Kassandra hebt ihr Haupt
Von Carsten Volkery
Nach einer zweiten Woche voller Enttäuschungen geben die ersten Börsianer an der Wall Street auf: Der Aufschwung kommt doch noch nicht.
Es ist alles so viel schlimmer. Je mehr US-Firmen ihre Ergebnisse für das zweite Quartal vorlegen, desto verheerender klingt die Botschaft. Der Zwischenstand nach der zweiten Woche des Zahlen-Marathons: Die Gewinne der US-Unternehmen sind um durchschnittlich 17 Prozent eingebrochen. In der Vorwoche waren es erst 15 Prozent. Und noch sind nicht alle durch: Es fehlen rund 105 der 500 im Standard and Poors gelisteten größten US-Unternehmen, darunter die Einzelhändler, deren Quartal bis Ende Juli geht.
Der Einzelhandel ist der nächste Meilenstein, auf den die Eingeweihten mit Spannung warten. An Wal-Mart und Co. dürfte am klarsten werden, wie es um die US-Wirtschaft bestellt ist. Das Portemonnaie der Verbraucher bleibt der beste Indikator für die Gesundheit der Wirtschaft. Doch auf einen mitreißenden Home-Run wagt keiner mehr zu hoffen.
Stattdessen bezweifeln Wall-Street-Beobachter inzwischen, dass sich die Gewinne der amerikanischen Unternehmen wie erwartet zum Anfang des nächsten Jahres erholen werden. Da kann Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan noch so viel über "erste Anzeichen der Strukturierung eines Bodens" philosophieren. Gewinnzuwächse werde man wahrscheinlich frühestens wieder im zweiten Quartal 2001 sehen, sagt Thomas O'Keefe, Analyst bei First Call.
Angesichts der düsteren Zukunft interessierte die Vergangenheit diese Woche nur am Rande: Die am Freitag veröffentlichte Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts löste an der Börse nur ein Gähnen aus. Die US-Wirtschaft wuchs demnach im zweiten Quartal um 0,7 Prozent - so langsam wie seit 1993 nicht mehr. Die positive Nachricht: Wenigstens ist sie nicht geschrumpft.
DPA
Doch Entwarnung wäre verfrüht: Noch ist nicht entschieden, ob das zweite Quartal tatsächlich den Tiefpunkt der Krise markiert. Die Unternehmenszahlen weisen jedenfalls nicht darauf hin. Allen voran entsetzte die Guiness-Buch-würdige Zahl von Glasfaserkabel-Hersteller JDS Uniphase. 50,6 Milliarden Dollar Verlust in einem Jahr - da schluckte selbst der hartgesottenste Trader.
Über Lucent hingegen regt sich schon niemand mehr auf. "Von Lucent erwartet man inzwischen schlechte Nachrichten", sagt Ken Shea, Forschungsdirektor bei der Rating-Agentur Standard & Poor's. Das Telekom-Unternehmen wird immer mehr zum Symbol des gefallenen Engels. Innerhalb eines Jahres hat der einstige Wall-Street-Darling seine Belegschaft von 155.000 auf 60.000 dezimiert. Im Moment läuft der Verkauf ganzer Unternehmensteile. So dringend ist Lucents Geldbedarf, dass das Management auch die Dividende von zwei Cents gestrichen hat.
Wie schon in der Vorwoche weigerten sich etliche Unternehmen, darunter JDS Uniphase, eine Prognose für die zweite Jahreshälfte abzugeben. "Die meisten amerikanischen Firmen haben nicht den leistesten Schimmer, wie ihr Geschäft läuft", klagt O'Keefe.
Derart im Dunkeln gelassen, weigern sich die Anleger, auf schlechte Nachrichten zu reagieren. Der Dow Jones verlor bloße 1,5 Prozent, der Nasdaq-Composite beendete die Woche unverändert. Das Leben geht weiter, scheinen die Anleger zu denken. Etwas anderes bleibt ihnen auch nicht übrig, sagt Shea: "Es gibt nichts, worauf sie sich freuen könnten."
Von Carsten Volkery
Nach einer zweiten Woche voller Enttäuschungen geben die ersten Börsianer an der Wall Street auf: Der Aufschwung kommt doch noch nicht.
Es ist alles so viel schlimmer. Je mehr US-Firmen ihre Ergebnisse für das zweite Quartal vorlegen, desto verheerender klingt die Botschaft. Der Zwischenstand nach der zweiten Woche des Zahlen-Marathons: Die Gewinne der US-Unternehmen sind um durchschnittlich 17 Prozent eingebrochen. In der Vorwoche waren es erst 15 Prozent. Und noch sind nicht alle durch: Es fehlen rund 105 der 500 im Standard and Poors gelisteten größten US-Unternehmen, darunter die Einzelhändler, deren Quartal bis Ende Juli geht.
Der Einzelhandel ist der nächste Meilenstein, auf den die Eingeweihten mit Spannung warten. An Wal-Mart und Co. dürfte am klarsten werden, wie es um die US-Wirtschaft bestellt ist. Das Portemonnaie der Verbraucher bleibt der beste Indikator für die Gesundheit der Wirtschaft. Doch auf einen mitreißenden Home-Run wagt keiner mehr zu hoffen.
Stattdessen bezweifeln Wall-Street-Beobachter inzwischen, dass sich die Gewinne der amerikanischen Unternehmen wie erwartet zum Anfang des nächsten Jahres erholen werden. Da kann Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan noch so viel über "erste Anzeichen der Strukturierung eines Bodens" philosophieren. Gewinnzuwächse werde man wahrscheinlich frühestens wieder im zweiten Quartal 2001 sehen, sagt Thomas O'Keefe, Analyst bei First Call.
Angesichts der düsteren Zukunft interessierte die Vergangenheit diese Woche nur am Rande: Die am Freitag veröffentlichte Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts löste an der Börse nur ein Gähnen aus. Die US-Wirtschaft wuchs demnach im zweiten Quartal um 0,7 Prozent - so langsam wie seit 1993 nicht mehr. Die positive Nachricht: Wenigstens ist sie nicht geschrumpft.
DPA
Doch Entwarnung wäre verfrüht: Noch ist nicht entschieden, ob das zweite Quartal tatsächlich den Tiefpunkt der Krise markiert. Die Unternehmenszahlen weisen jedenfalls nicht darauf hin. Allen voran entsetzte die Guiness-Buch-würdige Zahl von Glasfaserkabel-Hersteller JDS Uniphase. 50,6 Milliarden Dollar Verlust in einem Jahr - da schluckte selbst der hartgesottenste Trader.
Über Lucent hingegen regt sich schon niemand mehr auf. "Von Lucent erwartet man inzwischen schlechte Nachrichten", sagt Ken Shea, Forschungsdirektor bei der Rating-Agentur Standard & Poor's. Das Telekom-Unternehmen wird immer mehr zum Symbol des gefallenen Engels. Innerhalb eines Jahres hat der einstige Wall-Street-Darling seine Belegschaft von 155.000 auf 60.000 dezimiert. Im Moment läuft der Verkauf ganzer Unternehmensteile. So dringend ist Lucents Geldbedarf, dass das Management auch die Dividende von zwei Cents gestrichen hat.
Wie schon in der Vorwoche weigerten sich etliche Unternehmen, darunter JDS Uniphase, eine Prognose für die zweite Jahreshälfte abzugeben. "Die meisten amerikanischen Firmen haben nicht den leistesten Schimmer, wie ihr Geschäft läuft", klagt O'Keefe.
Derart im Dunkeln gelassen, weigern sich die Anleger, auf schlechte Nachrichten zu reagieren. Der Dow Jones verlor bloße 1,5 Prozent, der Nasdaq-Composite beendete die Woche unverändert. Das Leben geht weiter, scheinen die Anleger zu denken. Etwas anderes bleibt ihnen auch nicht übrig, sagt Shea: "Es gibt nichts, worauf sie sich freuen könnten."