Neue Bilanzregeln erhöhen Kursrisiken

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EinsamerSam.:

Neue Bilanzregeln erhöhen Kursrisiken

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13.05.05 11:19
Verbuchung von Aktienoptionen geändert

Neue Bilanzregeln erhöhen Kursrisiken

Die Umstellung auf den internationalen Bilanzierungsstandard IFRS schmälert nach Analysteneinschätzung die ausgewiesenen Gewinne europäischer Aktiengesellschaften. Hauptgrund sind Pensionslasten, die nach den ab diesem Jahr geltenden Regeln stärker ins Gewicht fallen.

HB DÜSSELDORF. Allerdings sind von dem negativen Effekt vor allem britische Firmen betroffen. Deutsche Konzerne weisen ihre Pensionsverpflichtungen bereits nach den neuen Vorgaben aus. Daher gehören sie zu den Profiteuren der Bilanzumstellung, weil ihnen gleichzeitig der Wegfall der Firmenwertabschreibungen zugute kommt.

Als Konsequenz der Durchschnittsbetrachtung der US-Investmentbank Goldman Sachs erscheint das Kursniveau europäischer Titel im Vergleich zu US-Werten auch nicht mehr so günstig wie zuvor. Goldman Sachs wertete 125 Geschäftsberichte größerer und mittlerer europäischer Konzerne aus.

Laut Studie erhöht der Wegfall der Firmenwertabschreibungen (Goodwill) zwar die Gewinne im Schnitt um zwei bis drei Prozent. Dieser positive Effekt wird aber durch eine realistischere Bewertung von Pensionslasten und die Bewertung von Aktienoptionen für Mitarbeiter als Kosten überkompensiert. Die Pensionslasten verringern die Gewinne um durchschnittlich sechs Prozent, die vor allem bei Technologie-Unternehmen beliebten Kaufoptionen auf Aktien zum Vorzugspreis verringern die Gewinne noch einmal um durchschnittlich ein Prozent. „Damit sind europäische Werte zwar immer noch preiswerter als US-amerikanische Titel“, sagte Marktstrategin Sharon Bell, „aber die Lücke schließt sich ein Stück weit.“ Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, seien europäische Werte jetzt noch um etwa elf Prozent günstiger als US-Titel. Vor Einführung der IFRS-Regeln waren die Europäer 17 Prozent billiger.

Nach den IFRS-Regeln müssen Verwaltungs- und Zinslasten künftiger Pensionszahlungen als Kosten verbucht werden. Größere Deckungslücken tauchen damit zum ersten Mal im vollen Umfang in den Rückstellungen auf. Das trifft derzeit vor allem britische Konzerne. Beim Versorger Centrica etwa verringerten die Pensionslasten den Gewinn pro Aktie um 5,4 Prozent, bei National Grid Transco um knapp 15 Prozent, ermittelte Goldman-Analyst Andrew Mead. Die großen deutschen Unternehmen wie RWE und Eon, aber auch Lufthansa, VW oder Schering haben dagegen bereits vor längerer Zeit die Pensionslasten nach neuer Berechnung eingestellt.

Zweiter Brocken sind die als Kosten verbuchten Aktienoptionen für Mitarbeiter. Neben dem direkten Kostenaufwand haben sie noch einen Effekt auf den Gewinn pro Aktie: Wenn die Kaufoptionen zum günstigen Preis ausgeübt werden und die erworbenen Aktien dann gleich wieder am Markt verkauft werden, erhöht sich die Zahl der gehandelten Aktien eines Unternehmens. Der Gewinn pro Aktie fällt niedriger aus. Beim Pharmakonzern Sanofi-Aventis etwa könnte das den Gewinn pro Aktie um fünf bis sechs Prozent verringern, bei Novartis um etwa drei bis fünf Prozent. Auch bei Schwarz-Pharma und dem britischen Pharmaunternehmen Shire sei mit erheblichen Verwässerungseffekten zu rechnen, fand Goldman-Analyst Mark Tracey heraus.

Positive Auswirkungen auf die Gewinne hat der Wegfall der Goodwill-Abschreibungen. Dieser Posten musste bisher linear abgeschrieben werden. Künftig ist allenfalls eine einmalige Totalabschreibung fällig, wenn sich erweist, dass das gekaufte Unternehmen zu teuer bezahlt war.

Der Goodwill-Effekt kompensiert oft die negativen Auswirkungen der übrigen Faktoren. Das gilt besonders für die Dax-Unternehmen. „Im Schnitt hat er dort die Gewinne um zehn Prozent aufpoliert“, schätzt Analyst Carsten Klude von M.M. Warburg. Die Pensionsrückstellungen sind lange angepasst, doch große Übernahmen wie etwa der 55 Mrd. Euro teure Voicestream-Kauf der Deutschen Telekom müssen nicht mehr abgeschrieben werden.

Die insgesamt negativen Effekte der neuen Bilanzregeln auf europäische Gewinne haben bisher bei den betroffenen Firmen nur geringfügige Kursrückgänge bewirkt. Große Konzerne hätten ihre Anleger schon vorgewarnt, meint Bell. Versteckte Gefahren lauerten vor allem noch bei den weniger beobachteten Nebenwerten. Auch Sven Hayn von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young sagt: „Die wesentlichen Beträge sind bei den großen börsennotierten Konzernen schon eingestellt. Bei kleineren Unternehmen der zweiten Reihe sind noch Überraschungen zu erwarten.“ Das Gros der Mittelständler hat die Bilanzen noch nicht umgestellt.

Im Chaos der Umstellung suchen sich Profis ohnehin ihren eigenen Weg, um die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen zu beurteilen: „Sie blicken weniger auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis und halten sich lieber an den Cash-Flow“, sagt Bell, „und der ändert sich mit den neuen Regeln nicht.“

Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 13. Mai 2005, 09:47 Uhr

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