Lange hat Spanien auf den ersten Auftritt seines neuen Regierungschefs gewartet – und dann trat Mariano Rajoy auf dem ungewohnten Parkett gleich ins Fettnäpfchen. „Wir haben letzten Freitag ein Haushaltsstabilitätsgesetz verabschiedet, am nächsten Freitag ist die Finanzreform dran, dann die Arbeitsmarktreform. Sie wird mich einen Generalstreik kosten“, vertraute Rajoy auf dem EU-Gipfel seinem finnischen Kollegen Jirki Katainen an.
Foto: picture alliance / Horst Ossinge/dpa Eine Bettlerin auf einer Straße in Barcelona: Die Schuldenkrise hat viele Spanier in die Armut getrieben
Dass die Fernsehkameras da noch munter weiterliefen, war dem Spanier nicht bewusst. Seitdem ist der finnisch-spanische Polittalk ein Renner auf Youtube. Endlich einmal hatte Rajoy Klartext geredet – in der Heimat unterlässt er das ja normalerweise tunlichst.
Eines hat er aber doch schon ganz offiziell zugegeben: dass Spanien sein Wachstumsziel von 2,3 Prozent für 2012 wohl verfehlen wird. Eine Überraschung ist das nicht. Wo soll Wachstum herkommen, wenn die Arbeitslosenquote bei 22,9 Prozent steht und überall im Lande Milliarden eingespart werden? Im letzten Quartal 2011 schrumpfte die Wirtschaftsleistung bereits um 0,3 Prozent, bis Mitte 2013 erwarten Unternehmer und Wirtschaftsexperten keine Besserung.
„Auf den Straßen sieht man immer mehr Elend, im zweiten Halbjahr wird es noch schlimmer, dann drohen uns griechische Verhältnisse“, sagt ein hochrangiger Vertreter eines Wirtschaftsverbands. Bisher halten sich die Proteste in Grenzen. Mal gehen die Lehrer auf die Straße, mal das Krankenhauspersonal. Generalstreiks wie 2010 unter den Sozialisten hat es noch nicht gegeben. Aber die Uhr tickt.
Denn inzwischen leben elf Millionen Spanier an der Armutsgrenze – sie müssen mit weniger als 500 Euro im Monat auskommen. Und die Aussichten sind düster. Die spanische Notenbank rechnet mit einer tiefen Rezession und damit, dass das Heer der Arbeitslosen um eine weitere halbe Million auf fast 5,8 Millionen ansteigt. Das europäische Netzwerk gegen die Armut forderte die Regierung bereits auf, von der strengen Sparpolitik abzulassen und die Wirtschaft mit Investitionen anzukurbeln.
Spaniens Wohlfahrtsstaat in Gefahr
Doch die Kassen sind leer. Valencia musste die Gehälter seiner 150.000 Beamten um zehn Prozent kürzen und zahlt keine Sozialabgaben mehr. In anderen Regionen sieht es nicht besser aus. Bilder von frierenden, mit Decken behängten Schülern, die ohne Heizung in der Schule sitzen, machten im Januar die Runde im Internet. „Spaniens Wohlfahrtsstaat ist gefährdet“, fürchtet Wirtschaftsminister Luis de Guindos.
www.welt.de/wirtschaft/article13847816/...e-Verhaeltnisse.html