Zertifikate - Was ist das überhaupt?
„…Die Käufer haben nicht verstanden, was Sie gekauft haben.
Die Verkäufer haben nicht verstanden, was sie verkauft haben.
Die Emittenten haben es in der Mehrzahl nicht verstanden, was sie konstruiert haben.
Die Aufsichten und Wirtschaftsprüfer haben überhaupt nichts mehr verstanden….“
(zitiert nach Prof. Dr. Jürgen Singer, Universität Leipzig, Professur Bankwesen, 6. Tag des Bank- und Kapitalmarktrechts, 19. Nov. 2009)
Zertifikate sind aktuell die absoluten Lieblings- und Modeprodukte im Kapitalanlagegeschäft der Banken. Trotz Lehmann-Pleite und den heutigen Zeiten der unsicheren Finanzlage boomt der Zertifikate-Markt. Anlass genug, dieses hochkomplizierte Kunst-Produkt zu beleuchten. Hier der Versuch einer einfachen Erklärung:
Was ist ein Zertifikat und wie funktioniert es?
Zertifikate sind Kunstprodukte, sie werden von den sogenannten „Emittenten“ also den Herausgebern von Zertifikaten, meist Banken, „designt“. Sie können designt werden für jeden Anlegertyp, von extrem sicherheitsbewusst bis risikofreudig.
Zertifikate stellen eine besondere Art eines Wertpapieres dar und funktionieren wie folgt:
Der Anleger erwirbt durch die Zahlung eines bestimmten Betrages an den Emittenten einen entsprechenden Beleg in Form eines Zertifikates. Dieses hat eine bestimmte Laufzeit und garantiert in vielen Fällen eine Rückzahlung. Dieses Zertifikat steht wiederum in Bezug zu sogenannten Basiswerten. Basiswerte sind z.B. Aktien, Rohstoffe oder auch Kombinationswerte wie Aktienindizes oder auch festverzinsliche Wertpapiere.
Anleger kaufen also, vereinfacht gesagt, einen Berechtigungsschein, der sie von der Wertentwicklung des Basiswertes profitieren lässt, ohne dass sie die Aktie, den Rohstoff oder das entsprechende Papier direkt erwerben müssen.
„Im Prinzip sind die meisten Zertifikate nichts anderes als Wetten. Man wettet mit der Bank beispielsweise darauf, dass eine Aktie, oder auch Rohstoffe oder Börsenindizes – also sogenannte Basiswerte – sich auf eine bestimmte Art und Weise entwickeln“ so die Münchener Finanzberaterin Svea Kuschel. „…und je nachdem wie risikofreudig man ist, kann man diese Wette absichern... „
Diese Absicherung erfolgt in der Realität meist mit einer sogenannten Kapitalgarantie. Das bedeutet, dass der Emittent, also das herausgebende Kreditinstitut die Rückzahlung des investierten Geldes (nicht der Rendite !!) garantiert. Dazu ist wichtig zu wissen, dass der Verkäufer und der Emittent nicht zwingend identisch sein müssen, sondern oft die Hausbank Zertifikate eines anderen, fremden, unter Umständen auch internationalen Emittenten verkauft. Die Kapitalgarantie erteilt – wenn überhaupt- der Emittent, nicht die bekannte und vertraute Hausbank.
Marktsituation in Deutschland
(u.a.Quelle: Tilp, 6.Tag des Bank- und Kapitalmarktrechtes ):
Deutschland ist „Weltmarktführer“ in Zertifikaten. Die Ursache liegt nach
Ansicht vieler Experten in den attraktiven Anreizen für den Verkäufer (also die Bank) in Form von Provisionen. In anderen Staaten ist der Zertifikate-Handel eingeschränkt und unterliegt strengen staatlichen Kontrollen.
Zu Ende August 08 (vor der Lehmann-Insolvenz am 15.09.08) waren in Deutschland 370.000 unterschiedlichste Zertifikate-Produkte im Handel. Pro Handelstag kamen allein im Juli 2008 rund 2.600 neue Produkte hinzu. Nur 12 % der Bank-Kunden haben aktiv nach Zertifikaten gefragt und weniger als die Hälfte der Privatanleger gehören zu der Gruppe der Selbstentscheider. Das bedeutet, dass diese Anleger keine selbstständige Entscheidung zum Kauf dieser Zertifikate tätigten, sondern das Kreditinstitut im Rahmen einer Vermögensverwaltung o.ä. für den Kunden die Entscheidung und den Kauf des Zertifikates durchführte. Nach Ansicht mancher Experten verstehen über 90 % der Zertifikate-Besitzer nicht wirklich, wie sie ihr Geld angelegt haben.
Nachteile und Risiken von Zertifikaten:
In Deutschland gab es für Zertifikate bislang nicht einmal ein Zulassungsverfahren, im Prinzip kann somit jedermann Zertifikate auf den Markt bringen und der Anleger genießt keinerlei Insolvenzschutz.
Der Haken an Zertifikaten ist nämlich, dass die Garantie nur so viel wert ist, wie die Kreditwürdigkeit des Emittenten, also der Bank, die das Zertifikat herausgibt. Wenn die Bank pleite geht – so wie in dem Fall Lehmann Brothers – ist die Garantie nichts mehr wert und das Geld verloren.
Dazu kommt, dass Zertifikate im Gegensatz zu Fonds oder Einlagen bei einer Bank nicht dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken unterliegen. Durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken sind die Guthaben jedes einzelnen Kunden bei den privaten Banken bis zur Höhe von 30% des maßgeblichen haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank zum Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses voll gesichert. Zertifikate werden jedoch nicht geschützt.
Hauptangriffspunkt der Kritiker ist aber die undurchsichtige Kostenstruktur der Zertifikate. Bei Zertifikaten fallen, wie auch bei anderen Wertpapieren, unterschiedliche Kosten an, die vom Anleger getragen werden. Der Anleger hat jedoch bei Zertifikaten – anders als bei Aktien – nicht die Möglichkeit Aufschläge und andere Kosten zu erkennen. Er bekommt einen Endpreis mitgeteilt, die Preisaufschläge sind für den Anleger völlig unsichtbar und teilweise horrend. Man spricht hier von intransparenter Preisgestaltung. „Die Fairness der Preise hängt allein von der Fairness des Anbieters ab“ (zit. nach Tilp, a.a.o).
Schließlich bieten Zertifikate den Verkäufern die Möglichkeit, Anlegerschutzvorschriften zu umgehen. Dazu werden Anlageformen, die im normalen Vertrieb strikten Anlegerschutzvorschriften unterliegen, weil sie hoch riskant oder sogar „toxisch“ (giftig) sind, als Basiswerte verwertet.
Ich habe Zertifikate gekauft - was nun?
Dem Besitzer von Zertifikaten der sich falsch beraten oder gar betrogen fühlt, stehen möglicherweise Ansprüche wegen Falschberatung gegen die verkaufende Bank oder den Finanzberater etc. zu.
Der Versuch einer Geltendmachung solcher Ansprüche ist keinesfalls aussichtslos. Wenn die Ansprüche berechtigt sind, ist oftmals bereits im außergerichtlichen Bereich eine Lösung gemeinsam mit der Bank zu erarbeiten. Allerdings unterliegen derartige Ansprüche engen Verjährungsvorschriften. Der möglicherweise geschädigte Anleger ist gut beraten, nicht nach dem Motto „erst mal abwarten“ zu verharren. Dann könnten eventuell leicht durchsetzbare Ansprüche im schlimmsten Fall schon verjährt sein.
Vorteilhafter ist es, in einem solchen Fall die Angelegenheit durch einen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalt kostengünstig erstbewerten zu lassen. Mit dieser Begutachtung hat der Zertifikate-Besitzer die Möglichkeit Chancen und Risiken der Rückabwicklung eines Zertifikate-Erwerbes genau einzuschätzen.
Zuletzt ein Zitat vom Bankspezialisten Prof. Dr Singer aus November 2009 :
„Zertifikate sind meines Erachtens weitgehend überflüssig"
Pressemitteilung von: Jakobs Guilleaume Rechtsanwälte Partnerschaft
Quelle: gomopa.net/Finanzforum/risiko/...st-das-ueberhaupt-129803.html
„…Die Käufer haben nicht verstanden, was Sie gekauft haben.
Die Verkäufer haben nicht verstanden, was sie verkauft haben.
Die Emittenten haben es in der Mehrzahl nicht verstanden, was sie konstruiert haben.
Die Aufsichten und Wirtschaftsprüfer haben überhaupt nichts mehr verstanden….“
(zitiert nach Prof. Dr. Jürgen Singer, Universität Leipzig, Professur Bankwesen, 6. Tag des Bank- und Kapitalmarktrechts, 19. Nov. 2009)
Zertifikate sind aktuell die absoluten Lieblings- und Modeprodukte im Kapitalanlagegeschäft der Banken. Trotz Lehmann-Pleite und den heutigen Zeiten der unsicheren Finanzlage boomt der Zertifikate-Markt. Anlass genug, dieses hochkomplizierte Kunst-Produkt zu beleuchten. Hier der Versuch einer einfachen Erklärung:
Was ist ein Zertifikat und wie funktioniert es?
Zertifikate sind Kunstprodukte, sie werden von den sogenannten „Emittenten“ also den Herausgebern von Zertifikaten, meist Banken, „designt“. Sie können designt werden für jeden Anlegertyp, von extrem sicherheitsbewusst bis risikofreudig.
Zertifikate stellen eine besondere Art eines Wertpapieres dar und funktionieren wie folgt:
Der Anleger erwirbt durch die Zahlung eines bestimmten Betrages an den Emittenten einen entsprechenden Beleg in Form eines Zertifikates. Dieses hat eine bestimmte Laufzeit und garantiert in vielen Fällen eine Rückzahlung. Dieses Zertifikat steht wiederum in Bezug zu sogenannten Basiswerten. Basiswerte sind z.B. Aktien, Rohstoffe oder auch Kombinationswerte wie Aktienindizes oder auch festverzinsliche Wertpapiere.
Anleger kaufen also, vereinfacht gesagt, einen Berechtigungsschein, der sie von der Wertentwicklung des Basiswertes profitieren lässt, ohne dass sie die Aktie, den Rohstoff oder das entsprechende Papier direkt erwerben müssen.
„Im Prinzip sind die meisten Zertifikate nichts anderes als Wetten. Man wettet mit der Bank beispielsweise darauf, dass eine Aktie, oder auch Rohstoffe oder Börsenindizes – also sogenannte Basiswerte – sich auf eine bestimmte Art und Weise entwickeln“ so die Münchener Finanzberaterin Svea Kuschel. „…und je nachdem wie risikofreudig man ist, kann man diese Wette absichern... „
Diese Absicherung erfolgt in der Realität meist mit einer sogenannten Kapitalgarantie. Das bedeutet, dass der Emittent, also das herausgebende Kreditinstitut die Rückzahlung des investierten Geldes (nicht der Rendite !!) garantiert. Dazu ist wichtig zu wissen, dass der Verkäufer und der Emittent nicht zwingend identisch sein müssen, sondern oft die Hausbank Zertifikate eines anderen, fremden, unter Umständen auch internationalen Emittenten verkauft. Die Kapitalgarantie erteilt – wenn überhaupt- der Emittent, nicht die bekannte und vertraute Hausbank.
Marktsituation in Deutschland
(u.a.Quelle: Tilp, 6.Tag des Bank- und Kapitalmarktrechtes ):
Deutschland ist „Weltmarktführer“ in Zertifikaten. Die Ursache liegt nach
Ansicht vieler Experten in den attraktiven Anreizen für den Verkäufer (also die Bank) in Form von Provisionen. In anderen Staaten ist der Zertifikate-Handel eingeschränkt und unterliegt strengen staatlichen Kontrollen.
Zu Ende August 08 (vor der Lehmann-Insolvenz am 15.09.08) waren in Deutschland 370.000 unterschiedlichste Zertifikate-Produkte im Handel. Pro Handelstag kamen allein im Juli 2008 rund 2.600 neue Produkte hinzu. Nur 12 % der Bank-Kunden haben aktiv nach Zertifikaten gefragt und weniger als die Hälfte der Privatanleger gehören zu der Gruppe der Selbstentscheider. Das bedeutet, dass diese Anleger keine selbstständige Entscheidung zum Kauf dieser Zertifikate tätigten, sondern das Kreditinstitut im Rahmen einer Vermögensverwaltung o.ä. für den Kunden die Entscheidung und den Kauf des Zertifikates durchführte. Nach Ansicht mancher Experten verstehen über 90 % der Zertifikate-Besitzer nicht wirklich, wie sie ihr Geld angelegt haben.
Nachteile und Risiken von Zertifikaten:
In Deutschland gab es für Zertifikate bislang nicht einmal ein Zulassungsverfahren, im Prinzip kann somit jedermann Zertifikate auf den Markt bringen und der Anleger genießt keinerlei Insolvenzschutz.
Der Haken an Zertifikaten ist nämlich, dass die Garantie nur so viel wert ist, wie die Kreditwürdigkeit des Emittenten, also der Bank, die das Zertifikat herausgibt. Wenn die Bank pleite geht – so wie in dem Fall Lehmann Brothers – ist die Garantie nichts mehr wert und das Geld verloren.
Dazu kommt, dass Zertifikate im Gegensatz zu Fonds oder Einlagen bei einer Bank nicht dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken unterliegen. Durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken sind die Guthaben jedes einzelnen Kunden bei den privaten Banken bis zur Höhe von 30% des maßgeblichen haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank zum Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses voll gesichert. Zertifikate werden jedoch nicht geschützt.
Hauptangriffspunkt der Kritiker ist aber die undurchsichtige Kostenstruktur der Zertifikate. Bei Zertifikaten fallen, wie auch bei anderen Wertpapieren, unterschiedliche Kosten an, die vom Anleger getragen werden. Der Anleger hat jedoch bei Zertifikaten – anders als bei Aktien – nicht die Möglichkeit Aufschläge und andere Kosten zu erkennen. Er bekommt einen Endpreis mitgeteilt, die Preisaufschläge sind für den Anleger völlig unsichtbar und teilweise horrend. Man spricht hier von intransparenter Preisgestaltung. „Die Fairness der Preise hängt allein von der Fairness des Anbieters ab“ (zit. nach Tilp, a.a.o).
Schließlich bieten Zertifikate den Verkäufern die Möglichkeit, Anlegerschutzvorschriften zu umgehen. Dazu werden Anlageformen, die im normalen Vertrieb strikten Anlegerschutzvorschriften unterliegen, weil sie hoch riskant oder sogar „toxisch“ (giftig) sind, als Basiswerte verwertet.
Ich habe Zertifikate gekauft - was nun?
Dem Besitzer von Zertifikaten der sich falsch beraten oder gar betrogen fühlt, stehen möglicherweise Ansprüche wegen Falschberatung gegen die verkaufende Bank oder den Finanzberater etc. zu.
Der Versuch einer Geltendmachung solcher Ansprüche ist keinesfalls aussichtslos. Wenn die Ansprüche berechtigt sind, ist oftmals bereits im außergerichtlichen Bereich eine Lösung gemeinsam mit der Bank zu erarbeiten. Allerdings unterliegen derartige Ansprüche engen Verjährungsvorschriften. Der möglicherweise geschädigte Anleger ist gut beraten, nicht nach dem Motto „erst mal abwarten“ zu verharren. Dann könnten eventuell leicht durchsetzbare Ansprüche im schlimmsten Fall schon verjährt sein.
Vorteilhafter ist es, in einem solchen Fall die Angelegenheit durch einen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalt kostengünstig erstbewerten zu lassen. Mit dieser Begutachtung hat der Zertifikate-Besitzer die Möglichkeit Chancen und Risiken der Rückabwicklung eines Zertifikate-Erwerbes genau einzuschätzen.
Zuletzt ein Zitat vom Bankspezialisten Prof. Dr Singer aus November 2009 :
„Zertifikate sind meines Erachtens weitgehend überflüssig"
Pressemitteilung von: Jakobs Guilleaume Rechtsanwälte Partnerschaft
Quelle: gomopa.net/Finanzforum/risiko/...st-das-ueberhaupt-129803.html
"Kurzfristig helfen Schulden. Langfristig gehen wir alle tot"
John Maynard Keynes (Brit. Wirtschaftswissenschaftler, 1883-1946)
John Maynard Keynes (Brit. Wirtschaftswissenschaftler, 1883-1946)