Was nun Herr Schambach/Herr Schmidt?

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Was nun Herr Schambach/Herr Schmidt? Slater

Was nun Herr Schambach/Herr Schmidt?

 
#1
"Wir müssen da durch"

Stephan Schambach (Intershop) und Karl Matthäus Schmidt (Consors) über ihren tiefen Fall nach der Börsenhysterie, das verlorene Vertrauen der Anleger und die Zukunft ihrer Firmen

Stephan Schambach
gründete vor zehn Jahren in Jena Intershop, ein Unternehmen, das Software für den elektronischen Handel entwickelt. Mit den Produkten wollte der heute 32-Jährige den Weltmarkt erobern. Dazu verlegte Schambach sogar den Firmensitz nach San Francisco. Die Aktie wurde zum Schwergewicht am Neuen Markt - bis das Unternehmen die Anleger massiv enttäuschte. Im vergangenen Jahr erzielte Intershop 69 Millionen Euro Umsatz, bei einem Verlust von 132 Millionen Euro. Seitdem versucht Schambach die Firma wieder auf Kurs zu bringen.


 
SPIEGEL: Herr Schambach, Herr Schmidt, als wir uns vor gut zwei Jahren zum ersten Interview trafen, galten Sie als die Helden der New Economy. Ein Jahr später sahen Sie sich als die Prügelknaben der Nation, die am Tiefpunkt angelangt waren. Wo stehen Sie heute?
Schambach: Die schlechten Zeiten liegen hinter uns. Wir haben in der Konsolidierungsphase gelernt. Seit Anfang des Jahres ist bei uns im Unternehmen eine Menge passiert: Wir haben Managementebenen gestrichen und endlich die Kosten in den Griff bekommen. Wir haben neue Produkte auf den Markt gebracht, die bei den Kunden sehr gut ankommen. Ich bin sehr zufrieden.

 Karl Matthäus Schmidt

gründete 1994 den Discountbroker Consors. Nach dem Börsengang 1999 stieg das Unternehmen, gemessen an der Marktkapitalisierung, in die Top Fünf unter Deutschlands Banken auf. Mit der Börsenflaute jedoch brach das Geschäft ein. Im ersten Halbjahr meldete Consors einen Rekordverlust von 160 Millionen Euro. Inzwischen hat die französische Bank BNP Paribas die Führung übernommen. Sie kaufte den Anteil der SchmidtBank, dem Institut von Schmidts Vater, das Ende 2001 in Schieflage geraten war. Schmidt junior, 33, ist nur noch Vize-Chef.



Schmidt: Hinter uns liegt ein sehr schwieriges Jahr 2001: Zum ersten Mal seit dem Börsengang von Consors haben wir Verluste gemacht. Vor uns liegt aber mit dem neu entstehenden Unternehmen Cortal Consors eine große Chance. Wir sind beide Marktführer, Cortal in Frankreich, Consors in Deutschland. Bisher haben wir sozusagen in der jeweiligen Bundesliga gespielt, jetzt sind wir in die Champions League aufgestiegen. Ein so großes Unternehmen mitzuführen ist eine besondere Herausforderung für mich.

SPIEGEL: Ihre Wahrnehmung erstaunt uns. Nach unserer Beobachtung ist es mit Ihren Unternehmen eher weiter bergab gegangen: Consors musste an die französische Bank BNP Paribas verkauft werden, die Intershop-Aktie ist nicht mal mehr einen Euro wert. Sind Sie damit nicht als Unternehmer gescheitert?

Schmidt: Dass Consors verkauft wurde, bedeutet keinesfalls, dass unser Geschäftsmodell nicht stimmig ist. Der Verkauf hat allein etwas mit der Schieflage unseres bisherigen Hauptanteilseigners, der SchmidtBank, zu tun. Außerdem war uns schon immer klar, dass es langfristig sehr wichtig ist, einen Partner zu finden; wir haben uns da schon lange umgeschaut. Jedenfalls hilft es nicht, über die Vergangenheit zu lamentieren. Ich will nach vorn schauen, und dort sehe ich für mich eine der spannendsten Aufgaben, die unsere Branche derzeit bieten kann.

SPIEGEL: So viel Freude über die neue Position nehmen wir Ihnen nicht ab. Immerhin sind Sie jetzt nur noch Angestellter in der Firma, die Sie einst gegründet haben.

Schmidt: Ich komme damit sehr gut zurecht. Ich betrachte den Verkauf von Consors nicht als Scheitern, sondern als Erfolg. BNP Paribas hat uns immerhin mit mehr als 500 Millionen Euro bewertet. Dass die Franzosen bereit sind, für unsere Arbeit der vergangenen sieben Jahre eine solche Summe zu zahlen, beweist doch, dass wir es richtig gemacht haben.

Schambach: Ich sehe mich auch nicht als gescheitert an, nur weil Technologie-Aktien, auch unsere, sich gerade auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen. Entscheidend ist doch die Marktkapitalisierung des Unternehmens, und da stehen wir mit rund 70 Millionen Euro ganz ähnlich da wie unsere Mitbewerber und nicht in dem Bereich, wo es lächerlich wird.

SPIEGEL: Sie haben mit zehn Millionen Euro eigenem Geld Intershop-Aktien zum Kurs von 1,20 Euro gekauft, inzwischen liegt der Kurs bei etwa 80 Cent. Wundert es Sie, dass die Anleger dieses Signal ignoriert haben?

Schambach: Ich habe das nicht gemacht, um ein Zeichen zu setzen. Zehn Millionen Euro sind ja kein Spielgeld. Es ist einfach ein gutes Investment ...

SPIEGEL: ... bei 30 Prozent Verlust?

Schambach: Sie denken viel zu kurzfristig. Wir haben in diesem Jahr die Weichen gestellt, damit wir in Zukunft wieder wachsen können; der elektronische Handel bleibt ein Wachstumsmarkt. Außerdem haben wir unser Produktangebot erweitert, zum Beispiel um neue elektronische Beschaffungslösungen für Großunternehmen. Damit sind wir in der Lage, uns aus dem Tal wieder herauszuarbeiten. Sonst würde ich doch nicht zehn Millionen Euro investieren. Da hätte ich mich doch eher leise verdrückt.

SPIEGEL: Warum sind Ihre Unternehmen im vergangenen Jahr so abgestürzt?

Schmidt: Unser Geschäft ist weggebrochen, als wir gerade mitten in der Phase der größten Investitionen waren. Wir haben im Jahr 2000 die Zahl unserer Mitarbeiter verdoppelt, und just am Ende des Jahres sind die Umsätze um die Hälfte eingebrochen.

Schambach: Dass sich damals die Wirtschaft um 180 Grad drehen würde, konnte keiner voraussehen. Und das traf jene Unternehmen besonders hart, die gerade kräftig wuchsen. Viele unserer Konkurrenten sind deshalb nicht mehr da.

SPIEGEL: Das könnte, so warnen manche Analysten, auch mit Intershop passieren.

Schambach: Ich sehe keine lebensbedrohenden Gefahren für das Unternehmen. Wir haben genügend Cash zur operativen Verwendung.

SPIEGEL: An der Börse würden Sie wohl ohnehin kein neues Kapital bekommen.

Schambach: Die Unternehmen sind nicht mehr so fixiert auf die Börse und haben jetzt eine andere Denkweise. Das Interesse gilt den Produkten und den Kunden. In die wird zurzeit alles investiert. Wenn man damit erfolgreich ist, dann versichere ich Ihnen, wird die Börse folgen. Deshalb macht es derzeit keinen Sinn, viel Zeit mit Analysten zu verbringen ...

Schmidt: ... die schauen sich Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von unter 500 Millionen Euro sowieso nicht mehr an.

Schambach: Das ist richtig. Institutionelle Anleger machen derzeit einen großen Bogen um Technologiewerte, vor allem um kleinere Firmen. Sie meiden den gesamten Neuen Markt. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Banken hier wieder Interesse finden.

SPIEGEL: Ist der Ruf des Neuen Marktes nicht unwiederbringlich zerstört? Gegen Vorstände von Neue-Markt-Firmen wird ermittelt, so manche Bilanz entpuppt sich als frei erfunden.

Schmidt: Es ist natürlich verwerflich, wenn Unternehmen nur gegründet wurden, um sie an die Börse zu bringen und damit Geld zu machen. Der Börsenboom hat wie ein Magnet auf einige Leute gewirkt, die nur Betrügereien im Sinn hatten. Es bot sich ihnen mit der Börse ein neues Instrument, um Geld zu machen. Aber - und das dürfen Sie nicht vergessen - das waren Einzelfälle.

Schambach: Es gab Analysten, die die Hand aufgehalten haben und sagten: "Du kannst dir überlegen, wie mein Artikel ausfällt." Es gab Banken, die wurden nur gegründet, um ein Unternehmen nach dem anderen an die Börse zu bringen, von denen jedes stank. Trotzdem wäre es nicht richtig, daraus den Schluss zu ziehen, dass der Ansatz eines Neuen Marktes von Anfang an falsch gewesen war. Es mag seltsam klingen, aber: Wir brauchen diesen Lernprozess, wir müssen da durch. Ich denke, dass der Neue Markt am Ende sogar gestärkt daraus hervorgeht.

SPIEGEL: Sitzt dafür das Misstrauen gegenüber dem Kapitalmarkt nicht viel zu tief? Vorstände kassieren Millionengehälter, während die Aktienkurse zusammenbrechen, Bilanzen wurden gefälscht, Umsätze erfunden: Der Glaube in die Seriosität von Vorständen, Investmentbankern und Wirtschaftsprüfern ist tief erschüttert.

Schambach: Sie können doch nicht die gesamte Wirtschaft über einen Kamm scheren. Bei uns in der Firma hat nie einer betrogen, keiner irgendetwas veruntreut, und die Gehälter im Management liegen im Vergleich mit anderen Unternehmen eher niedrig.

Schmidt: Ich glaube nicht, dass wir eine Krise des Kapitalismus haben, es gibt allenfalls einzelne Unternehmen, die in einer Krise stecken. Als die Eisenbahnen erfunden wurden, entstanden zunächst auch Hunderte Unternehmen. Zum Schluss blieben einige wenige übrig. Das, was jetzt passiert, ist also ein normaler Prozess der Bereinigung.

Schambach: Es gab immer Betrugsfälle, und die meisten dieser Leute werden bestraft. Wir sind ziemlich sauer auf die schwarzen Schafe, nicht nur weil sie den gesamten Rest in Verruf bringen, sondern auch weil das für uns mehr Bürokratie bedeutet. Wer an der Nasdaq gelistet ist, muss jetzt regelmäßig etwa 20 weitere Dokumente vorlegen. Dabei hat der Fall Enron doch gezeigt, dass selbst die Wirtschaftsprüfer versagt haben. Was wir brauchen, ist eine Unternehmenskontrolle, die solche Entgleisungen nicht zulässt.

Schmidt: Mich stört noch etwas anderes: Es gibt Tausende Unternehmen, die saubere Bilanzen haben und ordentlich arbeiten. Wir sollten jetzt nicht fast sehnsüchtig auf den nächsten Skandal warten, damit die ganze Welt schreien kann: "Alle Unternehmer sind Betrüger, alle haben Bilanzen gefälscht." Ich sehe das ein bisschen differenzierter. Diesen kompletten Vertrauensverlust, wie Sie ihn beobachten, kann ich ohnehin nicht feststellen. Die Anleger haben aus der Krise gelernt, die Kunden haben, das sagen uns die Umfragen, weiterhin Vertrauen in die Aktienmärkte.

SPIEGEL: Würden Sie heute Ihre Firmen wieder an den Neuen Markt bringen?

Schambach: Ohne die Börse wären wir nicht in der Lage gewesen, so zu investieren, wie wir es getan haben. Natürlich kann man darüber streiten, ob das Tempo nicht zu schnell war. Aber schauen Sie sich unsere Kunden an: HP, Sony, Motorola - das sind einige der wichtigsten Firmen der Hightech-Industrie.

Schmidt: Consors allein ohne Cortal hat heute in Deutschland über 500 000 Kunden und mehr als 65 000 im europäischen Ausland, in Frankreich, Spanien, Italien und der Schweiz. Das wäre ohne den Börsengang nicht möglich gewesen.

SPIEGEL: Wie haben Sie beide das Auf und Ab der vergangenen Jahre persönlich verkraftet?

Schambach: Vergangenes Jahr hätten Sie mich vielleicht als Skeptiker ertappt. Aber das ist vorbei. Ich hatte die Möglichkeit, ein Unternehmen in einer sehr schnellen Wachstumsphase aufzubauen. Und ich sehe heute, dass wir die Möglichkeit haben, gestärkt aus der Krise der Hightech-Industrie hervorzugehen.

Schmidt: Manchmal denke ich mir: Ich bin jetzt 33 Jahre alt, aber was ich schon erleben durfte, ist einfach irre. Was bei anderen vielleicht in einem Berufsleben von 45 Jahren passiert, ist bei mir in drei, vier Jahren geschehen.

INTERVIEW: ALEXANDER JUNG, ARMIN MAHLER


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