Anti-Terror-Allianz: Afghanistans Nachbarn zwischen den Stühlen
Von Kai Beller, Hamburg
Ein möglicher US-Vergeltungsschlag gegen Afghanistan hat die zentralasiatischen GUS-Republiken Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan in eine schwierige Lage gebracht. Viel hängt von der Haltung Moskaus ab.
Entgegen anders lautenden Berichten lehnt es Russland offenbar doch nicht kategorisch ab, seine Militärstützpunkte US-Streitkräften zur Verfügung zu stellen. Der US-Gesandte John Bolton sagte am Montag nach Gesprächen mit dem russischen Außenminister Igor Iwanow, Russland habe die Möglichkeit offen gelassen, Militärstützpunkte in den zentralasiatischen GUS-Republiken zur Verfügung zu stellen. Russland habe weder abgelehnt und noch zugestimmt, sagte Bolton.
Die drei Länder, die an Afghanistan grenzen, könnten als weitere Basis zur Unterstützung eines Angriffs von Pakistan aus dienen. Tadschikistan hatte in einer ersten Reaktion auf die Terroranschläge sein Territorium als Operationsbasis zur Verfügung gestellt, dies jedoch später dementiert. Medienberichte, wonach tadschikisches Gebiet als Ausgangsbasis dienen solle, hätten keine Grundlage, sagte Außenministeriumssprecher Igor Sattarow am Sonntag.
Islamistische Bedrohung
Dabei sind vor allem Tadschikistan und Usbekistan an der Ausschaltung radikaler Islamisten interessiert. In beiden Ländern gibt es eine starke islamistische Opposition, Tadschikistan hat gerade erst einen fünfjährigen Bürgerkrieg beendet, ohne jedoch die innenpolitische Situation befrieden zu können. Auch Usbekistan und Kirgistan, das nicht an Afghanistan grenzt, kämpfen gegen islamistische Bewegungen, die eine Bedrohung der innenpolitischen Stabilität darstellen.
Tadschikistan, das den sowjetischen Truppen bei ihrem Einmarsch in Afghanistan als Aufmarschgebiet diente, ist auch heute noch von Russland abhängig. In der GUS-Republik ist die 7000 Mann starke russische Division 201 stationiert. Russland unterhält in Tadschikistan zudem mehrere Militärstützpunkte. Zusätzlich überwachen rund 11.000 russische Grenzer gemäß einem Abkommen zwischen Moskau und Duschanbe die etwa 1200 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan. Russland hat seine Division in Tadschikistan nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Iwanow am Wochenende in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
Angst vor der Rache der Taliban
Neben der Abhängigkeit von Russland sprechen aber auch innenpolitische Gründe für eine Zurückhaltung bei einem eventuellen amerikanischen Gegenschlag. Keiner wisse, was passiere, sollte der US-Feldzug gegen Afghanistan nicht zur Vertreibung der Taliban führen, sagte Johannes Reissner, Zentralasien-Experte vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit, der FTD-Online. Die Angst vor noch größerer Instabilität in der Region sei groß. Vor allem Tadschikistan muss nicht nur einen Flüchtlingsstrom aus Afghanistan, sondern auch die Rache der Taliban fürchten. Als Unterstützer der oppositionellen afghanischen Nordallianz und russischer Verbündeter sind die Folgen eines Fehlschlags für das Land nur schwer absehbar.
Stärker ist nach den Worten Reissners die Position Usbekistans. Doch der autokratische Staatspräsident Islam Karimow hatte sich lange nicht zu den Terroranschlägen geäußert. Reissner vermutet hinter seinem Schweigen eine "Zurückhaltung aus Kalkül". Am Wochenende bot die usbekische Regierung jedoch überraschend den USA an, den Luftraum und das Territorium des Landes für einen Angriff auf Afghanistan zu nutzen. "Wir sind bereit über alle möglichen Formen der Zusammenarbeit in dieser Hinsicht zu sprechen", sagte der usbekische Außenminister Abdulasis Kamilow der "Washington Post". Usbekistan hat es in seiner kurzen zehnjährigen Unabhängigkeit bislang vermieden, sich militärisch zu binden.
Die Angst vor der eigenen islamistischen Bewegung könnte zu diesem Sinneswandel beigetragen haben. Im Februar 1999 kamen bei einer Serie von Bombenanschlägen 19 Menschen ums Leben. Die Islamisten kämpfen in Usbekistan für einen unabhängigen Staat in der Ferghana-Region, der auch Teile der angrenzenden Staaten Kirgistan und Tadschikistan umfassen soll. Es wird vermutet, dass die islamischen Kämpfer in Afghanistan von den Taliban ausgebildet werden und mit der Organisation des Hauptverdächtigten für die Anschläge in den USA, Osama Bin Laden, zusammenhängen.
Herrschaft nach altem Muster
Mit Islamisten hat der turkmenische Staatschef Sapamurat Nijasow die geringsten Probleme. Er hatte den USA bereits kurze Zeit nach dem Anschlag, die Unterstützung seines Landes zugesichert. Turkmenistan werde eine "antiterroristische Koalition" unterstützen und sich auch daran beteiligen. Zentralasien-Experte Reissner bezeichnete die Zusage Nijasows zunächst nur als Aussage. Man müsse sehen, was darauf noch folge. In der Tat überrascht die Haltung Turkmenistans, das als einziges Land in der Region Beziehungen zum Taliban-Regime in Afghanistan unterhielt.
In Turkmenistan haben sich alte sowjetische Strukturen noch am besten erhalten. Nijasow regiert als so genanntes "Oberhaupt aller Turkmenen" (Turkmenbaschi) uneingeschränkt. Auch die "Wahlergebnisse" von 99 Prozent und mehr erinnern an alte Zustände. Nijasow, wie auch Usbekistans-Staatschef Karimow und der tadschikische Staatschef Emomali Rachmonow entstammen alten sowjetischen Kadern. Von einer wirklichen Demokratisierung in diesen Ländern kann bislang keine Rede sein. Oppositionelle - nicht nur Islamisten - werden in diesen Ländern unterdrückt.
© 2001 Financial Times Deutschland
Von Kai Beller, Hamburg
Ein möglicher US-Vergeltungsschlag gegen Afghanistan hat die zentralasiatischen GUS-Republiken Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan in eine schwierige Lage gebracht. Viel hängt von der Haltung Moskaus ab.
Entgegen anders lautenden Berichten lehnt es Russland offenbar doch nicht kategorisch ab, seine Militärstützpunkte US-Streitkräften zur Verfügung zu stellen. Der US-Gesandte John Bolton sagte am Montag nach Gesprächen mit dem russischen Außenminister Igor Iwanow, Russland habe die Möglichkeit offen gelassen, Militärstützpunkte in den zentralasiatischen GUS-Republiken zur Verfügung zu stellen. Russland habe weder abgelehnt und noch zugestimmt, sagte Bolton.
Die drei Länder, die an Afghanistan grenzen, könnten als weitere Basis zur Unterstützung eines Angriffs von Pakistan aus dienen. Tadschikistan hatte in einer ersten Reaktion auf die Terroranschläge sein Territorium als Operationsbasis zur Verfügung gestellt, dies jedoch später dementiert. Medienberichte, wonach tadschikisches Gebiet als Ausgangsbasis dienen solle, hätten keine Grundlage, sagte Außenministeriumssprecher Igor Sattarow am Sonntag.
Islamistische Bedrohung
Dabei sind vor allem Tadschikistan und Usbekistan an der Ausschaltung radikaler Islamisten interessiert. In beiden Ländern gibt es eine starke islamistische Opposition, Tadschikistan hat gerade erst einen fünfjährigen Bürgerkrieg beendet, ohne jedoch die innenpolitische Situation befrieden zu können. Auch Usbekistan und Kirgistan, das nicht an Afghanistan grenzt, kämpfen gegen islamistische Bewegungen, die eine Bedrohung der innenpolitischen Stabilität darstellen.
Tadschikistan, das den sowjetischen Truppen bei ihrem Einmarsch in Afghanistan als Aufmarschgebiet diente, ist auch heute noch von Russland abhängig. In der GUS-Republik ist die 7000 Mann starke russische Division 201 stationiert. Russland unterhält in Tadschikistan zudem mehrere Militärstützpunkte. Zusätzlich überwachen rund 11.000 russische Grenzer gemäß einem Abkommen zwischen Moskau und Duschanbe die etwa 1200 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan. Russland hat seine Division in Tadschikistan nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Iwanow am Wochenende in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
Angst vor der Rache der Taliban
Neben der Abhängigkeit von Russland sprechen aber auch innenpolitische Gründe für eine Zurückhaltung bei einem eventuellen amerikanischen Gegenschlag. Keiner wisse, was passiere, sollte der US-Feldzug gegen Afghanistan nicht zur Vertreibung der Taliban führen, sagte Johannes Reissner, Zentralasien-Experte vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit, der FTD-Online. Die Angst vor noch größerer Instabilität in der Region sei groß. Vor allem Tadschikistan muss nicht nur einen Flüchtlingsstrom aus Afghanistan, sondern auch die Rache der Taliban fürchten. Als Unterstützer der oppositionellen afghanischen Nordallianz und russischer Verbündeter sind die Folgen eines Fehlschlags für das Land nur schwer absehbar.
Stärker ist nach den Worten Reissners die Position Usbekistans. Doch der autokratische Staatspräsident Islam Karimow hatte sich lange nicht zu den Terroranschlägen geäußert. Reissner vermutet hinter seinem Schweigen eine "Zurückhaltung aus Kalkül". Am Wochenende bot die usbekische Regierung jedoch überraschend den USA an, den Luftraum und das Territorium des Landes für einen Angriff auf Afghanistan zu nutzen. "Wir sind bereit über alle möglichen Formen der Zusammenarbeit in dieser Hinsicht zu sprechen", sagte der usbekische Außenminister Abdulasis Kamilow der "Washington Post". Usbekistan hat es in seiner kurzen zehnjährigen Unabhängigkeit bislang vermieden, sich militärisch zu binden.
Die Angst vor der eigenen islamistischen Bewegung könnte zu diesem Sinneswandel beigetragen haben. Im Februar 1999 kamen bei einer Serie von Bombenanschlägen 19 Menschen ums Leben. Die Islamisten kämpfen in Usbekistan für einen unabhängigen Staat in der Ferghana-Region, der auch Teile der angrenzenden Staaten Kirgistan und Tadschikistan umfassen soll. Es wird vermutet, dass die islamischen Kämpfer in Afghanistan von den Taliban ausgebildet werden und mit der Organisation des Hauptverdächtigten für die Anschläge in den USA, Osama Bin Laden, zusammenhängen.
Herrschaft nach altem Muster
Mit Islamisten hat der turkmenische Staatschef Sapamurat Nijasow die geringsten Probleme. Er hatte den USA bereits kurze Zeit nach dem Anschlag, die Unterstützung seines Landes zugesichert. Turkmenistan werde eine "antiterroristische Koalition" unterstützen und sich auch daran beteiligen. Zentralasien-Experte Reissner bezeichnete die Zusage Nijasows zunächst nur als Aussage. Man müsse sehen, was darauf noch folge. In der Tat überrascht die Haltung Turkmenistans, das als einziges Land in der Region Beziehungen zum Taliban-Regime in Afghanistan unterhielt.
In Turkmenistan haben sich alte sowjetische Strukturen noch am besten erhalten. Nijasow regiert als so genanntes "Oberhaupt aller Turkmenen" (Turkmenbaschi) uneingeschränkt. Auch die "Wahlergebnisse" von 99 Prozent und mehr erinnern an alte Zustände. Nijasow, wie auch Usbekistans-Staatschef Karimow und der tadschikische Staatschef Emomali Rachmonow entstammen alten sowjetischen Kadern. Von einer wirklichen Demokratisierung in diesen Ländern kann bislang keine Rede sein. Oppositionelle - nicht nur Islamisten - werden in diesen Ländern unterdrückt.
© 2001 Financial Times Deutschland