Neuwagenverkauf bricht ein in Japan
Der Verkauf von Neuwagen ist in Japan um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Nach dem Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami ist die Kauflaune der Japaner auch im April noch merklich gedämpft. Zudem wurden viele Fabriken von Autobauern und Zulieferern vollständig zerstört.
Tokio - Insgesamt seien im April 108.824 Pkw, Lastwagen und Busse verkauft worden, teilte der Verband der japanischen Automobilhersteller am Montag in Tokio mit. Das seien 51 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Nicht berücksichtigt seien Kleinwagen unter 660 Kubikzentimeter Hubraum.
Die Verkaufszahlen gingen den achten Monat in Folge zurück, wie schon im März war dies jedoch vor allem auf das Erdbeben und den Tsunami vom 11. März zurückzuführen.
Nach den Naturkatastrophen war die japanische Autoproduktion um mehr als die Hälfte zurückgegangen, weil mehrere Zulieferfirmen wichtiger Bauteile schwer von Erdbeben und Tsunami getroffen worden waren. Im Katastrophengebiet befinden sich zahlreiche Fabriken. Zugleich wurde die Kauflaune der Japaner durch Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe erheblich getrübt.
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Auch dem Westen droht jetzt Jobexport
Der Japan-Tsunami hat die enggetaktete Just-in-Time-Produktion weggespült. Jetzt wird den Managern vor Augen geführt, dass ihr Fertigungsplan nur ein Konzept für den Schönwetterbetrieb ist - und den Arbeitnehmern, dass deshalb noch mehr Betriebe ihre Produktion in das Ausland verlagern könnten.
Hamburg - Vorsichtige Mahnungen erweisen sich beim Blick zurück manchmal als prophetisch: "Der wachsende Einfluss von Desastern multipliziert das operative Risiko vieler Firmen", warnte Lieferkettenexperte Dirk de Waart. Vor vier Jahren. Am 11. März traf die akademische Prophezeiung durch des Erdbebens in Japan aus der Sicht global tätiger Firmen mit schier unvorstellbarer Wucht ein. Bei Flugzeugbauern, Autoherstellern, Smartphone-Fabrikanten und Halbleiterfirmen wurden die Einkaufsmanager eilig durch ganze Krisenstäbe ersetzt.
In Europa sind noch gar nicht alle Schockwellen des Lieferketteninfarktes angekommen, da beginnt schon eine lebhafte Debatte in der Industrie: Wie kann das Just in Time-Konzept - das ironischerweise Toyota, eines der größten Opfer des Erdbebens, zum Industriestandard erhoben hatte - angepasst werden? Hat es überhaupt irgendwelche Überlebenschancen in einer Welt eskalierender Energiepreise?
"In der Industrie räumen einige schon ein, dass wir etwas zu weit gegangen sind und dass wir dieses Konzept noch einmal überprüfen müssen", gibt Jim Lawton zu, der Vizepräsident bei D&B Supply Management Solutions, das zum Geschäftsdaten- und Lieferketten-Spezialisten Dun & Bradstreet gehört.
Das Timing dieser Erkenntnis könnte kaum besser sein. Denn sie kommt zu einer Zeit, in der das Institute of Supply Management bei US-Firmen eine rekordniedrige Vorratshaltung registriert und damit deutlich macht: Minimierte Kosten, unterstützt durch extrem schlanke Hochregale, haben seit vielen Jahren das Denken der Firmenstrategen in Europa, Amerika und Asien beherrscht. Andere wichtige Überlegungen - wie die Versorgungssicherheit - traten dabei oft in den Hintergrund. Und das bei immer dünner gestrickten Netzwerken rund um den Globus sowie einer wachsenden Zahl von Naturkatastrophen.
Annahmen zu optimistisch
Japan hat diese effizienzlastige Kalkulation nun erschüttert, es hat die Toyota-Formel von schlanken Lagern, reduzierter Mittelbindung und optimierten Gewinnen gehörig ins Wanken gebracht. Das zeigen die ersten Eingeständnisse von Logistikexperten und genervten Finanzvorständen. "Unsere Idee von der Versorgung global aufgestellter Unternehmen beruht auf optimistischen Annahmen, die ein einziges Erdbeben zu erschüttern vermag", kritisiert Loren Thompson, der Materialflussexperte im Lexington Institute, ein Think Tank in Arlington, Virginia.
Thompson ist nicht allein mit diesem Befund. "Wir haben unsere Lieferanten zu sehr konsolidiert", urteilt selbstkritisch der Chefökonom Sean McAlinden beim Center for Automotive Research in Ann Arbor, Michigan, "wir haben nicht nur die Teile für zu viele Automodelle verwendet, wir haben auch Autos für regionale Geschmäcker mit Teilen aus aller Welt gefertigt, davon werden wir teilweise zurückrudern".
Auch am Ort des Schreckens, in Japan, sind solche Töne zu hören: "Wir hätten Sicherheiten einbauen müssen, sodass ein einzelnes Teil nicht ganze Fabriken zum Erliegen bringen kann", sagt der Wirtschaftsprofessor Kenneth Grossberg an der Waseda-Universität in Tokio. "Just in Time ist ein gutes Konzept für den Schönwetterbetrieb, aber nicht für turbulente Zeiten", räumt auch der Geschäftsführer Tetsuji Morino bei dem Versorgungs- und Printspezialisten Dai Nippon Printing in Tokyo ein. "Japan war ganz klar ein Weckruf", bestätigt Clyde Prestowitz, der Präsident des Economic Strategy Instituts in Washington.
Die Verletzbarkeit hoch organisierter und wie Laufsteg-Models abgemagerter Lieferketten wurde nach dem 11. März ganzen Industrien durch extreme Beispiele vor Augen geführt. Boeings Dreamliner - die 787 - bezieht 35 Prozent der Teile aus Japan, elf Flugstunden über den schier endlosen Pazifik. Der Waferspezialist Shin-Etsu Chemical, dessen beschädigte Fabriken in Shirakawa und Utsunomiya 25 Prozent des globalen Angebots für Siliziumscheiben produzieren, sorgte bei Flugzeugherstellern, Autoproduzenten und Handy-Firmen für schweißtreibende Sonder-Schichten der eilig einberufenen Krisenstäbe.
Ebenso der japanische Lieferant Kureha, der 70 Prozent des globalen Angebots eines wichtigen Spezialklebers für Smartphones, Tablet-Computer und Pkw-Batterien produziert. Und fehlende Sensoren von Hitachi Automotive Systems sorgten für Produktionskürzungen bei Autoherstellern bis nach Spanien, Deutschland und Frankreich. "Das ist der größte Störfall in der Geschichte der Autobranche", bilanziert schon wenige Wochen nach dem Erdbeben in Japan der Direktor bei Advanced Research Japan in Tokyo, Koji Endo.
Doch was nun? Logistikexperten, Materialfluss-Gurus und erfahrene Einkaufsmanager reichen reichlich Ratschläge herum, die sich alle im Wesentlichen um vier Punkte drehen: Eine geographische Diversifizierung der Lieferketten, größere Vorräte, das rechtzeitige Identifizieren von Notfalllieferanten sowie die sorgfältige Durchleuchtung der zweiten und dritten Ebene in den Lieferketten: Wie steht es um die Lieferanten meiner Lieferanten ? Kaum ein Unternehmen hat sich bisher intensiv darum gekümmert.
Am Ende geht es aber nur um eines: Um eine bessere Abwägung zwischen niedrigen Kosten und hoher Verfügbarkeit, in der möglichen Störungen des Versorgungsbetriebs mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Mike Goldberg, Experte beim Luftfahrt- und Verteidigungsspezialisten Bain & Co., verweist auf die Grenzen dieser Neuausrichtung von Just in Time, hin zu Just in Case. "Es ist ziemlich unrealistisch, große Flugzeugteile von zwei oder mehr Lieferanten zu beziehen, doch bei kleineren und weniger komplizierten Teilen sollte die Anlieferung besser verteilt werden, das Japan-Desaster zwingt die Firmen, intensiver über das Verhältnis zwischen Kosten und Verfügbarkeit nachzudenken".
Etwas umfassender klingt der Rat von Harold Sirkin, einem Partner bei der Boston Consulting Group in Chicago. Sirkin bemängelt, dass viele Firmen "sich zu sehr auf die kurzfristige Minimierung von Kosten konzentrieren, anstatt die Flexibilität zu erhöhen". Das Resultat seien "niedrigere Kosten heute, aber explodierende Kosten bei unerwarteten Ereignissen". Sirkins Rat: Erstens, sich nicht zu sehr von einzelnen Lieferländern abhängig zu machen. Zweitens, die "Risikopunkte" in der Lieferkette zu identifizieren und alternative Versorgungswege beizeiten auszuarbeiten. "Sie müssen den Zeitpunkt von Ereignissen nicht vorhersehen, aber Sie müssen sich vorbereiten", sagt er.
Produktion nach China und Südostasien verlegt
"Wir werden eine Schwächung der Daumeregel sehen, dass keine Vorräte das Beste sind", sagt Paul Martyn vorher. Er ist Vizepräsident bei Bravo Solution, das Software für die Verwaltung und Optimierung von Lieferketten verkauft. Martyn erwartet, dass viele Firmen ihre Vorräte zumindest bis zu einem Zeitraum aufstocken, der für die Aktivierung von Notfalllieferanten benötigt wird. "Apple macht das bereits", lautet sein konkreter Hinweis.
"Es reicht nicht, auf niedrige Kosten in fernen Ländern zu schielen, die Liefernetzwerke müssen der Fertigung zumindest begrenzt folgen, die Nähe zur Nachfrage ist ein entscheidender Punkt", urteilt der Versorgungsspezialist Eamonn Fingleton, der sich intensiv mit Japans Industriestrategie befasst hat. "Das Ausleuchten der Risiken muss zudem tiefer in die Lieferketten hinein reichen", sagt er.
Von der absehbaren geographischen Streuung der globalen Lieferketten dürften vor allem die USA und China profitieren, das machen erste Kommentare von Logistikexperten deutlich. "Japans Lieferanten, vor allem in der Autobranche, haben schon vor dem Erdbeben zunehmend Produktion nach China und Südostasien verlegt, das dürfte sich jetzt beschleunigen", sagt der Sprecher des koreanischen Unternehmens LG Chem, das Batterien für Laptops und Elektroautos herstellt. LG Chem will jetzt mehr koreanische Lieferanten beschäftigen. "Wir haben schon vor dem Desaster über die Verlegung von Produktion in die USA und nach China nachgedacht", gesteht auch Kureha-CEO Takao Iwasaki, "wir werden diese Pläne jetzt forcieren".
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Die Gedanken hier geben nur meine Meinung wider.
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