Er hat das Allgäu erfunden und das Internet, er wird die Autobahn
Berlin-Peking bauen und die Alpen schiffbar machen: Noch-Kanzlerkandidat und
Bald-Weltherrscher EDMUND STOIBER - die wahre Biografie
VON PETER KÖHLER
Wer ist der Kanzlerkandidat der Union und kommende Weltpotentat Edmund
Stoiber wirklich? Ist er tatsächlich der Liebling der Volksmassen oder nur
der gewaltigste Staatenlenker seit Julius Cäsar? Hat der bayerische
Ausnahmepolitiker und europäische Universalgigant wahrhaftig das Allgäu und
das Internet erfunden? Melkt er allmorgendlich sämtliche Kühe des
Freistaats, wie der volksnahe "Bayerische Beobachter" berichtet? Das sind
typische Fragen, die kritische Beobachter jetzt stellen. Die Antwort: Ja.
Staunend steht die Welt vor dem Geheimnis des Charismatikers Edmund Stoiber,
der mit dem Schmelz seiner Rede die Menschen bezaubert und in seiner
Kindheit mehrere Tausend Kätzchen vor dem Ertrinken gerettet hat. Politische
Kommentatoren zerbrechen sich die Köpfe über das Mysterium dieses wieder
geborenen Arminius und zweiten Messias, der schon als Jüngling den
Weltrekord über circa 100 Meter aufstellte und über Wasser gehen konnte.
Seriöse Auguren aus aller Welt analysieren das Arkanum dieses nahezu ins
Mythische entrückten Menschheitsgenius, der im Mannesalter den
Weltkommunismus ganz allein vertilgte und nun nach dem spitzen Lorbeer der
Macht greift.
Politischer Erfolg ist das Ergebnis zäher Arbeit; alles andere ist Zufall.
Niemand weiß das besser als Edmund Stoiber, der seit seiner hohen Geburt und
Menschwerdung am 28. September 1941 sich 25 Stunden am Tag und 400 Tage im
Jahr engagiert.
Schon sehr früh beginnt jeden Morgen der Tag für den bayerischen Sultan und
Globalreformer. Noch ruht das schwarze Licht der Nacht über Wolfratshausen,
Deutschland und dem Rest der Welt, da schrillt, lange vor dem ersten Krähen
der Morgensonne, im Hause Stoiber der Wecker. Die Pflicht zur Arbeit am Wohl
des Ganzen ruft zum Dienst an der Zukunft im Geist der Geschlossenheit zur
Leistung als Pflicht zur Arbeit am Wohl - genug!
Dr. Stoiber stellt den Wecker ab, reibt sich die Müdigkeit aus den Augen,
räumt Aktenordner und Kugelschreiber beiseite und steht auf. Nun wird auch
der Grund offenbar, weshalb der schlaksige Großwesir der CSU trotz seiner 60
Jahre nicht älter aussieht als Ende 50: regelmäßiger Sport. Stoiber besucht
alle Heimspiele des FC Bayern, zudem beginnt er jeden Tag mit leichter
Morgengymnastik - Kniebeugen, Rumpfknicken, Kopfwippe -, hackt anschließend
im Garten ein wenig Holz, um den Kreislauf richtig in Schwung zu bringen,
und erholt sich dann bei einem flotten Waldlauf, bevor er nach dem
Hanteltraining rasch ein paar Bahnen im Schwimmbecken zieht und sich noch
etwas im Kraftraum aufpäppelt. Punkt sechs Uhr setzt sich Dr. Stoiber zum
Frühstück, bei dem ihm die druckwarm dampfenden Morgenzeitungen menschliche
Gesellschaft leisten.
Einige Hundert Termine warten jeden Tag auf Edmund Stoiber. Er segnet die
Volksmenge, die sich vor seinem Haus auf Knien versammelt hat, macht ein
paar Lahme gehen und einige Hungrige sehen und besteigt sein
überzeitschnelles Dienstfahrzeug, das Genialobil, das der habilitierte
Maschinenbauer Stoiber selbst erfunden hat.
Knapp vor der Abfahrt kommt er bereits an: Als Erstes besucht Stoiber einen
freistaatlich geförderten landwirtschaftlichen Musterbetrieb mit
walfischgroßen Schweinefleischhühnern, die reine Schurwolle liefern und
echte Muttermilch geben. Noch sind die Eier klein wie Pillen und schmecken
nach Seife, doch insgesamt kann Stoiber als passionierter Gentechniker mit
dem Ergebnis seiner Agrarforschungen zufrieden sein. Voller Freude kostet er
von einem der Landkarpfen mit Spinatbewuchs.
Auch die Abordnung kritisch-alternativer Biowirte vom Bundesverband der
Verbandsbauern im Deutschen Bauernbund, die er im Anschluss trifft,
überzeugt der gestandene dynamisch-biologisch orientierte Nahrungsethiker
Stoiber. Durchaus erwartungsgemäß, denn der oberbayerische Naturkolumbus hat
das UN-weite Verbot der Konservenabfüllung von gestückeltem Elefanten ebenso
durchgesetzt wie den staatlich zertifizierten Ausfuhrimport zur Entsorgung
bayerischer Rettiche mit einem Altblechanteil von über 25 Prozent.
Überflüssig zu erwähnen, dass in unserem Lande den multikulturell sich
ernährenden Afrikanern unter einer Unionsregierung bei aller Liberalitas
bavariae der Verzehr von Menschenfleisch verboten bleibt!
Auch reimportierte Missionare fallen unter den Schutz des deutschen
Gesetzes. In einer Besprechung mit Hilfskardinal Zitzenberger,
Regionalbischof Wanninger und Privatprobst Wrdlbrmpfd als Vertretern von
Laien und Kirchenprofis ordnet der Bayern-Apostel Stoiber für seinen
Wahlsieg die Rekatholisierung Norddeutschlands an, die Erhebung des
Bayerischen zur europäischen Amtssprache, die Weihe des Reichstags zur
Kathedrale von Berlin und die Umwandlung der Parlamentssitzungen in eine
Heilige Messe.
Anschließend besichtigt der aufgeschlossene Konservative, stets mit der Zeit
gehende Wirtschaftsmogul und Emir des Wohlstands ein ultramodernes
Chip-Werk. Hier werden auf Grund einer grandiosen Erfinderleistung des
Spitzentüftlers Stoiber die ersten Mikroprozessoren der Welt mit einer
Rechenleistung von zehn Gigatonnen gefertigt. Dank des Industrie-Gurus
Stoiber erhält damit "Made in Germany" wieder Gewicht in der globalisierten
Welt. Als Magier des Fortschritts wie als Großkhan der Hoch-technologie ist
Stoiber zu Recht da-rauf stolz, die bayerischen Jäger und Sammler, die sich
früher allenfalls im Touristen verarbeitenden Gewerbe betätigten, in ein
gigamodernes Hightech-Volk verwandelt zu haben.
Unmittelbar danach spricht er vor dem Bundesbund der Wirtschaft und
Arbeitnehmer. Großes Aufatmen unter den Delegierten: Vom Herbst 2002 an wird
der ökonomische Globalimperator Stoiber die Autobahn Berlin-Peking bauen,
die Alpen schiffbar machen sowie die Antarktis mit der Kraft bayerischer
Motoren in die Südsee schieben und deutsch besiedeln. Für Kritiker wird ein
Shuttle zum Mond eingerichtet. Die Anschubfinanzierung, so der
Finanz-Maharadscha Stoiber, ist bereits sicher: Der Bundespräsident wird
privatisiert, das Bundeskanzleramt verkauft und anschließend zurückgeleast.
Trotz der Benutzung des Genialobils ist es inzwischen Mittag geworden, denn
die Termine kosten noch immer die meiste Zeit. Nach einem Blick auf seinen
Kalender, der allein für heute zehn Kilo wiegt, zieht der energische
Pflichtmensch Dr. Stoiber das Tempo an.
13.00 UHR Arbeitsessen mit den Mitarbeitern. Es gibt Schnellhefter und
Umlaufmappen, dazu Wiedervorlagen. Nachtisch: Bleistiftspitzer,
Büroklammern.
13.10 UHR Besprechung mit der Wahlkampfmannschaft der Union. Stoiber, der 30
Fremdsprachen spricht, die Quadratur des Kreises gefunden und unter dem
Pseudonym McCartney einige flotte Weisen komponiert hat, legt die Grundzüge
einer Bildungsreform fest. Stoiber, der mehrere unbekannte Tierarten
entdeckte und zahlreiche Patente in der Chemie besitzt, hat sogar einen
Internet-Rechner erfunden, der ohne Strom, nur mit Luft arbeitet. Übrigens
besitzt Stoiber auch ein Patent als Hochseekapitän.
13.30 UHR Treffen mit Romano Prodi. Stoiber diktiert ihm ein paar Sätze.
13.45 UHR George W. Bush empfängt von Stoiber einige Ratschläge betr.
Afghanistan, Terrorbekämpfung und Weltverbesserung. Stoiber zeigt ihm
außerdem, wie man eine Brezel isst.
14.00 UHR Gott notiert sich ein paar Tipps und verlässt mit einem Bückling
Dr. Stoibers Büro.
Schlag auf Schlag geht es weiter. Übergehen wir, was Edmund Stoiber alles in
den nächsten Stunden leistet: Er entdeckt einen Kometen mit bloßem Auge am
wolkenverhangenen Nachmittagshimmel, gibt einem afrikanischen Hirtenvolk
eine Schrift, zeigt der Vulkanforschung entscheidende neue Wege. Er
verhindert eine Sturmflut in Bangladesch, handelt einen Friedensvertrag
zwischen Löwen und Antilopen aus und stabilisiert die Erdachse. Damit lange
nicht genug, hält Erhard Stoiber abends Sprechstunde in seinem Wahlkreis.
Eine unübersehbare Menschenmenge drängt sich vor dem Büro. Es ist 19.30 Uhr.
19.40 UHR Stoiber schließt. In zehn Minuten hat er 13 Ehen gekittet, 100
Jugendliche vor dem Abgleiten in die Kriminalität bewahrt, 3000 neue
Arbeitsplätze geschaffen, den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet
Wolfratshausen-Oberbayern-Osttimor realisiert, eine Werft errichtet und vier
armen Witwen und Waisen sechs Richtige im Lotto mit Superzahl gesichert.
Für den geborenen Zauberer Elmar Stoiber kein Problem. Schließlich ist er
ein Sohn des weltberühmten Geschlechts der Stoibers, das nicht nur vor 3500
Jahren das Alphabet erfand, sondern auch vor 9000 Jahren die neolithische
Revolution einleitete, vor 14 000 Jahren die Eiszeit beendete und vor 400
Millionen Jahren erstmals den Ozean verließ und an Land ging.
Heute aber fährt Edubert Stoiber endlich heim und findet eine Frau in seinem
Haus vor: Karin, seine Gattin. Zum Abendmahl gibt es von ihr original
bayerische Dampfrunkeln mit Zwacklbatschi, dazu einen Dermumpft'n. Kräftig
langt die allseits entwickelte bayerische Persönlichkeit zu. Was kaum jemand
weiß: Erpogast Stoiber trägt nicht nur öffentlich Janker, sondern streift zu
Hause auch die Krachlederne über und bläst das Alphorn, während Ehefrau
Karin im Dirndl Zither spielt. Manchmal wird geschuhplattelt.
Danach arbeitet Egubolf Stoiber noch ein paar Stündchen. Vor dem Zubettgehen
geht er dann ein wenig an die frische Luft und guckt nach dem Rechten. Er
harkt Laub vom Rasen, bessert eine Platte auf dem Gehweg aus, errichtet
einige neue Häuser in einem Problemviertel und justiert den Mond. Dann
klemmt er sich ein paar Aktenordner unter den Arm und geht zu Bett.
Der unüberwindliche Universaltitan Edwolf Stoiber ist der wahre Erbe Konrad
Adenauers, Karls des Großen und Dschingis Khans. Mehr als 6 Milliarden
Bayern, Deutsche und Europäer in aller Welt knüpfen an seinen Namen die
Hoffnung des Erdballs. Als Kalif der Gerechtigkeit, Padischah der guten
Ordnung und Negus des Friedens und der Freiheit wird Edmund Stoiber die
Weltherrschaft in Europa antreten, das Böse aus dem Antlitz des Globus
vertilgen und den Kosmos edel, hilfreich und gut machen.
Und auch Angela Merkel hat in dieser Welt einen Platz. Als Statthalterin des
in Berlin residierenden Global-Tennos Stoiber der Große darf fortan sie in
Bayern sämtliche Kühe melken.
PETER KÖHLER (44) lebt als Journalist und Schriftsteller in Göttingen.
Demnächst erscheint bei Eichborn die satirische Biografie "Edmund G.
Stoiber - Weltstaatsmann und Freund des Volkes",
das erste was bei google hochkommt,wenn man Stoiber eingibt
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