Die Bilder haben sich wenig verändert: Wie eh und je schleifen abgemagerte Models den letzten Chic über die Laufstege und wie eh und je applaudieren dazu die oberen Zehntausend von Paris bis Mailand, von New York bis München. Doch feine Stoffe und dickes Make-up können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es der internationalen Modebranche schon mal besser gegangen ist.
Dies gilt auch für Deutschland. Seit Jahren ist die Bekleidungsindustrie hierzulande rückläufig. Der deutsche Einzelhandel leidet unter einem steten Rückgang der privaten Ausgaben für Kleidung. Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, eine klare Markenstrategie entwickeln zu müssen, wenn sie langfristig überleben wollen.
Dennoch halten Analysten eine frühzeitige Positionierung bei ausgewählten Modeaktien für sinnvoll. Mit der erwarteten konjunkturellen Erholung im zweiten Halbjahr 2002 wird es auch mit der Bekleidungsindustrie wieder bergauf gehen. Und vereinzelte Werte wie z.B. Gerry Weber, sehen schon jetzt sehr attraktiv aus. Doch woran krankt der Sektor eigentlich genau?
Stagnierender Markt
Die Entwicklung der Branche in Deutschland ist schon seit Jahren von Marktsättigung und Stagnation gekennzeichnet. Der Anteil für Bekleidung am privaten Konsum sank in den letzten Jahren um über fünf Prozent, während die Ausgaben für Wohnen und Freizeit zugenommen haben. Dies führte zu einer Verringerung bei Unternehmen mit Schwerpunkt Bekleidung. Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes verschwanden in der Branche zwischen 1995 und 1998 rund 8000 Betriebe.
Dementsprechend geht auch das Volumen des Bekleidungsmarktes in Deutschland zurück. Der Bundesverband des deutschen Textilhandels schätzt von 60 Milliarden Euro 1998 auf rund 59,7 Milliarden im Jahr 2000. Die größten Textilanbieter in Deutschland sind Karstadt-Quelle KAR.ETR, Otto, C&A und Metro MEO.ETR. Bei allen, außer Otto, war der Textilumsatz im Geschäftsjahr 2000 rückläufig.
Klare Strategie gefordert
Mit der Stagnation wird auch der Wettbewerb immer schärfer. Gefordert sind nun, nach Ansicht der Analysten bei HSBC Trinkhaus & Burckhardt, "klare Marken- und Distributionsstrategien". Viele Hersteller haben erkannt, dass der Trend zu bekannten Marken nach wie vor ungebrochen ist und sich darum auf diese Segmente in ihrer Palette konzentriert. Weiterhin müssen Einzelhändler sich neuen Vertriebskonzepten öffnen, um ihre Marken an den Mann oder die Frau zu bringen. Dazu gehören z.B. die sogenannten Shop-in-Shops, also kleine, auf einen Anbieter ausgerichtete Verkaufsflächen innerhalb eines größeren Ladens.
Und da der Markt für Textilien und Bekleidung nicht mehr die gewohnten Kundenzahlen anziehen kann, sehen Anbieter sich nach anderen Umsatzquellen um. So nehmen beispielsweise Accessoires (Schuhe, Uhren, Lederwaren) eine immer wichtigere Rolle ein. Natürlich sind diese beiden Märkte eng miteinander verzahnt, doch bieten Accessoires nach Ansicht von HSBC ein interessantes Wachstumspotential und eröffnen die "Möglichkeit Umsatzausfälle im Textilbereich zu kompensieren".
Branchensegmente sind unterschiedlich betroffen
Der Modemarkt kann generell in drei Segmente eingeteilt werden: Luxus- oder Couture-Anbieter, Bridge (Luxusanbieter mit Tendenz zum Massenmarkt) und Massenmarkt.
- Luxus/Couture-Anbieter:
Gerry Weber bleibt stärkster Wert
Deutschlands drittgrößter Produzent für exklusivere Damenoberbekleidung,
Gerry Weber GWI.FSE, rangiert ganz oben auf der Hitliste der Analysten. Zum Kauf wird die Aktie von HSBC der Berenberg Bank und der Fortis Bank empfohlen, die WestLB bewertet das Papier mit "Outperform". Das Kursziel bei HSBC, die den Titel für deutlich unterbewertet halten, liegt bei 12 Euro. Die Fortis Bank setzt ihres bei 13 Euro an.
Nach der Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen für 2000/01 letzten Dezember war klar, dass Gerry Weber seine starke Position wieder einmal unter Beweis stellen konnte. Der Umsatz wuchs um 17 Prozent (395 Millionen Euro), das EBIT lag um 20 Prozent höher (36 Millionen). HSBC hält den Auftragseingang von 10 Prozent auf Konzernebene für die Frühjahrs- und Sommerkollektion diesen Jahres für beachtlich. Und bei der Fortis Bank heißt es: "Das Unternehmen hat eine der besten Kostenstrukturen in der Branche. Das gilt auch für die Logistik, die größtenteils ausgelagert ist."
Boss hat noch Potential
Deutschlands wohl bekanntester Modeanbieter Hugo Boss BOS3.ETR konnte bei den Neun-Monats-Ergebnissen einen Umsatz von 910 Millionen Euro und ein EBIT von 178 Millionen vorlegen. Diese Zahlen trafen die Erwartungen der meisten Analysten. Am 18. Februar wird das Unternehmen seine Jahresergebnisse bekannt geben. Da aber bereits 84 Prozent des Umsatzes erzielt wurden, sind keine wesentlichen Überraschungen zu erwarten.
Die Konjunkturschwäche wird das Unternehmen im ersten Halbjahr diesen Jahres allerdings weiter belasten, meint HSBC. Für die Winter- und Herbstkollektion erwarten die Analysten dann einen höheren Auftragseingang. Der aktuelle Kurs reflektiere jedoch in vollem Umfang die kurzfristigen Risiken. Die langfristigen Chancen seien dagegen nur unzureichend eingepreist, so die Anlageexperten. Sie sehen noch Potential für Boss und empfehlen bei einem Kursziel von 29 Euro aufzustocken. Auch Independent Research schließt sich dieser Meinung an und rät "Übergewichten". Die Deutsche Bank und Merrill Lynch empfehlen Boss zum Kauf.
Weitere Rückschläge bei Escada möglich
Bei gehobener Damenmode ist Escada ESC3.ETR mit einem Umsatz von 845 Millionen Euro weltweit führend. Das Unternehmen hat jedoch aus verschiedenen Gründen besonders stark unter den Anschlägen vom 11. September gelitten. Einmal erwies sich die Positionierung der Marke als "Colour of Eleganz" als problematisch (das Zur-Schau-Stellen von Luxus wurde von vielen Kundinnen als pietätlos angesehen) und die starke Abhängigkeit von den Reiseaktivitäten der Kundinnen trug weiter zum Geschäftseinbruch bei. Das Problem war schnell schwarz auf weiß zu erkennen: bei einem Umsatz von vermutlich 845 Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr, lag der EBIT-Verlust bei 11 Millionen. HSBC rechnet für 2002 mit einem Umsatzrückgang von vier Prozent.
Mit einem Umstrukturierungsprogramm soll nun eine Vielzahl von Konzepten auf die Kernmarke konzentriert werden. Bisher sehen die Analysten hier aber noch keine deutlichen Fortschritte und rechnen daher mit weiteren Rückschlägen. HSBC hält Escada für überbewertet und rät zu reduzieren (Kursziel: 20 Euro). In einem Bericht von Ende Dezember empfiehlt die Deutsche Bank die Aktie mit "Market Perform", allerdings nur auf der Grundlage, dass Restrukturierungsbemühungen deutlich erkennbar sind. Independent Research rät "Untergewichten" und CAI Cheuvreux bewertet den Titel mit "Underperform".
Segmentzugehörigkeit für Erholung bedeutend
Schwindendes Konsumentenvertrauen, 11. September, Rückgang der Reiseaktivitäten. Die Gründe für die Krise in der Modebranche sind schnell aufgezählt. Doch wie nach dem Golfkrieg, als die meisten Kurse innerhalb von 18 Monaten wieder ihre Vorkrisenniveaus erreicht hatten, rechnen Analysten auch in der gegenwärtigen Situation mit einer ähnlichen Entwicklung. HSBC erwartet die Erholung jedoch nicht vor dem zweiten Halbjahr diesen Jahres.
Zwei Faktoren werden nach Ansicht der Analysten das Erholungspotential wesentlich bestimmen: 1. der Anteil des eigenen Retail-Geschäfts und 2. die Segmentzugehörigkeit. Die geringe Planungssicherheit macht das Retail-Geschäft in Krisenzeiten besonders anfällig. Großhändler können dagegen langfristiger planen. Am wenigsten leiden wird wohl das Segment Luxus/Couture, gefolgt vom Bridge-Segment, da hier die konjunkturelle Abhängigkeit des Kundenkreises nur begrenzt ist. Dennoch wird sich der Kreis jener Kunden, die nur gelegentlich Luxusprodukte kaufen, bei einer anhaltenden Konjunkturschwäche weiter verringern. Das Segment Bridge weist aufgrund des hohen Anteils von Business-Kleidung eine relative Stabilität auf.
Anders sieht es dagegen auf dem Massenmarkt aus. Hier reagieren Käufer schnell auf konjunkturelle Schwankungen und für die nächsten sechs Monate rechnen Analysten mit weiteren Belastungen. Anleger sollten daher den Grabbeltischen fernbleiben und sich auf die Laufstege zwischen Paris, Mailand und München konzentrieren.