Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation
Präambel
Zur Stärkung des Vertrauens der breiten Öffentlichkeit in die Institutionen des Kapitalmarktes, insbesondere in die Sorgfalt, Integrität und Neutralität der Analysten, Journalisten und anderen Informationsintermediäre im Kapitalmarkt, bekennen sich die Informationsintermediäre mit der Unterzeichnung zur Beachtung des "Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation" sowie zur weiteren Verbreitung des Kodex und akzeptieren die nach diesem Kodex verhängten Sanktionen.
§ 1 Geltungsbereich des Kodex
Zur Beachtung des "Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation" (nachfolgend "Kodex" genannt) können sich verpflichten:
(1) Analysten, Journalisten und alle anderen Personen, die sich gegenüber der Öffentlichkeit wertend, beurteilend oder empfehlend zu Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Währungen oder Derivaten auf diese Anlageformen äußern oder solchen Personen zuarbeiten,
(2) Finanzdienstleistungsunternehmen, Börseninformationsdienste, Redaktionen, Verlage, Sendeanstalten und sonstige Unternehmen oder Institutionen, die Angehörige der unter § 1 (1) genannten Gruppen als Angestellte oder Freie Mitarbeiter beschäftigen oder ihnen im Rahmen einer Sendung, Veröffentlichung oder in sonstiger Weise ermöglichen, sich gegenüber der Öffentlichkeit wertend, beurteilend oder empfehlend zu Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Währungen oder Derivaten auf diese Anlageformen zu äußern,
(3) alle Mitglieder und hauptamtlichen Mitarbeiter von Berufsverbänden oder vergleichbaren Organisationen, die aufgrund ihrer Satzung zur Beachtung der Regeln des Kodex verpflichtet und dessen Sanktionen unterworfen sind,
(4) Anbieter oder Organisatoren von Internet-Diskussionsforen, Chat-Rooms oder vergleichbaren Plattformen.
§ 2 Pflichten der Unterzeichner des Kodex gegenüber Arbeitgebern bzw. Mitarbeitern
(1) Alle Angehörigen der unter § 1 (1) aufgeführten Gruppen sowie alle Mitglieder der unter § 1 (3) aufgeführten Verbände, die den Kodex anerkannt haben (nachfolgend "Unterzeichner" genannt), teilen dies unverzüglich ihrem Arbeitgeber mit und händigen ihm ein Exemplar des Kodex aus, sofern ihm der Kodex nicht bereits bekannt ist. Sie wirken im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hin, dass auch ihr Arbeitgeber den Kodex anerkennt.
(2) Die Unterzeichner verpflichten sich, ihrem Arbeitgeber alle Sachverhalte mitzuteilen, die ihre Fähigkeit, Sachverhalte unbeeinflusst und objektiv zu analysieren oder darzustellen, beeinflussen. Die Unterzeichner verpflichten sich weiterhin, im Falle eines Interessenkonflikts allen Anweisungen oder Verboten des Arbeitgebers Folge zu leisten. Stehen die Anweisungen oder Verbote des Arbeitgebers in Widerspruch zu diesem Kodex, haben sie ihn unverzüglich darauf hinzuweisen.
(3) Die Unterzeichner verpflichten sich, alle monetären und nicht monetären Vergütungen für Dienstleistungen, die sie neben der Vergütung durch den Arbeitgeber erhalten, diesem schriftlich anzuzeigen. Besteht durch die Nebentätigkeit die Gefahr eines Interessenkonfliktes mit den Regeln dieses Kodex, ist der Arbeitgeber berechtigt und im Falle seiner Anerkennung dieses Kodex verpflichtet, den Interessenkonflikt zu beseitigen.
(4) Alle unter § 1 (2) aufgeführten Unternehmen oder Institutionen, die den Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation anerkannt haben, verpflichten ihre Mitarbeiter durch Arbeitsvertrag, Dienstanweisung oder in sonst geeigneter Weise zur Beachtung der Vorschriften des Kodex.
(5) Weiterhin verpflichten sich die Unternehmen oder Institutionen, die den Kodex anerkannt haben, ihre Mitarbeiter nicht an der Beachtung der Regeln des Kodex zu hindern, sie nicht wegen Beachtung des Kodex zu benachteiligen und bei der Beurteilung von Anlagemöglichkeiten keine meinungsbeeinflussenden Weisungen zu erteilen.
(6) Die Führungskräfte der Unternehmen oder Institutionen, die den Kodex anerkannt haben, sind verpflichtet, Untergebene auf Verletzungen des Kodex hin zu kontrollieren und geeignete Kontrollmaßnahmen zur Aufdeckung von Verletzungen zu implementieren.
§ 3 Verschwiegenheits- und Informationspflichten der Unterzeichner des Kodex
(1) Die Unterzeichner haben sämtliche im Rahmen ihrer geschäftlichen Beziehungen von Kunden, Anlegern oder Arbeitgebern erhaltenen Informationen strikt vertraulich zu behandeln, es sei denn, es handelt sich um Informationen über illegale Tätigkeiten des Kunden, Anlegers oder Arbeitgebers.
(2) Die Unterzeichner dürfen die Dienstleistungen, zu denen ihr Unternehmen in der Lage ist, ihre oder die Qualifikation ihres Unternehmens, ihre akademische oder fachliche Ausbildung nicht falsch darstellen.
(3) Alle Sachverhalte, die die Fähigkeit der Kapitalmarktkommunikatoren zu einer unabhängigen und objektiven Analyse beeinflussen können, müssen in geeigneter Weise im Zusammenhang mit der Analyse veröffentlicht werden. Hierzu zählen insbesondere:
Persönliches Eigentum bzw. Inhaberschaft der analysierten Anlageart durch den Unterzeichner oder einen nahen Familienangehörigen im Wert von über 5.000 Euro.
Beteiligung des Arbeitgebers des Unterzeichners an dem Unternehmen, dessen Wertpapiere analysiert und bewertet werden. Hierzu zählen nicht die üblichen Handelsbestände.
Die Mitwirkung des Arbeitgebers des Unterzeichners in einem Emissionskonsortium, das in den letzten drei Jahren vor Publikation der Veröffentlichung an der Emission von Wertpapieren des Emittenten beteiligt war.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers des Unterzeichners, als "Designated Sponsor" oder in einer vergleichbaren Funktion für den Emittenten des Wertpapiers zu wirken.
Sonstige wesentliche Interessen des Arbeitgebers des Unterzeichners am wirtschaftlichen Erfolg des Emittenten der untersuchten Wertpapiere, z.B. durch Mitgliedschaft im Aufsichtsrat etc.
Finanzielle Unterstützung ("Sponsoring") von Sendungen oder Publikationen durch Emittenten von Wertpapieren, Finanzdienstleister oder andere Unternehmen, die am Inhalt der Sendung oder Publikation ein wirtschaftliches Interesse haben.
(4) Anbieter oder Organisatoren von Internet-Diskussionsforen, Chat-Rooms oder vergleichbaren Plattformen verpflichten sich, durch geeignete vertragliche Vereinbarungen mit ihren Kunden sicherzustellen, dass
ihnen jederzeit die tatsächliche Identität der Diskussionsteilnehmer in ihren Angeboten bekannt ist,
sie auf Nachfrage der zuständigen Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden jederzeit die Identität einzelner Diskussionsteilnehmer weitergeben dürfen,
der Inhalt der von ihnen angebotenen oder organisierten Plattformen für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten einschließlich der Adressen der extern angeschlossenen Rechner gespeichert wird.
§ 4 Sorgfaltspflichten der Unterzeichner
Die Unterzeichner
(1) gründen ihre Analysen, Researchberichte, Artikel oder sonstigen Veröffentlichungen auf eine vernünftige und angemessene Basis, gestützt auf geeignete Untersuchungen. Bei der Beschaffung, Auswertung und Darstellung von Sachverhalten wenden sie ein Höchstmaß an Sorgfalt auf, um Fehlschlüsse und fehlerhafte Darstellungen zu vermeiden,
(2) geben grundsätzlich die Quellen für von dritter Seite übernommene Informationen, Prognosen oder andere Daten an,
(3) verwenden Presseberichte nur als Sekundärquelle und nicht als einzige oder primäre Basis der Informations-beschaffung,
(4) zeichnen ihre einzelnen Arbeitsschritte so umfassend auf, dass ihre Empfehlungen von Fachkundigen nachvollzogen werden können,
(5) verpflichten sich, bei ihren Analysen, Researchberichten, Artikeln oder sonstigen Veröffentlichungen zwischen Meinung und Fakten zu unterscheiden und die wesentlichen Risiken einer Investition aufzuzeigen. Für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmte Analysen müssen eine klare Darstellung des Risikoprofils und der grundlegenden Charakteristiken der Investition enthalten,1
(6) verpflichten sich, in besonderem Maße alles zu unternehmen, um ihre Unabhängigkeit und Objektivität bei der Erstellung ihrer Analysen, Researchberichte, Artikel oder sonstigen Veröffentlichungen sicherzustellen,
(7) geben keine direkten oder implizite Garantien über die zukünftige Wertentwicklung der analysierten Anlagemöglichkeit,
(8) stellen den Erfolg eigener Anlagen oder Anlageempfehlungen gegenüber Kunden oder der Öffentlichkeit fair, genau und vollständig dar.
§ 5 Kapitalmarktkommunikatoren und Insiderwissen
(1) Die Unterzeichner nutzen keine Insiderinformationen aus, gleich ob sie zufällig oder im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in den Besitz dieser Informationen gelangen.
(2) Gelangen sie in den Besitz von Insiderinformationen, die aus dem Umfeld des analysierten Unternehmens stammen, weisen sie das Unternehmen darauf hin und fordern es auf, die Informationen unverzüglich - ggf. im Rahmen der Ad hoc-Publizität - zu veröffentlichen.
(3) Auf Basis allgemein zugänglicher Informationen erstellte Analysen stellen keine Insiderinformationen dar. Die bevorstehende Veröffentlichung solcher Analysen kann jedoch, wenn sie voraussichtlich von erheblicher Wirkung auf den Kurs des analysierten Wertpapiers oder die Kurse der auf das Wertpapier bezogenen Derivate sein wird, eine Insidertatsache darstellen, die gem. § 5 (1) dieses Kodex von den Unterzeichnern nicht ausgenutzt werden darf.
(4) Die Unterzeichner beachten die Transaktionspriorität ihrer Kunden und handeln von ihnen analysierte Wertpapiere nicht zwischen dem Zeitpunkt zum Entschluss, die Analyse oder den Artikel zu erarbeiten, und zwei Handelstage nach der Veröffentlichung. Verfolgen sie die Entwicklung eines Wertpapiers dauerhaft, verzichten sie auf jeden Eigenhandel in diesem Papier. Den Kodex anerkennende Finanzdienstleistungsunternehmen dürfen das Wertpapier handeln, wenn geeignete organisatorische Vorkehrungen gegen eine vorzeitige Informationsweitergabe von Research- an Handelsabteilungen ("Chinese Walls") getroffen wurden.
§ 6 Verletzungen des Kodex
Die Unterzeichner schädigen das Vertrauen in die ordnungsgemäße und faire Kapitalmarktberichterstattung und verletzen den Kodex, wenn sie den sich aus den §§ 2 bis 5 ergebenden Pflichten nicht nachkommen oder wenn sie
(1) bei einem überzeichneten Börsengang Aktien zeichnen und in ihr privates Depot nehmen, sofern ihr Arbeitgeber Mitglied des Emissionskonsortiums ist,
(2) am Friends & Family-Programm oder vergleichbaren Aktionen einer Aktiengesellschaft teilnehmen, über die sie berichten,
(3) unangemessen teure Geschenke oder Dienstleistungen von Unternehmen annehmen, deren Wertpapiere sie analysieren. Als unangemessen gelten Geschenke oder Dienstleistungen mit einem Gegenwert von mehr als 100 Euro,
(4) sich vom Verhältnis ihres Arbeitgebers zum analysierten Unternehmen beeinflussen lassen,
(5) sich in ihrer Unabhängigkeit durch ihr Vergütungsschema beeinflussen lassen,
(6) die Renditeaussichten oder die Geschäftsentwicklung eines Unternehmens vorsätzlich unrealistisch, d.h. unangemessen positiv oder negativ beurteilen.
§ 7 Überwachung der Einhaltung des Kodex
(1) Die Überwachung der Einhaltung des Kodex obliegt dem Beirat für Kapitalmarktkommunikation, der beim Bundessaufsichtsamt für den Wertpapierhandel eingerichtet wird.
(2) Dem Beirat für Kapitalmarktkommunikation gehören an:
a) der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel oder ein von ihm benannter Beamter des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel mit Befähigung für das Richteramt (als Vorsitzender),
b) je ein Vertreter jedes Berufsverbandes der Analysten, der den Kodex für seine Mitglieder für verbindlich erklärt hat, bis zu einer Obergrenze von drei Vertretern,
c) ein Vertreter des Deutschen Presserates,
d) ein Vertreter der Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute, die den Kodex für ihre Mitarbeiter für verbindlich erklärt haben,
e) ein Vertreter der Verlage oder Sendeanstalten, die den Kodex für ihre Mitarbeiter für verbindlich erklärt haben,
f) ein Vertreter eines Anlegerschutzverbandes,
g) ein Vertreter der börsennotierten Emittenten sowie
h) ein wissenschaftlich ausgewiesener Kapitalmarktexperte.
(3) Die Mitglieder unter b) und c) werden von dem satzungsgemäß zuständigen Gremium ihres jeweiligen Verbandes benannt. Die Mitglieder unter d) und e) werden von den Unternehmen, die den Kodex anerkannt haben, aus ihrer Mitte auf die Dauer von drei Jahren gewählt. Die Mitglieder unter f) bis h) werden vom Bundesminister der Finanzen auf die Dauer von drei Jahren berufen.
(4) Für jedes Mitglied des Beirats ist nach dem in Abs. 2 bestimmten Verfahren ein Vertreter zu benennen, der im Falle der persönlichen oder dienstlichen Befangenheit oder Verhinderung eines der Mitglieder dessen Aufgabe übernimmt. Der Vertreter darf nicht beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sein wie das ordentliche Mitglied.
(5) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation beschließt mit einfacher Mehrheit eine Geschäftsordnung, die seine Arbeit im Rahmen der Anwendung des Kodex regelt.
(6) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist berechtigt, von allen Unterzeichnern, die den Kodex anerkannt haben, Unterlagen anzufordern, die zur Klärung eines strittigen Sachverhaltes beitragen können. Hierzu zählen auch Depot- und Kontounterlagen der Personen, über deren Verhalten der Beirat für Kapitalmarktkommunikation zu befinden hat.
(7) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist verpflichtet, die Unterlagen über ein Ver-fahren und über die verhängten Sanktionen zu archivieren.
(8) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation kann bei begründetem Verdacht auch auf Hinweis von Anlegern oder sonstigen Dritten tätig werden.
(9) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation veröffentlicht einmal jährlich im Rahmen des Jahresberichtes des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen einen Bericht über seine Arbeit.
§ 8 Sanktionen bei Verletzungen des Kodex
(1) Der mit der Überwachung der Einhaltung des Kodex beauftragte Beirat für Kapitalmarktkom-mu-nikation ist berechtigt, potenziellen Verstößen gegen den Kodex nachzugehen und nachgewiesene Verstöße zu ahnden.
(2) Je nach Art und Schwere des Verstoßes können folgende Sanktionen verhängt werden:
Schriftliche Verwarnung: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation setzt den Arbeitgeber des Schuldigen und die (relevanten) Verbände, bei denen der Schuldige Mitglied ist, von der Verwarnung und dem Inhalt der Verwarnung in Kenntnis.
Abschöpfung eines unredlich erzielten Gewinns: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist befugt, den durch den Verstoß gegen den Kodex dem Schuldigen zugeflossenen Gewinn abzuschöpfen.
Bußgeld: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist berechtigt, über die Abschöpfung des Gewinnes hinaus ein Bußgeld bis in Höhe des durch den Verstoß gegen den Kodex dem Schuldigen zugeflossenen Gewinns zu verhängen. Wird kein Gewinn abgeschöpft, kann das Bußgeld maximal 50.000 Euro bei natürlichen Personen und 500.000 Euro bei Unternehmen oder anderen Institutionen betragen.
Übernahme der Verfahrenskosten: die Kosten des Verfahrens trägt im Falle eines Schuldspruchs der Schuldige, sonst der Beirat für Kapitalmarktkommunikation. Die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber des Schuldigen oder einen anderen Dritten ist nicht zulässig.
Verlust von Verbandsbezeichnungen: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist berechtigt, den (relevanten) Verbänden, in denen der Schuldige Mitglied ist, die zeitlich begrenzte oder endgültige Aberkennung der von den Verbänden dem Schuldigen verliehenen Titel zu empfehlen bzw. - soweit die jeweiligen Verbände den Kodex anerkannt haben - den Titel verbindlich zu entziehen.
Ausschluss aus Verbänden: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist befugt, den (relevanten) Verbänden, in denen der Schuldige Mitglied ist, dessen zeitlich begrenzten oder endgültigen Ausschluss zu empfehlen bzw. - soweit die jeweiligen Verbände den Kodex anerkannt haben - den Ausschluss verbindlich zu erklären.
Aberkennung der Nutzung des Kodex als Gütesiegel: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist befugt, dem Schuldigen zeitlich begrenzt oder dauerhaft zu untersagen, mit der Anerkennung des Kodex für Kapitalmarktkommunikation für sich zu werben. Ein zeitlich begrenztes Werbeverbot berechtigt den Schuldigen nicht dazu, während dessen Gültigkeit gegen die Regeln des Kodex zu verstoßen.
(3) Der abgeschöpfte Gewinn sowie etwa erhobene Bußgelder fließen dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel zu.
(4) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation setzt den Arbeitgeber des Schuldigen von den verhängten Sanktionen in Kenntnis.
(5) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist verpflichtet, ihm vorliegende Unterlagen bei Verdacht auf das Vorliegen einer Straftat an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiterzuleiten. Der Schuldspruch durch den Beirat für Kapitalmarktkommunikation schließt eine öffentliche Anklage durch staatliche Instanzen nicht aus.
2 Begründung des "Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation"
Erläuterung zu § 1:
Geltungsbereich des Kodex
§ 1 des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation enthält eine genauere Abgrenzung der Personengruppen bzw. der Unternehmen und Institutionen, denen der Kodex als verbindliche Handlungsanweisung dienen soll. Es wurde bewusst keine abschließende Aufzählung von Berufsgruppen gewählt, sondern eine funktionale Abgrenzung: "alle ... Personen, die sich gegenüber der Öffentlichkeit wertend ... zu Aktien ... äußern". Da dies besonders, aber nicht ausschließlich auf Analysten und Journalisten zutrifft, werden diese beiden Gruppen explizit erwähnt; allerdings soll der Kodex auch für alle anderen Personen gelten, die die o.g. Bedingung erfüllen. Dies bedeutet auch für die weder den Analysten noch den Journalisten zuzurechnenden "Gurus" bzw. "Tippgeber", dass sie den Kodex anerkennen können und sich entsprechend zu verhalten haben bzw. dass sie bei Nichtanerkennung des Kodex u.U. einen Vertrauensverlust erleiden.
Auch Personen mit Assistenzfunktion werden ausdrücklich erfasst.
Der Kodex kann in dreifacher Weise für einzelne Personen Wirksamkeit erlangen: der Betreffende kann ihn selbst anerkennen (§ 1 (1)), sein Arbeitgeber kann ihn anerkennen und im Rahmen arbeitsvertraglicher Regelungen verbindlich machen (§ 1 (2)), und der Berufsverband, in dem die betroffene Person Mitglied ist, kann den Kodex für seine Mitglieder im Rahmen der Satzung des jeweiligen Verbandes verbindlich anerkennen (§ 1 (3)).
§ 1 (4) des Kodex erfasst darüber hinaus die Anbieter oder Organisatoren von Kommunikationsplattformen im Internet, die sich in der Vergangenheit durch intensive, aber nicht in jedem Fall fach- und sachgerechte Diskussionen zu einzelnen Papieren ausgezeichnet haben.
Durch die weite Ausgestaltung des § 1 des Kodex wird sichergestellt, dass er
möglichst alle Gruppen von Kapitalmarktkommunikatoren
durch möglichst viele verschiedene "Anerkennungswege"
erfasst. Gegenüber den bisher bekannten Kodizes unterscheidet er sich durch die funktional definierte und somit inhaltlich umfassendere, weil nicht auf einen Berufszweig oder einen Verband beschränkte Gültigkeit sowie durch ein mehrdimensionales Anerkennungssystem, das die betroffenen Personen auf unterschiedlichen Ebenen erfasst. Damit besteht die Chance, bei Anerkennung durch die wichtigsten Arbeitgeber bzw. Verbände eine "flächendeckende" Gültigkeit des Kodex zu erreichen. Neu ist hierbei der Ansatz einer verbandsübergreifenden Wirksamkeit.
Erläuterung zu § 2:
Pflichten der Unterzeichner des Kodex gegenüber Arbeitgebern bzw. Mitarbeitern
§ 2 (1) des Kodex verpflichtet die persönlich sowie von ihrem Berufsverband verpflichteten Unterzeichner, ihren Arbeitgeber von ihrer Anerkennung sowie vom Inhalt des Kodex in Kenntnis zu setzen und darauf hinzuwirken, dass der Arbeitgeber selbst den Kodex - im Sinne einer weiteren Verbreitung - ebenfalls anerkennt.
§ 2 (2) enthält die Verpflichtung der Unterzeichner, ihren Arbeitgeber auf eventuelle Interessenkonflikte zwischen den Regeln des Kodex und ihrer Aufgabenerfüllung oder Anweisungen des Arbeitgebers hinzuweisen. Nach Hinweis auf den Interessenkonflikt hat die explizite Anweisung des Arbeitgebers - im Rahmen des gesetzlich Erlaubten - Vorrang.
§ 2 (3) konkretisiert die Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber bei nebenamtlichen Tätigkeiten mit monetärer oder nichtmonetärer Vergütung sowie das Recht (bzw. bei Anerkennung des Kodex die Pflicht) des Arbeitgebers, einen möglichen Interessenkonflikt zu beseitigen. Ob der Arbeitgeber dies durch Verbot der Nebentätigkeit, Änderung der internen Aufgabenzuweisung oder andere geeignete Maßnahmen sicherstellt, bleibt seinem sachgemäßen Ermessen überlassen und muss im Rahmen des Kodex nicht explizit geregelt werden.
§ 2 (4) verpflichtet die Unternehmen, die den Kodex in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber anerkannt haben, durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Beachtung des Kodex durch ihre Mitarbeiter sicherzustellen. Es bietet sich an, dies im Rahmen der von den Finanzdienstleistungsinstituten ohnehin festzulegenden Compliance-Richtlinien zu tun. Zahlreiche Redaktionen haben in ihren Redaktionsstatuten ebenfalls bereits entsprechende Regelungen aufgenommen, die u.U. nur zu modifizieren sind. In welcher Weise die Bestimmungen des Kodex intern umgesetzt werden, ist eine organisatorische Frage und kann im Kodex nicht für alle betroffenen Unternehmen einheitlich geregelt werden.
§ 2 (5) stellt sicher, dass den Mitarbeitern von den Kodex anerkennenden Unternehmen durch die Befolgung des Kodex keine Nachteile entstehen und dass sie keine dem Kodex widersprechenden Weisungen erhalten.
§ 2 (6) verpflichtet die Vorgesetzten der den Kodex anerkennenden Unternehmen, die Einhaltung des Kodex auch durch die Mitarbeiter zu kontrollieren und geeignete Kontrollverfahren zu schaffen. Auch dies betrifft in der konkreten Ausgestaltung die spezifische Organisationsstruktur der Unternehmen und kann im Kodex nicht detailliert geregelt werden.
Erläuterung zu § 3:
Verschwiegenheits- und Informationspflichten der Unterzeichner des Kodex
§ 3 (1) enthält Anweisungen zur vertraulichen Behandlung von Informationen, sofern diese nicht illegale Tätigkeiten von Anlegern, Kunden oder Arbeitgebern betreffen uns u.U. gesetzliche Aussage- oder sogar Anzeigepflichten bestehen.
§ 3 (2) regelt, dass die Qualifikation und andere wesentliche Eigenschaften des Unterzeichners bzw. des Unternehmens, für das er tätig wird, nicht falsch, also insbesondere nicht übertrieben positiv dargestellt werden.
§ 3 (3) ist ein Kernstück des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation. Hier wird festgelegt, dass eventuell zu Interessenkonflikten zwischen dem Leser der Analyse und dem Verfasser bzw. seinem Arbeitgeber führende Sachverhalte offengelegt werden müssen. Als potentiell zu Interessenkonflikten führende Sachverhalte führt der Kodex - nicht abschließend - auf:
persönlichen Besitz oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 5.000 Euro,
Beteiligung des Arbeitgebers außerhalb üblicher Handelsbestände, d.h. Beteiligungen im Anlagevermögen oder außergewöhnlich hohe Handelsbestände,
die Mitwirkung des Arbeitgebers in einem Emissionskonsortium des Unternehmens, wobei nur Mandate innerhalb der letzten drei Jahre relevant sind,
die Verpflichtung eines Unterzeichners als Betreuer oder Designated Sponsor eines Unternehmens, denn die Betreuerverträge schließen i.d.R. die Verpflichtung zur regelmäßigen Analyse des Unternehmens ein, und für den Leser ist es durchaus relevant, ob es sich um eine vertragsgemäß erstellte oder frei entschiedene Analyse handelt,
Aufsichtsratsmandate und weitere als wesentlich erachtete Interessen des Arbeitgebers; hier ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein Interessenkonflikt vorliegen könnte und ggf. der Sachverhalt zu publizieren,
im Fall von Unterzeichnern aus dem journalistischen Bereich die finanzielle Unterstützung von Sendungen oder Publikationen im Wege des Sponsoring.
Damit folgt der Kodex dem Transparenzprinzip: potentielle Interessenkonflikte lassen sich durch Verbotsregelungen nicht vollständig beseitigen, ohne u.U. einen schweren Schaden für die Funktionsfähigkeit des gesamten Kapitalmarktes zu bewirken, zumal in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden kann, dass die Interessenkonflikte nur theoretisch bestehen und die bereits existierenden Compliance-Regeln einen wirksamen Schutz darstellen, ein vollständiges Verbot also eine völlig überzogene Einengung wirtschaftlichen Handelns wäre. Der Leser einer Analyse oder einer sonstigen Publikation soll jedoch prinzipiell darüber informiert sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es theoretisch zu Interessenkonflikten kommen könnte. Nur dann kann er - als mündiger Anleger - selbst abwägen, welche Bedeutung er diesem Faktor beimisst und ob er ggf. vor seiner Entscheidung weitere Informationen von anderer Seite beschafft und auswertet.
§ 3 (4) verpflichtet die Betreiber und Organisatoren von Diskussions-Plattformen im Internet dazu, jederzeit sicherzustellen, dass die tatsächliche Identität der Personen, die sich in Chat-Rooms oder ähnlichen Foren äußern, den Strafverfolgungsbehörden bei Verdacht auf Kursmanipulation oder Insidervergehen mitgeteilt werden kann. Dies soll verhindern, dass den Kurs eines Wertpapiers oder einer anderen Anlageform manipulierende Äußerungen anonym und damit ohne Aussicht auf eine aussichtsreiche Strafverfolgung erfolgen können. Dieser Absatz dient primär der "Beweissicherung".
Weitergehende Pflichten für die Betreiber oder Organisatoren von Internet-Plattformen sind unpraktikabel. Insbesondere ist es nicht sinnvoll, die Betreiber zu einer inhaltlichen Prüfung und ggf. Korrektur der einzelnen Diskussionsbeiträge zu verpflichten. Zwar ist es - vergleichbar - auch Zeitungsredaktionen prinzipiell möglich, über den vollständigen oder gekürzten Abdruck eingegangener Leserbriefe selbstständig zu entscheiden, doch die Etablierung einer Kontrollpflicht im Internet würde dem Charakter dieses Mediums völlig widersprechen. Eine schnelle und ungezwungene Kommunikation wäre kaum mehr möglich. Andererseits ist es jedem Diskussionsteilnehmer durchaus zuzumuten, an geschützter Stelle - beim Betreiber des Forums - seine Identität zu offenbaren, um somit sicherzustellen, dass gesetzeswidrige, insbesondere kursmanipulative Diskussionsbeiträge eindeutig zugeordnet werden können. Allein dies würde zu einer deutlichen Anhebung der Qualität der Diskussionsbeiträge im Internet führen.
An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass eine isolierte deutsche Regelung wenig Aussicht auf Erfolg hat, da es technisch kein Problem darstellt, entsprechende Internetforen auch aus dem Ausland heraus anzubieten. Zwar können die Anbieter nach der Unterzeichnung des Kodex mit ihm als "Gütesiegel" werben, doch darüber hinaus wäre eine internationale Verständigung auf diese Grundregel anzustreben, um die Ausweichmöglichkeiten zu vermindern.
Erläuterung zu § 4:
Sorgfaltspflichten der Unterzeichner
§ 4 des Kodex verpflichtet die Unterzeichner zur Beachtung von Sorgfaltspflichten bei der Erstellung ihrer Analysen, Artikel und sonstigen Beiträge. Hier ist keine detaillierte Vorschrift über die Anwendung bestimmter Methoden oder Bewertungsverfahren möglich, da dies die Berufsfreiheit nicht nur der Journalisten, sondern auch der Analysten und anderer Unterzeichner unangemessen einschränken würde. Am Kapitalmarkt gibt es kein allgemein anzuwendendes Bewertungsverfahren, sondern eine Vielzahl miteinander konkurrierender Modelle. Insbesondere die Researchabteilungen stehe in einem intensiven Wettbewerb um die Entwicklung neuer, möglichst treffsicherer Analysemethoden. Jede Verfahrensvorschrift würde hier den wissenschaftlichen Fortschritt behindern, ohne den Anlegern zusätzliche Sicherheit zu bieten.
Auch ist die Arbeitsweise von Analysten und Journalisten zu unterschiedlich, als dass ihnen gemeinsame Methodenvorgaben gegeben werden könnten. Detailliertere Vorschriften zu den Methoden, aber auch bereits zur Dokumentation der verwendeten Verfahren sollten daher nicht Gegenstand des berufsübergreifenden Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation sein, sondern auf der Ebene des einzelnen zuständigen Berufsverbandes bzw. des Unternehmens geregelt werden. Die DVFA-Standards für Researchberichte am Neuen Markt können z.B. mit ihrer Verpflichtung zur Offenlegung der verwendeten Analysemethoden, der Herleitung bewertungsrelevanter Größen etc. als Modell für qualitativ gutes Wertpapierresearch dienen. Die Ausdehnung ihrer Gültigkeit auf alle Aktienanalysen wäre daher zu begrüßen. Eine solche Vorschrift wäre für Journalisten - die i.d.R. mit beschränktem Raum auskommen müssen und deren Aufgabe ja in der Verdichtung von Informationen liegt, unpraktikabel, denn sie würde den Medien jede Möglichkeit zu einer kurzen, komprimierten Berichterstattung zu Einzelwerten oder Märkten nehmen.
Aus diesen Gründen können die Informationsintermediäre in ihrer Gesamtheit nicht auf bestimmte Methoden und auch nicht auf deren grundsätzliche Veröffentlichung, sondern nur auf einige grundlegende Verhaltensweisen verpflichtet werden. Hierzu gehören u.a. eine angemessene Sorgfalt bei der Beschaffung und Auswertung von Informationen, eine korrekte Quellenangabe bei übernommenen Daten, das Verbot des Plagiats, eine Dokumentation der Verfahrensschritte, die klare Trennung von Meinung (Vermutung) und Fakten etc.
Die Regel, Presseberichte lediglich als Sekundärquelle und nicht als einzige oder primäre Quelle zu nutzen, soll Inhalt und Qualität der Medienberichterstattung nicht herabwürdigen. Allerdings braucht der Anleger quellennahe Informationen, um sachgerechte Entscheidungen treffen zu können. Insbesondere in euphorischen bis hysterischen Börsenphasen besteht demgegenüber die Gefahr, dass aus Mangel an neuen Informationen bei vermutetem weiter bestehendem "Informationsbedarf" seitens der Leser Journalisten Äußerungen anderer Journalisten als neue Quelle nutzen. Dies kann das Vorliegen neuer Entwicklungen vortäuschen, obwohl tatsächlich keine Änderungen eingetreten sind. Es sollte deshalb zum Standard guter Berichterstattung gehören, andere Berichterstatter zwar ergänzend, nicht jedoch als Hauptquelle heranzuziehen.
Weiterhin fordert § 4 (7) des Kodex, keine offenen oder verdeckten Garantien über bestimmte Kurs- oder Wertentwicklungen abzugeben. In das Ergebnis einer Analyse können stets nur die bis zu ihrem Abschluss bekannten Informationen eingehen. Zu diesem Zeitpunkt notwendigerweise unbekannte zukünftige Entwicklungen können ebenso wie zu ihrem Abschluss noch nicht allgemein bekannte Informationen dazu führen, dass das Ergebnis der Analyse und die tatsächliche Kurs- oder Wertentwicklung sich nicht entsprechen. Außerdem sind auch bei vollständiger Information die Zusammenhänge zwischen bewertungsrelevanten Fakten und Bewertung so komplex, dass eine hundertprozentig zuverlässige Prognose nicht möglich ist. Jede Garantie - sei sie offen gegeben oder aus dem Zusammenhang herleitbar - würde den Leser einer Analyse über die tatsächliche Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Prognose täuschen.
Andererseits muss auch der Nutzer einer Analyse sich der Tatsache bewusst sein, dass am Kapitalmarkt keine Kursentwicklungen garantiert werden können und dass auch eine noch so fundierte Analyse nicht unbedingt eintreffen muss. Analysten können nur die ihnen vorliegenden Informationen auswerten, und jeder Analyst hat auch ein "Recht auf Irrtum" und kann für Fehlprognosen - sofern er methodisch sauber und sorgfältig gearbeitet hat - nicht verantwortlich gemacht werden. Dies insbesondere den privaten Anlegern zu verdeutlichen, ist auch Aufgabe der Analysten, um dies klarzustellen, enthält der Kodex die hier erläuterte Vorschrift, keine Garantien abzugeben.
Erläuterung zu § 5:
Kapitalmarktkommunikatoren und Insiderwissen
§ 5 des Kodex regelt den Umgang von Informationsintermediären mit Insiderinformationen. § 5 (1) ist lediglich eine Klarstellung der bereits im WpHG definierten Verbote, Insiderinformationen auszunutzen. Als "Ausnutzen von Insiderwissen" ist dabei sowohl ein eigenes Handeln wie auch die Empfehlung zum Handel an Dritte zu verstehen. Um auch nur den Anschein des Verdachts auf unredliches Verhalten zu vermeiden, wird darüber hinaus klargestellt, dass auch zufällig - also nicht bestimmungsgemäß im Rahmen der beruflichen Tätigkeit - in den Besitz des Informationsintermediärs gelangte Insiderinformationen nicht ausgenutzt werden dürfen. Es liegt im Interesse der Informationsintermediäre selbst, durch eine gegenüber dem WpHG schärfere Selbstverpflichtung zur Vertrauensbildung beizutragen.
§ 5 (2) des Kodex enthält die Verpflichtung, Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, wenn sie dem Informationsintermediär Insiderinformationen haben zukommen lassen, und auf eine unverzügliche Veröffentlichung zu drängen. U.U. ist es dem Unternehmen gar nicht bewusst, insiderrelevante Informationen weitergegeben zu haben. In diesem Fall ist es eine Frage der Integrität des Kapitalmarktkommunikators, das Unternehmen hierüber zu informieren. Je eher die Insiderinformation öffentlich gemacht wird, desto eher darf der Analyst oder Journalist sie auch in seine Arbeit einfließen lassen.
In § 5 (3) des Kodex wird explizit klargestellt, dass auch Insidertatsachen, die durch die Anfertigung einer Analyse aufgrund allgemein bekannter Informationen entstehen, nicht vom Informationsintermediär zum eigenen Handel oder durch Weitergabe an Dritte ausgenutzt werden.
§ 5 (4) des Kodex etabliert die Transaktionspriorität des Kunden: der Analyst oder Journalist verzichten auf eigenen Handel in dem analysierten Papier zwischen dem Zeitpunkt zur Erstellung der Analyse bzw. des Artikels und zwei Handelstagen nach der Veröffentlichung. Damit ist sichergestellt, dass während der Analyse gewonnene Informationen, die bei Publikation kursrelevant sind, nicht ausgenutzt werden können. Werden bestimmte Papiere kontinuierlich beobachtet, ist der Besitz dieser Papiere auch dauerhaft untersagt. Detailliertere Regelungen zur organisatorischen Umsetzung dieser Vorschrift sind auf Unternehmens- bzw. Verlags-/Redaktionsebene zu treffen. Dies gilt z.B. auch für die Vorgehensweise im Falle eines unbeabsichtigten Inbesitzerlangens beobachteter Papiere, etwa im Rahmen einer Erbschaft.
Satz 3 stellt klar, dass das Verbot des Eigenhandels nicht für den Kodex anerkennende Unternehmen gilt, wenn sie geeignete Compliance-Maßnahmen ("Chinese Walls") ergriffen haben, um einen unzulässigen Informationsfluss zwischen Research- und Handelsabteilungen zu unterbinden. Andernfalls wären insbesondere deutsche Finanzdienstleistungsinstitute gezwungen, entweder auf Wertpapierresearch oder auf eigenen Handel zu verzichten. Eine dermaßen restriktive Vorschrift wäre für den Finanzplatz Deutschland eine Katastrophe, da eine Bank mit einem "unvollständigen" Dienstleistungsangebot im internationalen Wettbewerb erhebliche Nachteile zu gewärtigen hätte. Wahrscheinlich wäre die sofortige und vollständige Abwanderung der gesamten Researchaktivitäten nach London die Folge einer solchen überzogenen Regelung.
Erläuterung zu § 6:
Verletzungen des Kodex
§ 6 listet eine Reihe von Verhaltensweisen auf, die als vertrauensschädigend gelten und daher als Verstoß gegen den Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation gewertet werden müssen. Hierzu zählt die eigene Zeichnung bei einer überzeichneten Neuemission, wenn der eigene Arbeitgeber Mitglied des Emissionskonsortiums ist, die Teilnahme an einem Friends & Family-Programm des analysierten oder seitens eines Journalisten beobachteten Unternehmens, die Annahme von Geschenken oberhalb einer Bagatellgrenze von 100 Euro, die Berücksichtigung weiterer Geschäftsverbindungen des Arbeitgebers zum analysierten Unternehmen, eine die Unabhängigkeit beeinträchtigende Vergütungsstruktur (z.B. die Abhängigkeit der Vergütung des Analysten von Provisionseinnahmen aufgrund der erstellten Analysen), sowie die vorsätzlich unrealistische Darstellung der Renditeaussichten oder Geschäftsentwicklung des analysierten Unternehmens.
Diese Verbotsvorschriften sollen sicherstellen, dass durch entsprechende Verhaltensweisen keinesfalls auch nur Zweifel an der Unabhängigkeit der Informationsintermediäre aufkommen können. Sie wurden aus der Überzeugung abgeleitet, dass es gerade für Informationsintermediäre am vertrauenssensiblen Kapitalmarkt wichtig und richtig ist, nicht nur die bestehenden Gesetze zu beachten, sondern darüber hinaus jeden Anschein zu vermeiden, der Zweifel an der Integrität aufkommen lassen könnte. Die hierin liegende Selbstbeschränkung bedeutet zwar einerseits den Verzicht auch auf legale Gewinnmöglichkeiten; andererseits stellt das Vertrauen der Kapitalmarktakteure in die Integrität und Unabhängigkeit der Informationsintermediäre einen bedeutenden Teil ihres "Humankapitals" dar und hat somit ebenfalls eine zumindest mittelbare Relevanz für das Gesamteinkommen der Kapitalmarktkommunikateure. Es liegt also auch hier im Interesse der betroffenen Berufsgruppe, selbst für ein allgemeines Grundvertrauen in den Berufsstand Sorge zu tragen, zumal insbesondere Privatanleger oftmals nur schwer zwischen seriösen und weniger seriösen Aussagen zu differenzieren wissen.
Vorbemerkungen zu den §§ 7 und 8 des Kodex:
Kontrollinstanzen und Kontrollorganisationen
Angesichts des privatrechtlichen Charakters des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation, dessen Anerkennung eine zivilrechtliche Unterwerfung unter ein Selbstregulierungsverfahren bedeutet, ist die Überwachung bzw. Kontrolle der Verhaltenspflichten nicht einem staatlichen Gericht oder einer staatlichen Behörde, sondern einer von allen Unterzeichnern getragenen Institution zu unterstellen.
Hierbei kann es sich nicht um ein Vereins- oder Verbandsgericht im eigentlichen Sinne handeln, da die Kapitalmarktkommunikatoren nicht in einem einheitlichen Dachverband inkorporiert sind. Anders als bei den Insiderhandels-Richtlinien kann es sich zudem nicht um eine reine Schiedsgutachterstelle im engeren Sinne handeln,2 da hier nicht nur die Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind, festgestellt und rechtlich beurteilt werden sollen, sondern der Beirat selbst die Aufgabe haben soll, Sanktionen zu verhängen.
Die Anerkennung des Kodex beruht vielmehr auf einer vertraglichen Beziehung eigener Art (sui generis), auf deren Grundlage bei Verletzungen des Kodex die entsprechenden Sanktionen als Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB geltend gemacht werden können. Die Bestimmung der Sanktion bzw. der Vertragsstrafe wird einem Beirat übertragen, was als Leistungsbestimmung durch einen Dritten nach § 317 BGB zu qualifizieren sein dürfte.3 Der Beirat wird damit als Schiedsgutachter im weiteren Sinne tätig, der nicht nur Tatsachen feststellt und beurteilt, sondern auch rechtsgestaltende Funktionen ausübt.4
Grundsätzlich könnte die Bestimmung der Vertragsstrafe auch einem Schiedsgericht als Privatgericht an Stelle staatlicher Gerichte nach §§ 1029 ff. ZPO übertragen werden.5 Dieses hätte jedoch zur Konsequenz, dass die Entscheidung des Beirats bei einer Ausgestaltung als Schiedsgericht nur noch sehr eingeschränkt der Kontrolle der ordentlichen Gerichte unterliegen würde,6 was wegen des damit verbundenen Ausschlusses der Möglichkeit einer neutralen Überprüfung der Entscheidungen und der daraus voraussichtlich resultierenden Akzeptanzprobleme des Kodex wenig sinnvoll erscheint.
Fraglich ist, wer konkret die Aufgabe des Dritten im Sinne von § 317 BGB übernehmen kann. In jedem Fall sollte es sich um ein möglichst paritätisch besetztes und weisungsfreies Gremium handeln, das die Interessen der Unterzeichner widerspiegelt.7 Zudem stellt sich die Frage, ob auch Vertreter einer staatlichen Behörde zu beteiligen sind und ob das Gremium bei einer staatlichen Behörde angesiedelt werden kann. In Betracht kommt kraft Sachzusammenhang das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel. Hierbei ist allerdings die Gefahr von etwaigen Interessenkollisionen auszuschließen. Insbesondere ist zu vermeiden, dass im Hinblick auf das geltende Insiderrecht, für dessen Durchsetzung das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel zuständig ist, Interessenkollisionen dadurch entstehen, dass Mitarbeiter des BAWe im Beirat entsprechende vertrauliche Erkenntnisse aus Verfahren bei der strafrechtlichen Verfolgung von Insidergeschäften verwenden.
Soweit ein Verband oder ein Verein den Kodex anerkannt und diesen durch satzungsgemäßen Beschluss für ihre Mitglieder verbindlich gemacht haben, das einzelne Mitglied den Kodex jedoch nicht unterschrieben hat, ist der Kodex für das Mitglied nur aufgrund seiner Verbandszugehörigkeit verbindlich. In diesem Falle haben die vom Beirat ausgesprochenen Sanktionen eher den Charakter einer Vereinsstrafe, für die dann aber die gleichen Erwägungen wie für die Vertragsstrafe gelten würden.8
Erläuterung zu § 7:
Überwachung der Einhaltung des Kodex
Zur Überwachung des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation wird vorgeschlagen, beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel einen Beirat für Kapitalmarktkommunikation zu etablieren. Diesem obliegen die Gegennahme der Anerkennungserklärungen sowie die Verfolgung etwaiger Verstöße gegen den Kodex sowie eine regelmäßige Berichterstattung über seine Tätigkeit.
Dem Beirat soll der Präsident des BAWe oder ein von ihm benannter Beamter des BAWe mit der Befähigung zum Richteramt vorsitzen. Dies gewährleistet eine qualifizierte und neutrale Verhandlungsführung. Weitere Mitglieder werden von den Analystenverbänden, die den Kodex für ihre Mitglieder als verbindlich anerkannt haben, vom Deutschen Presserat, von den den Kodex anerkennenden Unternehmen sowie Redaktionen bzw. Verlagshäusern, von den Anlegerschutzverbänden sowie von den börsennotierten Emittenten gestellt. Weiterhin ist ein wissenschaftlich ausgewiesener Kapitalmarktexperte Mitglied des Beirats. Damit gehören dem Beirat maximal zehn Mitglieder an, so dass eine breite Repräsentanz der betroffenen Gruppen wie auch eine ausreichende Arbeitsfähigkeit gleichermaßen gewährleistet sind.
Die Ansiedlung des Beirats beim BAWe wurde gewählt, weil das BAWe die für die Verfolgung von Insidertatbeständen ohnehin zuständige Behörde ist, in der weitreichender Sachverstand zur Verfügung steht. Es wäre ebenfalls möglich gewesen, in Anlehnung an die frühere Stelle zur Überwachung der Insiderhandelsregeln oder der Geschäftsstelle der Börsensachverständigenkommission den Beirat für Kapitalmarktkommunikation bei der Deutschen Börse AG anzusiedeln. Diese Lösung wurde jedoch nicht gewählt, weil die Deutsche Börse AG seit ihrem eigenen Börsengang selbst Markteilnehmer ist und damit nicht mehr als neutraler Dritter gelten kann. Selbstverständlich hätte das BAWe durch interne Organisationsanweisungen sicherzustellen, dass im Rahmen anderer Ermittlungen erhobene Informationen dem Beirat - soweit sie vertraulich zu behandeln sind - nicht zur Verfügung gestellt werden. Dies kann z.B. dadurch erreicht werden, dass den Verhandlungen des Beirats im Falle eines Kodexverstoßes ein anderer Beamter als derjenige vorsitzt als der, der die offiziellen Ermittlungen des BAWe führt.
Die Vertretungsregelung in § 7 (4) des Kodex stellt sicher, dass im Falle der Befangenheit oder Verhinderung eines Beiratsmitgliedes eine Vertretung möglich ist.
Gem. § 7 (8) des Kodex kann der Beirat auch bei Hinweisen seitens Dritter, z.B. durch Anleger, tätig werden, muss dies aber nicht. Dies bedeutet, dass er nicht auf die Verfolgung von Anzeigen oder Beschwerden aus dem Kreis seiner Mitglieder beschränkt ist. Andererseits muss er offensichtlich unbegründeten Beschwerden nicht nachgehen, was sonst sicher eine Fülle von nicht gerechtfertigter Arbeit verursachen würde.
Die jährliche Veröffentlichung eines Tätigkeitsberichtes ist sinnvoll, um die Arbeit des Beirats zu dokumentieren und die für den Erfolg des Kodex unbedingt erforderliche Öffentlichkeit herzustellen. Andererseits soll die Veröffentlichung möglichst wenig arbeitsintensiv vonstatten gehen. Als einfachste Möglichkeit erscheint die Aufnahme eines entsprechenden Abschnitts in den Jahresbericht des BAWe.
Erläuterung zu § 8:
Sanktionen bei Verletzungen des Kodex
Mit der Anerkennung des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation unterwerfen sich die Unterzeichner auch der Kompetenz des Beirats, im Falle eines Verstoßes gegen den Kodex angemessene Sanktionen zu verhängen. Dies erfolgt auf Basis einer privatrechtlichen Vereinbarung, also als vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe, und steht einer gerichtlichen Überprüfung offen.
§ 8 (2) des Kodex führt die möglichen Sanktionen auf. Sie reichen von einer Verwarnung bis hin zur Abschöpfung des durch den Kodexverstoß erzielten unredlichen Gewinns und einer zusätzlichen Geldbuße. Weitere Sanktionen sind die Aberkennung von durch die Verbände verliehenen Ausbildungsbezeichnungen, der Ausschluss aus einem Verband sowie die Aberkennung der Möglichkeit, die Anerkennung des Kodex als "Gütesiegel" werblich einzusetzen.
Nach § 8 (3) des Kodex fließen die Bußgelder und angeschöpften Gewinne dem BAWe zu; sie sollen dazu dienen, die hier entstehenden Kosten zu decken.
Der Kodex enthält in § 8 (5) die ausdrückliche Weisung, dass bei Verdacht auf Vorliegen einer Straftat - z.B. eines Insidervergehens oder einer Kursmanipulation - der Beirat die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu informieren hat. Dies ist über die unmittelbare Verfahrensanweisung hinaus als Signal für die Ernsthaftigkeit gedacht, mit der der Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation das Vertrauen in den organisierten Kapitalmarkt im allgemeinen und die Informationsintermediäre im besonderen sichern soll.
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1 Eine angemessene Darstellung der im Rahmen der Analyse verwendeten Methoden und Prognosen erfolgt z.B. in den die DVFA-Standards für Researchberichte am Neuen Markt.
2 So Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., 1995, Handelsrechtliche Nebengesetze Nr. 16 , Einl., Rdn. 11; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 116 f.
3 Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., 2001, § 339, Rdn. 5; Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., 1999, Rdn. 5.
4 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 317, Rdn 3.
5 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 339, Rdn. 5.
6 Vgl. hierzu Schab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 2000, Kap.1, Rdn. 1.
7 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 317, Rdn. 2 a.E.
8 Vgl. Staudinger/Rieble, BGB, 13. Aufl., 1995, Rdn. 94 ff.
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Präambel
Zur Stärkung des Vertrauens der breiten Öffentlichkeit in die Institutionen des Kapitalmarktes, insbesondere in die Sorgfalt, Integrität und Neutralität der Analysten, Journalisten und anderen Informationsintermediäre im Kapitalmarkt, bekennen sich die Informationsintermediäre mit der Unterzeichnung zur Beachtung des "Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation" sowie zur weiteren Verbreitung des Kodex und akzeptieren die nach diesem Kodex verhängten Sanktionen.
§ 1 Geltungsbereich des Kodex
Zur Beachtung des "Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation" (nachfolgend "Kodex" genannt) können sich verpflichten:
(1) Analysten, Journalisten und alle anderen Personen, die sich gegenüber der Öffentlichkeit wertend, beurteilend oder empfehlend zu Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Währungen oder Derivaten auf diese Anlageformen äußern oder solchen Personen zuarbeiten,
(2) Finanzdienstleistungsunternehmen, Börseninformationsdienste, Redaktionen, Verlage, Sendeanstalten und sonstige Unternehmen oder Institutionen, die Angehörige der unter § 1 (1) genannten Gruppen als Angestellte oder Freie Mitarbeiter beschäftigen oder ihnen im Rahmen einer Sendung, Veröffentlichung oder in sonstiger Weise ermöglichen, sich gegenüber der Öffentlichkeit wertend, beurteilend oder empfehlend zu Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Währungen oder Derivaten auf diese Anlageformen zu äußern,
(3) alle Mitglieder und hauptamtlichen Mitarbeiter von Berufsverbänden oder vergleichbaren Organisationen, die aufgrund ihrer Satzung zur Beachtung der Regeln des Kodex verpflichtet und dessen Sanktionen unterworfen sind,
(4) Anbieter oder Organisatoren von Internet-Diskussionsforen, Chat-Rooms oder vergleichbaren Plattformen.
§ 2 Pflichten der Unterzeichner des Kodex gegenüber Arbeitgebern bzw. Mitarbeitern
(1) Alle Angehörigen der unter § 1 (1) aufgeführten Gruppen sowie alle Mitglieder der unter § 1 (3) aufgeführten Verbände, die den Kodex anerkannt haben (nachfolgend "Unterzeichner" genannt), teilen dies unverzüglich ihrem Arbeitgeber mit und händigen ihm ein Exemplar des Kodex aus, sofern ihm der Kodex nicht bereits bekannt ist. Sie wirken im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hin, dass auch ihr Arbeitgeber den Kodex anerkennt.
(2) Die Unterzeichner verpflichten sich, ihrem Arbeitgeber alle Sachverhalte mitzuteilen, die ihre Fähigkeit, Sachverhalte unbeeinflusst und objektiv zu analysieren oder darzustellen, beeinflussen. Die Unterzeichner verpflichten sich weiterhin, im Falle eines Interessenkonflikts allen Anweisungen oder Verboten des Arbeitgebers Folge zu leisten. Stehen die Anweisungen oder Verbote des Arbeitgebers in Widerspruch zu diesem Kodex, haben sie ihn unverzüglich darauf hinzuweisen.
(3) Die Unterzeichner verpflichten sich, alle monetären und nicht monetären Vergütungen für Dienstleistungen, die sie neben der Vergütung durch den Arbeitgeber erhalten, diesem schriftlich anzuzeigen. Besteht durch die Nebentätigkeit die Gefahr eines Interessenkonfliktes mit den Regeln dieses Kodex, ist der Arbeitgeber berechtigt und im Falle seiner Anerkennung dieses Kodex verpflichtet, den Interessenkonflikt zu beseitigen.
(4) Alle unter § 1 (2) aufgeführten Unternehmen oder Institutionen, die den Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation anerkannt haben, verpflichten ihre Mitarbeiter durch Arbeitsvertrag, Dienstanweisung oder in sonst geeigneter Weise zur Beachtung der Vorschriften des Kodex.
(5) Weiterhin verpflichten sich die Unternehmen oder Institutionen, die den Kodex anerkannt haben, ihre Mitarbeiter nicht an der Beachtung der Regeln des Kodex zu hindern, sie nicht wegen Beachtung des Kodex zu benachteiligen und bei der Beurteilung von Anlagemöglichkeiten keine meinungsbeeinflussenden Weisungen zu erteilen.
(6) Die Führungskräfte der Unternehmen oder Institutionen, die den Kodex anerkannt haben, sind verpflichtet, Untergebene auf Verletzungen des Kodex hin zu kontrollieren und geeignete Kontrollmaßnahmen zur Aufdeckung von Verletzungen zu implementieren.
§ 3 Verschwiegenheits- und Informationspflichten der Unterzeichner des Kodex
(1) Die Unterzeichner haben sämtliche im Rahmen ihrer geschäftlichen Beziehungen von Kunden, Anlegern oder Arbeitgebern erhaltenen Informationen strikt vertraulich zu behandeln, es sei denn, es handelt sich um Informationen über illegale Tätigkeiten des Kunden, Anlegers oder Arbeitgebers.
(2) Die Unterzeichner dürfen die Dienstleistungen, zu denen ihr Unternehmen in der Lage ist, ihre oder die Qualifikation ihres Unternehmens, ihre akademische oder fachliche Ausbildung nicht falsch darstellen.
(3) Alle Sachverhalte, die die Fähigkeit der Kapitalmarktkommunikatoren zu einer unabhängigen und objektiven Analyse beeinflussen können, müssen in geeigneter Weise im Zusammenhang mit der Analyse veröffentlicht werden. Hierzu zählen insbesondere:
Persönliches Eigentum bzw. Inhaberschaft der analysierten Anlageart durch den Unterzeichner oder einen nahen Familienangehörigen im Wert von über 5.000 Euro.
Beteiligung des Arbeitgebers des Unterzeichners an dem Unternehmen, dessen Wertpapiere analysiert und bewertet werden. Hierzu zählen nicht die üblichen Handelsbestände.
Die Mitwirkung des Arbeitgebers des Unterzeichners in einem Emissionskonsortium, das in den letzten drei Jahren vor Publikation der Veröffentlichung an der Emission von Wertpapieren des Emittenten beteiligt war.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers des Unterzeichners, als "Designated Sponsor" oder in einer vergleichbaren Funktion für den Emittenten des Wertpapiers zu wirken.
Sonstige wesentliche Interessen des Arbeitgebers des Unterzeichners am wirtschaftlichen Erfolg des Emittenten der untersuchten Wertpapiere, z.B. durch Mitgliedschaft im Aufsichtsrat etc.
Finanzielle Unterstützung ("Sponsoring") von Sendungen oder Publikationen durch Emittenten von Wertpapieren, Finanzdienstleister oder andere Unternehmen, die am Inhalt der Sendung oder Publikation ein wirtschaftliches Interesse haben.
(4) Anbieter oder Organisatoren von Internet-Diskussionsforen, Chat-Rooms oder vergleichbaren Plattformen verpflichten sich, durch geeignete vertragliche Vereinbarungen mit ihren Kunden sicherzustellen, dass
ihnen jederzeit die tatsächliche Identität der Diskussionsteilnehmer in ihren Angeboten bekannt ist,
sie auf Nachfrage der zuständigen Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden jederzeit die Identität einzelner Diskussionsteilnehmer weitergeben dürfen,
der Inhalt der von ihnen angebotenen oder organisierten Plattformen für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten einschließlich der Adressen der extern angeschlossenen Rechner gespeichert wird.
§ 4 Sorgfaltspflichten der Unterzeichner
Die Unterzeichner
(1) gründen ihre Analysen, Researchberichte, Artikel oder sonstigen Veröffentlichungen auf eine vernünftige und angemessene Basis, gestützt auf geeignete Untersuchungen. Bei der Beschaffung, Auswertung und Darstellung von Sachverhalten wenden sie ein Höchstmaß an Sorgfalt auf, um Fehlschlüsse und fehlerhafte Darstellungen zu vermeiden,
(2) geben grundsätzlich die Quellen für von dritter Seite übernommene Informationen, Prognosen oder andere Daten an,
(3) verwenden Presseberichte nur als Sekundärquelle und nicht als einzige oder primäre Basis der Informations-beschaffung,
(4) zeichnen ihre einzelnen Arbeitsschritte so umfassend auf, dass ihre Empfehlungen von Fachkundigen nachvollzogen werden können,
(5) verpflichten sich, bei ihren Analysen, Researchberichten, Artikeln oder sonstigen Veröffentlichungen zwischen Meinung und Fakten zu unterscheiden und die wesentlichen Risiken einer Investition aufzuzeigen. Für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmte Analysen müssen eine klare Darstellung des Risikoprofils und der grundlegenden Charakteristiken der Investition enthalten,1
(6) verpflichten sich, in besonderem Maße alles zu unternehmen, um ihre Unabhängigkeit und Objektivität bei der Erstellung ihrer Analysen, Researchberichte, Artikel oder sonstigen Veröffentlichungen sicherzustellen,
(7) geben keine direkten oder implizite Garantien über die zukünftige Wertentwicklung der analysierten Anlagemöglichkeit,
(8) stellen den Erfolg eigener Anlagen oder Anlageempfehlungen gegenüber Kunden oder der Öffentlichkeit fair, genau und vollständig dar.
§ 5 Kapitalmarktkommunikatoren und Insiderwissen
(1) Die Unterzeichner nutzen keine Insiderinformationen aus, gleich ob sie zufällig oder im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit in den Besitz dieser Informationen gelangen.
(2) Gelangen sie in den Besitz von Insiderinformationen, die aus dem Umfeld des analysierten Unternehmens stammen, weisen sie das Unternehmen darauf hin und fordern es auf, die Informationen unverzüglich - ggf. im Rahmen der Ad hoc-Publizität - zu veröffentlichen.
(3) Auf Basis allgemein zugänglicher Informationen erstellte Analysen stellen keine Insiderinformationen dar. Die bevorstehende Veröffentlichung solcher Analysen kann jedoch, wenn sie voraussichtlich von erheblicher Wirkung auf den Kurs des analysierten Wertpapiers oder die Kurse der auf das Wertpapier bezogenen Derivate sein wird, eine Insidertatsache darstellen, die gem. § 5 (1) dieses Kodex von den Unterzeichnern nicht ausgenutzt werden darf.
(4) Die Unterzeichner beachten die Transaktionspriorität ihrer Kunden und handeln von ihnen analysierte Wertpapiere nicht zwischen dem Zeitpunkt zum Entschluss, die Analyse oder den Artikel zu erarbeiten, und zwei Handelstage nach der Veröffentlichung. Verfolgen sie die Entwicklung eines Wertpapiers dauerhaft, verzichten sie auf jeden Eigenhandel in diesem Papier. Den Kodex anerkennende Finanzdienstleistungsunternehmen dürfen das Wertpapier handeln, wenn geeignete organisatorische Vorkehrungen gegen eine vorzeitige Informationsweitergabe von Research- an Handelsabteilungen ("Chinese Walls") getroffen wurden.
§ 6 Verletzungen des Kodex
Die Unterzeichner schädigen das Vertrauen in die ordnungsgemäße und faire Kapitalmarktberichterstattung und verletzen den Kodex, wenn sie den sich aus den §§ 2 bis 5 ergebenden Pflichten nicht nachkommen oder wenn sie
(1) bei einem überzeichneten Börsengang Aktien zeichnen und in ihr privates Depot nehmen, sofern ihr Arbeitgeber Mitglied des Emissionskonsortiums ist,
(2) am Friends & Family-Programm oder vergleichbaren Aktionen einer Aktiengesellschaft teilnehmen, über die sie berichten,
(3) unangemessen teure Geschenke oder Dienstleistungen von Unternehmen annehmen, deren Wertpapiere sie analysieren. Als unangemessen gelten Geschenke oder Dienstleistungen mit einem Gegenwert von mehr als 100 Euro,
(4) sich vom Verhältnis ihres Arbeitgebers zum analysierten Unternehmen beeinflussen lassen,
(5) sich in ihrer Unabhängigkeit durch ihr Vergütungsschema beeinflussen lassen,
(6) die Renditeaussichten oder die Geschäftsentwicklung eines Unternehmens vorsätzlich unrealistisch, d.h. unangemessen positiv oder negativ beurteilen.
§ 7 Überwachung der Einhaltung des Kodex
(1) Die Überwachung der Einhaltung des Kodex obliegt dem Beirat für Kapitalmarktkommunikation, der beim Bundessaufsichtsamt für den Wertpapierhandel eingerichtet wird.
(2) Dem Beirat für Kapitalmarktkommunikation gehören an:
a) der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel oder ein von ihm benannter Beamter des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel mit Befähigung für das Richteramt (als Vorsitzender),
b) je ein Vertreter jedes Berufsverbandes der Analysten, der den Kodex für seine Mitglieder für verbindlich erklärt hat, bis zu einer Obergrenze von drei Vertretern,
c) ein Vertreter des Deutschen Presserates,
d) ein Vertreter der Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute, die den Kodex für ihre Mitarbeiter für verbindlich erklärt haben,
e) ein Vertreter der Verlage oder Sendeanstalten, die den Kodex für ihre Mitarbeiter für verbindlich erklärt haben,
f) ein Vertreter eines Anlegerschutzverbandes,
g) ein Vertreter der börsennotierten Emittenten sowie
h) ein wissenschaftlich ausgewiesener Kapitalmarktexperte.
(3) Die Mitglieder unter b) und c) werden von dem satzungsgemäß zuständigen Gremium ihres jeweiligen Verbandes benannt. Die Mitglieder unter d) und e) werden von den Unternehmen, die den Kodex anerkannt haben, aus ihrer Mitte auf die Dauer von drei Jahren gewählt. Die Mitglieder unter f) bis h) werden vom Bundesminister der Finanzen auf die Dauer von drei Jahren berufen.
(4) Für jedes Mitglied des Beirats ist nach dem in Abs. 2 bestimmten Verfahren ein Vertreter zu benennen, der im Falle der persönlichen oder dienstlichen Befangenheit oder Verhinderung eines der Mitglieder dessen Aufgabe übernimmt. Der Vertreter darf nicht beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sein wie das ordentliche Mitglied.
(5) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation beschließt mit einfacher Mehrheit eine Geschäftsordnung, die seine Arbeit im Rahmen der Anwendung des Kodex regelt.
(6) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist berechtigt, von allen Unterzeichnern, die den Kodex anerkannt haben, Unterlagen anzufordern, die zur Klärung eines strittigen Sachverhaltes beitragen können. Hierzu zählen auch Depot- und Kontounterlagen der Personen, über deren Verhalten der Beirat für Kapitalmarktkommunikation zu befinden hat.
(7) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist verpflichtet, die Unterlagen über ein Ver-fahren und über die verhängten Sanktionen zu archivieren.
(8) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation kann bei begründetem Verdacht auch auf Hinweis von Anlegern oder sonstigen Dritten tätig werden.
(9) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation veröffentlicht einmal jährlich im Rahmen des Jahresberichtes des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen einen Bericht über seine Arbeit.
§ 8 Sanktionen bei Verletzungen des Kodex
(1) Der mit der Überwachung der Einhaltung des Kodex beauftragte Beirat für Kapitalmarktkom-mu-nikation ist berechtigt, potenziellen Verstößen gegen den Kodex nachzugehen und nachgewiesene Verstöße zu ahnden.
(2) Je nach Art und Schwere des Verstoßes können folgende Sanktionen verhängt werden:
Schriftliche Verwarnung: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation setzt den Arbeitgeber des Schuldigen und die (relevanten) Verbände, bei denen der Schuldige Mitglied ist, von der Verwarnung und dem Inhalt der Verwarnung in Kenntnis.
Abschöpfung eines unredlich erzielten Gewinns: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist befugt, den durch den Verstoß gegen den Kodex dem Schuldigen zugeflossenen Gewinn abzuschöpfen.
Bußgeld: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist berechtigt, über die Abschöpfung des Gewinnes hinaus ein Bußgeld bis in Höhe des durch den Verstoß gegen den Kodex dem Schuldigen zugeflossenen Gewinns zu verhängen. Wird kein Gewinn abgeschöpft, kann das Bußgeld maximal 50.000 Euro bei natürlichen Personen und 500.000 Euro bei Unternehmen oder anderen Institutionen betragen.
Übernahme der Verfahrenskosten: die Kosten des Verfahrens trägt im Falle eines Schuldspruchs der Schuldige, sonst der Beirat für Kapitalmarktkommunikation. Die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber des Schuldigen oder einen anderen Dritten ist nicht zulässig.
Verlust von Verbandsbezeichnungen: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist berechtigt, den (relevanten) Verbänden, in denen der Schuldige Mitglied ist, die zeitlich begrenzte oder endgültige Aberkennung der von den Verbänden dem Schuldigen verliehenen Titel zu empfehlen bzw. - soweit die jeweiligen Verbände den Kodex anerkannt haben - den Titel verbindlich zu entziehen.
Ausschluss aus Verbänden: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist befugt, den (relevanten) Verbänden, in denen der Schuldige Mitglied ist, dessen zeitlich begrenzten oder endgültigen Ausschluss zu empfehlen bzw. - soweit die jeweiligen Verbände den Kodex anerkannt haben - den Ausschluss verbindlich zu erklären.
Aberkennung der Nutzung des Kodex als Gütesiegel: der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist befugt, dem Schuldigen zeitlich begrenzt oder dauerhaft zu untersagen, mit der Anerkennung des Kodex für Kapitalmarktkommunikation für sich zu werben. Ein zeitlich begrenztes Werbeverbot berechtigt den Schuldigen nicht dazu, während dessen Gültigkeit gegen die Regeln des Kodex zu verstoßen.
(3) Der abgeschöpfte Gewinn sowie etwa erhobene Bußgelder fließen dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel zu.
(4) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation setzt den Arbeitgeber des Schuldigen von den verhängten Sanktionen in Kenntnis.
(5) Der Beirat für Kapitalmarktkommunikation ist verpflichtet, ihm vorliegende Unterlagen bei Verdacht auf das Vorliegen einer Straftat an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiterzuleiten. Der Schuldspruch durch den Beirat für Kapitalmarktkommunikation schließt eine öffentliche Anklage durch staatliche Instanzen nicht aus.
2 Begründung des "Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation"
Erläuterung zu § 1:
Geltungsbereich des Kodex
§ 1 des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation enthält eine genauere Abgrenzung der Personengruppen bzw. der Unternehmen und Institutionen, denen der Kodex als verbindliche Handlungsanweisung dienen soll. Es wurde bewusst keine abschließende Aufzählung von Berufsgruppen gewählt, sondern eine funktionale Abgrenzung: "alle ... Personen, die sich gegenüber der Öffentlichkeit wertend ... zu Aktien ... äußern". Da dies besonders, aber nicht ausschließlich auf Analysten und Journalisten zutrifft, werden diese beiden Gruppen explizit erwähnt; allerdings soll der Kodex auch für alle anderen Personen gelten, die die o.g. Bedingung erfüllen. Dies bedeutet auch für die weder den Analysten noch den Journalisten zuzurechnenden "Gurus" bzw. "Tippgeber", dass sie den Kodex anerkennen können und sich entsprechend zu verhalten haben bzw. dass sie bei Nichtanerkennung des Kodex u.U. einen Vertrauensverlust erleiden.
Auch Personen mit Assistenzfunktion werden ausdrücklich erfasst.
Der Kodex kann in dreifacher Weise für einzelne Personen Wirksamkeit erlangen: der Betreffende kann ihn selbst anerkennen (§ 1 (1)), sein Arbeitgeber kann ihn anerkennen und im Rahmen arbeitsvertraglicher Regelungen verbindlich machen (§ 1 (2)), und der Berufsverband, in dem die betroffene Person Mitglied ist, kann den Kodex für seine Mitglieder im Rahmen der Satzung des jeweiligen Verbandes verbindlich anerkennen (§ 1 (3)).
§ 1 (4) des Kodex erfasst darüber hinaus die Anbieter oder Organisatoren von Kommunikationsplattformen im Internet, die sich in der Vergangenheit durch intensive, aber nicht in jedem Fall fach- und sachgerechte Diskussionen zu einzelnen Papieren ausgezeichnet haben.
Durch die weite Ausgestaltung des § 1 des Kodex wird sichergestellt, dass er
möglichst alle Gruppen von Kapitalmarktkommunikatoren
durch möglichst viele verschiedene "Anerkennungswege"
erfasst. Gegenüber den bisher bekannten Kodizes unterscheidet er sich durch die funktional definierte und somit inhaltlich umfassendere, weil nicht auf einen Berufszweig oder einen Verband beschränkte Gültigkeit sowie durch ein mehrdimensionales Anerkennungssystem, das die betroffenen Personen auf unterschiedlichen Ebenen erfasst. Damit besteht die Chance, bei Anerkennung durch die wichtigsten Arbeitgeber bzw. Verbände eine "flächendeckende" Gültigkeit des Kodex zu erreichen. Neu ist hierbei der Ansatz einer verbandsübergreifenden Wirksamkeit.
Erläuterung zu § 2:
Pflichten der Unterzeichner des Kodex gegenüber Arbeitgebern bzw. Mitarbeitern
§ 2 (1) des Kodex verpflichtet die persönlich sowie von ihrem Berufsverband verpflichteten Unterzeichner, ihren Arbeitgeber von ihrer Anerkennung sowie vom Inhalt des Kodex in Kenntnis zu setzen und darauf hinzuwirken, dass der Arbeitgeber selbst den Kodex - im Sinne einer weiteren Verbreitung - ebenfalls anerkennt.
§ 2 (2) enthält die Verpflichtung der Unterzeichner, ihren Arbeitgeber auf eventuelle Interessenkonflikte zwischen den Regeln des Kodex und ihrer Aufgabenerfüllung oder Anweisungen des Arbeitgebers hinzuweisen. Nach Hinweis auf den Interessenkonflikt hat die explizite Anweisung des Arbeitgebers - im Rahmen des gesetzlich Erlaubten - Vorrang.
§ 2 (3) konkretisiert die Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber bei nebenamtlichen Tätigkeiten mit monetärer oder nichtmonetärer Vergütung sowie das Recht (bzw. bei Anerkennung des Kodex die Pflicht) des Arbeitgebers, einen möglichen Interessenkonflikt zu beseitigen. Ob der Arbeitgeber dies durch Verbot der Nebentätigkeit, Änderung der internen Aufgabenzuweisung oder andere geeignete Maßnahmen sicherstellt, bleibt seinem sachgemäßen Ermessen überlassen und muss im Rahmen des Kodex nicht explizit geregelt werden.
§ 2 (4) verpflichtet die Unternehmen, die den Kodex in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber anerkannt haben, durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Beachtung des Kodex durch ihre Mitarbeiter sicherzustellen. Es bietet sich an, dies im Rahmen der von den Finanzdienstleistungsinstituten ohnehin festzulegenden Compliance-Richtlinien zu tun. Zahlreiche Redaktionen haben in ihren Redaktionsstatuten ebenfalls bereits entsprechende Regelungen aufgenommen, die u.U. nur zu modifizieren sind. In welcher Weise die Bestimmungen des Kodex intern umgesetzt werden, ist eine organisatorische Frage und kann im Kodex nicht für alle betroffenen Unternehmen einheitlich geregelt werden.
§ 2 (5) stellt sicher, dass den Mitarbeitern von den Kodex anerkennenden Unternehmen durch die Befolgung des Kodex keine Nachteile entstehen und dass sie keine dem Kodex widersprechenden Weisungen erhalten.
§ 2 (6) verpflichtet die Vorgesetzten der den Kodex anerkennenden Unternehmen, die Einhaltung des Kodex auch durch die Mitarbeiter zu kontrollieren und geeignete Kontrollverfahren zu schaffen. Auch dies betrifft in der konkreten Ausgestaltung die spezifische Organisationsstruktur der Unternehmen und kann im Kodex nicht detailliert geregelt werden.
Erläuterung zu § 3:
Verschwiegenheits- und Informationspflichten der Unterzeichner des Kodex
§ 3 (1) enthält Anweisungen zur vertraulichen Behandlung von Informationen, sofern diese nicht illegale Tätigkeiten von Anlegern, Kunden oder Arbeitgebern betreffen uns u.U. gesetzliche Aussage- oder sogar Anzeigepflichten bestehen.
§ 3 (2) regelt, dass die Qualifikation und andere wesentliche Eigenschaften des Unterzeichners bzw. des Unternehmens, für das er tätig wird, nicht falsch, also insbesondere nicht übertrieben positiv dargestellt werden.
§ 3 (3) ist ein Kernstück des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation. Hier wird festgelegt, dass eventuell zu Interessenkonflikten zwischen dem Leser der Analyse und dem Verfasser bzw. seinem Arbeitgeber führende Sachverhalte offengelegt werden müssen. Als potentiell zu Interessenkonflikten führende Sachverhalte führt der Kodex - nicht abschließend - auf:
persönlichen Besitz oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 5.000 Euro,
Beteiligung des Arbeitgebers außerhalb üblicher Handelsbestände, d.h. Beteiligungen im Anlagevermögen oder außergewöhnlich hohe Handelsbestände,
die Mitwirkung des Arbeitgebers in einem Emissionskonsortium des Unternehmens, wobei nur Mandate innerhalb der letzten drei Jahre relevant sind,
die Verpflichtung eines Unterzeichners als Betreuer oder Designated Sponsor eines Unternehmens, denn die Betreuerverträge schließen i.d.R. die Verpflichtung zur regelmäßigen Analyse des Unternehmens ein, und für den Leser ist es durchaus relevant, ob es sich um eine vertragsgemäß erstellte oder frei entschiedene Analyse handelt,
Aufsichtsratsmandate und weitere als wesentlich erachtete Interessen des Arbeitgebers; hier ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein Interessenkonflikt vorliegen könnte und ggf. der Sachverhalt zu publizieren,
im Fall von Unterzeichnern aus dem journalistischen Bereich die finanzielle Unterstützung von Sendungen oder Publikationen im Wege des Sponsoring.
Damit folgt der Kodex dem Transparenzprinzip: potentielle Interessenkonflikte lassen sich durch Verbotsregelungen nicht vollständig beseitigen, ohne u.U. einen schweren Schaden für die Funktionsfähigkeit des gesamten Kapitalmarktes zu bewirken, zumal in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle davon ausgegangen werden kann, dass die Interessenkonflikte nur theoretisch bestehen und die bereits existierenden Compliance-Regeln einen wirksamen Schutz darstellen, ein vollständiges Verbot also eine völlig überzogene Einengung wirtschaftlichen Handelns wäre. Der Leser einer Analyse oder einer sonstigen Publikation soll jedoch prinzipiell darüber informiert sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es theoretisch zu Interessenkonflikten kommen könnte. Nur dann kann er - als mündiger Anleger - selbst abwägen, welche Bedeutung er diesem Faktor beimisst und ob er ggf. vor seiner Entscheidung weitere Informationen von anderer Seite beschafft und auswertet.
§ 3 (4) verpflichtet die Betreiber und Organisatoren von Diskussions-Plattformen im Internet dazu, jederzeit sicherzustellen, dass die tatsächliche Identität der Personen, die sich in Chat-Rooms oder ähnlichen Foren äußern, den Strafverfolgungsbehörden bei Verdacht auf Kursmanipulation oder Insidervergehen mitgeteilt werden kann. Dies soll verhindern, dass den Kurs eines Wertpapiers oder einer anderen Anlageform manipulierende Äußerungen anonym und damit ohne Aussicht auf eine aussichtsreiche Strafverfolgung erfolgen können. Dieser Absatz dient primär der "Beweissicherung".
Weitergehende Pflichten für die Betreiber oder Organisatoren von Internet-Plattformen sind unpraktikabel. Insbesondere ist es nicht sinnvoll, die Betreiber zu einer inhaltlichen Prüfung und ggf. Korrektur der einzelnen Diskussionsbeiträge zu verpflichten. Zwar ist es - vergleichbar - auch Zeitungsredaktionen prinzipiell möglich, über den vollständigen oder gekürzten Abdruck eingegangener Leserbriefe selbstständig zu entscheiden, doch die Etablierung einer Kontrollpflicht im Internet würde dem Charakter dieses Mediums völlig widersprechen. Eine schnelle und ungezwungene Kommunikation wäre kaum mehr möglich. Andererseits ist es jedem Diskussionsteilnehmer durchaus zuzumuten, an geschützter Stelle - beim Betreiber des Forums - seine Identität zu offenbaren, um somit sicherzustellen, dass gesetzeswidrige, insbesondere kursmanipulative Diskussionsbeiträge eindeutig zugeordnet werden können. Allein dies würde zu einer deutlichen Anhebung der Qualität der Diskussionsbeiträge im Internet führen.
An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass eine isolierte deutsche Regelung wenig Aussicht auf Erfolg hat, da es technisch kein Problem darstellt, entsprechende Internetforen auch aus dem Ausland heraus anzubieten. Zwar können die Anbieter nach der Unterzeichnung des Kodex mit ihm als "Gütesiegel" werben, doch darüber hinaus wäre eine internationale Verständigung auf diese Grundregel anzustreben, um die Ausweichmöglichkeiten zu vermindern.
Erläuterung zu § 4:
Sorgfaltspflichten der Unterzeichner
§ 4 des Kodex verpflichtet die Unterzeichner zur Beachtung von Sorgfaltspflichten bei der Erstellung ihrer Analysen, Artikel und sonstigen Beiträge. Hier ist keine detaillierte Vorschrift über die Anwendung bestimmter Methoden oder Bewertungsverfahren möglich, da dies die Berufsfreiheit nicht nur der Journalisten, sondern auch der Analysten und anderer Unterzeichner unangemessen einschränken würde. Am Kapitalmarkt gibt es kein allgemein anzuwendendes Bewertungsverfahren, sondern eine Vielzahl miteinander konkurrierender Modelle. Insbesondere die Researchabteilungen stehe in einem intensiven Wettbewerb um die Entwicklung neuer, möglichst treffsicherer Analysemethoden. Jede Verfahrensvorschrift würde hier den wissenschaftlichen Fortschritt behindern, ohne den Anlegern zusätzliche Sicherheit zu bieten.
Auch ist die Arbeitsweise von Analysten und Journalisten zu unterschiedlich, als dass ihnen gemeinsame Methodenvorgaben gegeben werden könnten. Detailliertere Vorschriften zu den Methoden, aber auch bereits zur Dokumentation der verwendeten Verfahren sollten daher nicht Gegenstand des berufsübergreifenden Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation sein, sondern auf der Ebene des einzelnen zuständigen Berufsverbandes bzw. des Unternehmens geregelt werden. Die DVFA-Standards für Researchberichte am Neuen Markt können z.B. mit ihrer Verpflichtung zur Offenlegung der verwendeten Analysemethoden, der Herleitung bewertungsrelevanter Größen etc. als Modell für qualitativ gutes Wertpapierresearch dienen. Die Ausdehnung ihrer Gültigkeit auf alle Aktienanalysen wäre daher zu begrüßen. Eine solche Vorschrift wäre für Journalisten - die i.d.R. mit beschränktem Raum auskommen müssen und deren Aufgabe ja in der Verdichtung von Informationen liegt, unpraktikabel, denn sie würde den Medien jede Möglichkeit zu einer kurzen, komprimierten Berichterstattung zu Einzelwerten oder Märkten nehmen.
Aus diesen Gründen können die Informationsintermediäre in ihrer Gesamtheit nicht auf bestimmte Methoden und auch nicht auf deren grundsätzliche Veröffentlichung, sondern nur auf einige grundlegende Verhaltensweisen verpflichtet werden. Hierzu gehören u.a. eine angemessene Sorgfalt bei der Beschaffung und Auswertung von Informationen, eine korrekte Quellenangabe bei übernommenen Daten, das Verbot des Plagiats, eine Dokumentation der Verfahrensschritte, die klare Trennung von Meinung (Vermutung) und Fakten etc.
Die Regel, Presseberichte lediglich als Sekundärquelle und nicht als einzige oder primäre Quelle zu nutzen, soll Inhalt und Qualität der Medienberichterstattung nicht herabwürdigen. Allerdings braucht der Anleger quellennahe Informationen, um sachgerechte Entscheidungen treffen zu können. Insbesondere in euphorischen bis hysterischen Börsenphasen besteht demgegenüber die Gefahr, dass aus Mangel an neuen Informationen bei vermutetem weiter bestehendem "Informationsbedarf" seitens der Leser Journalisten Äußerungen anderer Journalisten als neue Quelle nutzen. Dies kann das Vorliegen neuer Entwicklungen vortäuschen, obwohl tatsächlich keine Änderungen eingetreten sind. Es sollte deshalb zum Standard guter Berichterstattung gehören, andere Berichterstatter zwar ergänzend, nicht jedoch als Hauptquelle heranzuziehen.
Weiterhin fordert § 4 (7) des Kodex, keine offenen oder verdeckten Garantien über bestimmte Kurs- oder Wertentwicklungen abzugeben. In das Ergebnis einer Analyse können stets nur die bis zu ihrem Abschluss bekannten Informationen eingehen. Zu diesem Zeitpunkt notwendigerweise unbekannte zukünftige Entwicklungen können ebenso wie zu ihrem Abschluss noch nicht allgemein bekannte Informationen dazu führen, dass das Ergebnis der Analyse und die tatsächliche Kurs- oder Wertentwicklung sich nicht entsprechen. Außerdem sind auch bei vollständiger Information die Zusammenhänge zwischen bewertungsrelevanten Fakten und Bewertung so komplex, dass eine hundertprozentig zuverlässige Prognose nicht möglich ist. Jede Garantie - sei sie offen gegeben oder aus dem Zusammenhang herleitbar - würde den Leser einer Analyse über die tatsächliche Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Prognose täuschen.
Andererseits muss auch der Nutzer einer Analyse sich der Tatsache bewusst sein, dass am Kapitalmarkt keine Kursentwicklungen garantiert werden können und dass auch eine noch so fundierte Analyse nicht unbedingt eintreffen muss. Analysten können nur die ihnen vorliegenden Informationen auswerten, und jeder Analyst hat auch ein "Recht auf Irrtum" und kann für Fehlprognosen - sofern er methodisch sauber und sorgfältig gearbeitet hat - nicht verantwortlich gemacht werden. Dies insbesondere den privaten Anlegern zu verdeutlichen, ist auch Aufgabe der Analysten, um dies klarzustellen, enthält der Kodex die hier erläuterte Vorschrift, keine Garantien abzugeben.
Erläuterung zu § 5:
Kapitalmarktkommunikatoren und Insiderwissen
§ 5 des Kodex regelt den Umgang von Informationsintermediären mit Insiderinformationen. § 5 (1) ist lediglich eine Klarstellung der bereits im WpHG definierten Verbote, Insiderinformationen auszunutzen. Als "Ausnutzen von Insiderwissen" ist dabei sowohl ein eigenes Handeln wie auch die Empfehlung zum Handel an Dritte zu verstehen. Um auch nur den Anschein des Verdachts auf unredliches Verhalten zu vermeiden, wird darüber hinaus klargestellt, dass auch zufällig - also nicht bestimmungsgemäß im Rahmen der beruflichen Tätigkeit - in den Besitz des Informationsintermediärs gelangte Insiderinformationen nicht ausgenutzt werden dürfen. Es liegt im Interesse der Informationsintermediäre selbst, durch eine gegenüber dem WpHG schärfere Selbstverpflichtung zur Vertrauensbildung beizutragen.
§ 5 (2) des Kodex enthält die Verpflichtung, Unternehmen darauf aufmerksam zu machen, wenn sie dem Informationsintermediär Insiderinformationen haben zukommen lassen, und auf eine unverzügliche Veröffentlichung zu drängen. U.U. ist es dem Unternehmen gar nicht bewusst, insiderrelevante Informationen weitergegeben zu haben. In diesem Fall ist es eine Frage der Integrität des Kapitalmarktkommunikators, das Unternehmen hierüber zu informieren. Je eher die Insiderinformation öffentlich gemacht wird, desto eher darf der Analyst oder Journalist sie auch in seine Arbeit einfließen lassen.
In § 5 (3) des Kodex wird explizit klargestellt, dass auch Insidertatsachen, die durch die Anfertigung einer Analyse aufgrund allgemein bekannter Informationen entstehen, nicht vom Informationsintermediär zum eigenen Handel oder durch Weitergabe an Dritte ausgenutzt werden.
§ 5 (4) des Kodex etabliert die Transaktionspriorität des Kunden: der Analyst oder Journalist verzichten auf eigenen Handel in dem analysierten Papier zwischen dem Zeitpunkt zur Erstellung der Analyse bzw. des Artikels und zwei Handelstagen nach der Veröffentlichung. Damit ist sichergestellt, dass während der Analyse gewonnene Informationen, die bei Publikation kursrelevant sind, nicht ausgenutzt werden können. Werden bestimmte Papiere kontinuierlich beobachtet, ist der Besitz dieser Papiere auch dauerhaft untersagt. Detailliertere Regelungen zur organisatorischen Umsetzung dieser Vorschrift sind auf Unternehmens- bzw. Verlags-/Redaktionsebene zu treffen. Dies gilt z.B. auch für die Vorgehensweise im Falle eines unbeabsichtigten Inbesitzerlangens beobachteter Papiere, etwa im Rahmen einer Erbschaft.
Satz 3 stellt klar, dass das Verbot des Eigenhandels nicht für den Kodex anerkennende Unternehmen gilt, wenn sie geeignete Compliance-Maßnahmen ("Chinese Walls") ergriffen haben, um einen unzulässigen Informationsfluss zwischen Research- und Handelsabteilungen zu unterbinden. Andernfalls wären insbesondere deutsche Finanzdienstleistungsinstitute gezwungen, entweder auf Wertpapierresearch oder auf eigenen Handel zu verzichten. Eine dermaßen restriktive Vorschrift wäre für den Finanzplatz Deutschland eine Katastrophe, da eine Bank mit einem "unvollständigen" Dienstleistungsangebot im internationalen Wettbewerb erhebliche Nachteile zu gewärtigen hätte. Wahrscheinlich wäre die sofortige und vollständige Abwanderung der gesamten Researchaktivitäten nach London die Folge einer solchen überzogenen Regelung.
Erläuterung zu § 6:
Verletzungen des Kodex
§ 6 listet eine Reihe von Verhaltensweisen auf, die als vertrauensschädigend gelten und daher als Verstoß gegen den Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation gewertet werden müssen. Hierzu zählt die eigene Zeichnung bei einer überzeichneten Neuemission, wenn der eigene Arbeitgeber Mitglied des Emissionskonsortiums ist, die Teilnahme an einem Friends & Family-Programm des analysierten oder seitens eines Journalisten beobachteten Unternehmens, die Annahme von Geschenken oberhalb einer Bagatellgrenze von 100 Euro, die Berücksichtigung weiterer Geschäftsverbindungen des Arbeitgebers zum analysierten Unternehmen, eine die Unabhängigkeit beeinträchtigende Vergütungsstruktur (z.B. die Abhängigkeit der Vergütung des Analysten von Provisionseinnahmen aufgrund der erstellten Analysen), sowie die vorsätzlich unrealistische Darstellung der Renditeaussichten oder Geschäftsentwicklung des analysierten Unternehmens.
Diese Verbotsvorschriften sollen sicherstellen, dass durch entsprechende Verhaltensweisen keinesfalls auch nur Zweifel an der Unabhängigkeit der Informationsintermediäre aufkommen können. Sie wurden aus der Überzeugung abgeleitet, dass es gerade für Informationsintermediäre am vertrauenssensiblen Kapitalmarkt wichtig und richtig ist, nicht nur die bestehenden Gesetze zu beachten, sondern darüber hinaus jeden Anschein zu vermeiden, der Zweifel an der Integrität aufkommen lassen könnte. Die hierin liegende Selbstbeschränkung bedeutet zwar einerseits den Verzicht auch auf legale Gewinnmöglichkeiten; andererseits stellt das Vertrauen der Kapitalmarktakteure in die Integrität und Unabhängigkeit der Informationsintermediäre einen bedeutenden Teil ihres "Humankapitals" dar und hat somit ebenfalls eine zumindest mittelbare Relevanz für das Gesamteinkommen der Kapitalmarktkommunikateure. Es liegt also auch hier im Interesse der betroffenen Berufsgruppe, selbst für ein allgemeines Grundvertrauen in den Berufsstand Sorge zu tragen, zumal insbesondere Privatanleger oftmals nur schwer zwischen seriösen und weniger seriösen Aussagen zu differenzieren wissen.
Vorbemerkungen zu den §§ 7 und 8 des Kodex:
Kontrollinstanzen und Kontrollorganisationen
Angesichts des privatrechtlichen Charakters des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation, dessen Anerkennung eine zivilrechtliche Unterwerfung unter ein Selbstregulierungsverfahren bedeutet, ist die Überwachung bzw. Kontrolle der Verhaltenspflichten nicht einem staatlichen Gericht oder einer staatlichen Behörde, sondern einer von allen Unterzeichnern getragenen Institution zu unterstellen.
Hierbei kann es sich nicht um ein Vereins- oder Verbandsgericht im eigentlichen Sinne handeln, da die Kapitalmarktkommunikatoren nicht in einem einheitlichen Dachverband inkorporiert sind. Anders als bei den Insiderhandels-Richtlinien kann es sich zudem nicht um eine reine Schiedsgutachterstelle im engeren Sinne handeln,2 da hier nicht nur die Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind, festgestellt und rechtlich beurteilt werden sollen, sondern der Beirat selbst die Aufgabe haben soll, Sanktionen zu verhängen.
Die Anerkennung des Kodex beruht vielmehr auf einer vertraglichen Beziehung eigener Art (sui generis), auf deren Grundlage bei Verletzungen des Kodex die entsprechenden Sanktionen als Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB geltend gemacht werden können. Die Bestimmung der Sanktion bzw. der Vertragsstrafe wird einem Beirat übertragen, was als Leistungsbestimmung durch einen Dritten nach § 317 BGB zu qualifizieren sein dürfte.3 Der Beirat wird damit als Schiedsgutachter im weiteren Sinne tätig, der nicht nur Tatsachen feststellt und beurteilt, sondern auch rechtsgestaltende Funktionen ausübt.4
Grundsätzlich könnte die Bestimmung der Vertragsstrafe auch einem Schiedsgericht als Privatgericht an Stelle staatlicher Gerichte nach §§ 1029 ff. ZPO übertragen werden.5 Dieses hätte jedoch zur Konsequenz, dass die Entscheidung des Beirats bei einer Ausgestaltung als Schiedsgericht nur noch sehr eingeschränkt der Kontrolle der ordentlichen Gerichte unterliegen würde,6 was wegen des damit verbundenen Ausschlusses der Möglichkeit einer neutralen Überprüfung der Entscheidungen und der daraus voraussichtlich resultierenden Akzeptanzprobleme des Kodex wenig sinnvoll erscheint.
Fraglich ist, wer konkret die Aufgabe des Dritten im Sinne von § 317 BGB übernehmen kann. In jedem Fall sollte es sich um ein möglichst paritätisch besetztes und weisungsfreies Gremium handeln, das die Interessen der Unterzeichner widerspiegelt.7 Zudem stellt sich die Frage, ob auch Vertreter einer staatlichen Behörde zu beteiligen sind und ob das Gremium bei einer staatlichen Behörde angesiedelt werden kann. In Betracht kommt kraft Sachzusammenhang das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel. Hierbei ist allerdings die Gefahr von etwaigen Interessenkollisionen auszuschließen. Insbesondere ist zu vermeiden, dass im Hinblick auf das geltende Insiderrecht, für dessen Durchsetzung das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel zuständig ist, Interessenkollisionen dadurch entstehen, dass Mitarbeiter des BAWe im Beirat entsprechende vertrauliche Erkenntnisse aus Verfahren bei der strafrechtlichen Verfolgung von Insidergeschäften verwenden.
Soweit ein Verband oder ein Verein den Kodex anerkannt und diesen durch satzungsgemäßen Beschluss für ihre Mitglieder verbindlich gemacht haben, das einzelne Mitglied den Kodex jedoch nicht unterschrieben hat, ist der Kodex für das Mitglied nur aufgrund seiner Verbandszugehörigkeit verbindlich. In diesem Falle haben die vom Beirat ausgesprochenen Sanktionen eher den Charakter einer Vereinsstrafe, für die dann aber die gleichen Erwägungen wie für die Vertragsstrafe gelten würden.8
Erläuterung zu § 7:
Überwachung der Einhaltung des Kodex
Zur Überwachung des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation wird vorgeschlagen, beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel einen Beirat für Kapitalmarktkommunikation zu etablieren. Diesem obliegen die Gegennahme der Anerkennungserklärungen sowie die Verfolgung etwaiger Verstöße gegen den Kodex sowie eine regelmäßige Berichterstattung über seine Tätigkeit.
Dem Beirat soll der Präsident des BAWe oder ein von ihm benannter Beamter des BAWe mit der Befähigung zum Richteramt vorsitzen. Dies gewährleistet eine qualifizierte und neutrale Verhandlungsführung. Weitere Mitglieder werden von den Analystenverbänden, die den Kodex für ihre Mitglieder als verbindlich anerkannt haben, vom Deutschen Presserat, von den den Kodex anerkennenden Unternehmen sowie Redaktionen bzw. Verlagshäusern, von den Anlegerschutzverbänden sowie von den börsennotierten Emittenten gestellt. Weiterhin ist ein wissenschaftlich ausgewiesener Kapitalmarktexperte Mitglied des Beirats. Damit gehören dem Beirat maximal zehn Mitglieder an, so dass eine breite Repräsentanz der betroffenen Gruppen wie auch eine ausreichende Arbeitsfähigkeit gleichermaßen gewährleistet sind.
Die Ansiedlung des Beirats beim BAWe wurde gewählt, weil das BAWe die für die Verfolgung von Insidertatbeständen ohnehin zuständige Behörde ist, in der weitreichender Sachverstand zur Verfügung steht. Es wäre ebenfalls möglich gewesen, in Anlehnung an die frühere Stelle zur Überwachung der Insiderhandelsregeln oder der Geschäftsstelle der Börsensachverständigenkommission den Beirat für Kapitalmarktkommunikation bei der Deutschen Börse AG anzusiedeln. Diese Lösung wurde jedoch nicht gewählt, weil die Deutsche Börse AG seit ihrem eigenen Börsengang selbst Markteilnehmer ist und damit nicht mehr als neutraler Dritter gelten kann. Selbstverständlich hätte das BAWe durch interne Organisationsanweisungen sicherzustellen, dass im Rahmen anderer Ermittlungen erhobene Informationen dem Beirat - soweit sie vertraulich zu behandeln sind - nicht zur Verfügung gestellt werden. Dies kann z.B. dadurch erreicht werden, dass den Verhandlungen des Beirats im Falle eines Kodexverstoßes ein anderer Beamter als derjenige vorsitzt als der, der die offiziellen Ermittlungen des BAWe führt.
Die Vertretungsregelung in § 7 (4) des Kodex stellt sicher, dass im Falle der Befangenheit oder Verhinderung eines Beiratsmitgliedes eine Vertretung möglich ist.
Gem. § 7 (8) des Kodex kann der Beirat auch bei Hinweisen seitens Dritter, z.B. durch Anleger, tätig werden, muss dies aber nicht. Dies bedeutet, dass er nicht auf die Verfolgung von Anzeigen oder Beschwerden aus dem Kreis seiner Mitglieder beschränkt ist. Andererseits muss er offensichtlich unbegründeten Beschwerden nicht nachgehen, was sonst sicher eine Fülle von nicht gerechtfertigter Arbeit verursachen würde.
Die jährliche Veröffentlichung eines Tätigkeitsberichtes ist sinnvoll, um die Arbeit des Beirats zu dokumentieren und die für den Erfolg des Kodex unbedingt erforderliche Öffentlichkeit herzustellen. Andererseits soll die Veröffentlichung möglichst wenig arbeitsintensiv vonstatten gehen. Als einfachste Möglichkeit erscheint die Aufnahme eines entsprechenden Abschnitts in den Jahresbericht des BAWe.
Erläuterung zu § 8:
Sanktionen bei Verletzungen des Kodex
Mit der Anerkennung des Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation unterwerfen sich die Unterzeichner auch der Kompetenz des Beirats, im Falle eines Verstoßes gegen den Kodex angemessene Sanktionen zu verhängen. Dies erfolgt auf Basis einer privatrechtlichen Vereinbarung, also als vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe, und steht einer gerichtlichen Überprüfung offen.
§ 8 (2) des Kodex führt die möglichen Sanktionen auf. Sie reichen von einer Verwarnung bis hin zur Abschöpfung des durch den Kodexverstoß erzielten unredlichen Gewinns und einer zusätzlichen Geldbuße. Weitere Sanktionen sind die Aberkennung von durch die Verbände verliehenen Ausbildungsbezeichnungen, der Ausschluss aus einem Verband sowie die Aberkennung der Möglichkeit, die Anerkennung des Kodex als "Gütesiegel" werblich einzusetzen.
Nach § 8 (3) des Kodex fließen die Bußgelder und angeschöpften Gewinne dem BAWe zu; sie sollen dazu dienen, die hier entstehenden Kosten zu decken.
Der Kodex enthält in § 8 (5) die ausdrückliche Weisung, dass bei Verdacht auf Vorliegen einer Straftat - z.B. eines Insidervergehens oder einer Kursmanipulation - der Beirat die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu informieren hat. Dies ist über die unmittelbare Verfahrensanweisung hinaus als Signal für die Ernsthaftigkeit gedacht, mit der der Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation das Vertrauen in den organisierten Kapitalmarkt im allgemeinen und die Informationsintermediäre im besonderen sichern soll.
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1 Eine angemessene Darstellung der im Rahmen der Analyse verwendeten Methoden und Prognosen erfolgt z.B. in den die DVFA-Standards für Researchberichte am Neuen Markt.
2 So Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., 1995, Handelsrechtliche Nebengesetze Nr. 16 , Einl., Rdn. 11; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 116 f.
3 Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., 2001, § 339, Rdn. 5; Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., 1999, Rdn. 5.
4 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 317, Rdn 3.
5 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 339, Rdn. 5.
6 Vgl. hierzu Schab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 2000, Kap.1, Rdn. 1.
7 Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 317, Rdn. 2 a.E.
8 Vgl. Staudinger/Rieble, BGB, 13. Aufl., 1995, Rdn. 94 ff.
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