lehnte Südekums Vorschlag als "vergiftetes Angebot" ab. "Wer körperlich hart arbeitenden Menschen einen früheren Ruhestand ermöglichen will, rennt bei uns offene Türen ein. Aber das darf nicht gegen diejenigen ausgespielt werden, die sich für ein Studium entschieden haben." Weil Akademiker wegen der Studienjahre in der Regel deutlich später zu arbeiten anfangen, könnte für sie eine Umsetzung von Südekums Vorschlag von Nachteil sein.
Zwei Modelle
Südekum hatte der "Bild" gesagt: "Die Lebensarbeitszeit ist eine Stellschraube, an die wir ran müssen, um die gesetzliche Rente zu sichern." Rente für alle mit 70 sei falsch. "Besser ist es, den Renteneintritt nicht an eine starre Alterszahl zu koppeln, sondern an eine Mindestanzahl von Beitragsjahren."
Bas sagte, in der Rentenkommission würden wohl beide Modell diskutiert - Renteneintrittsalter nach Lebenserwartung oder danach, wer eine bestimmte Strecke eingezahlt habe./shy/bw/DP/stw
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