Aus der FTD vom 6.3.2003 www.ftd.de/ezb
Euro-Hoch erleichtert Zinssenkung
Von Sebastian Dullien, Mark Schieritz und Andreas Krosta
Der Anstieg des Euro auf etwa 1,10 $ hat am Mittwoch die Wahrscheinlichkeit noch einmal erhöht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer Sitzung am Donnerstag die Zinsen senkt.
"Der starke Euro belastet die Konjunkturaussichten extrem. Damit wird ein Zinsschritt wahrscheinlicher", sagte Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America. Wie eine FTD-Umfrage ergab, werden führende deutsche Bankenökonomen ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum auch wegen der Euro-Aufwertung nach unten revidieren.
Der Euro hat in den vergangenen zwölf Monaten etwa 25 Prozent zum Dollar aufgewertet. Am Mittwoch übersprang er erstmals seit mehr als drei Jahren kurzzeitig die Marke von 1,10 $. Dies dämpft zwar den Preisauftrieb in der Euro-Zone, weil Importe günstiger werden, belastet aber die Konjunktur, weil europäische Exporte auf dem Weltmarkt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Zinssenkung um 50 Basispunkte erwartet
Die meisten Bankenökonomen rechneten bereits Anfang der Woche mit einer Lockerung der Geldpolitik um bis zu 50 Basispunkte; zuletzt senkte die EZB ihren Leitzins im Dezember um 50 Basispunkte auf 2,75 Prozent. Gedämpft wurden die Erwartungen durch den französischen Notenbankchef Jean-Claude Trichet, der sich auffällig zuversichtlich über die weiteren Konjunkturaussichten äußerte und von einem "signifikanten und lebhaften Wachstum" sprach. EZB-Präsident Wim Duisenberg hatte dies in den vergangenen Wochen angezweifelt.
Auch Analysten gaben sich pessimistischer als zuletzt Trichet. "Wegen der Euro-Stärke, der hohen Ölpreise und der Schwäche in wichtigen Euro-Ländern werden wir unsere Prognose wohl nach unten korrigieren müssen", sagte Ulrich Kater, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Deka-Bank. Derzeit erwartet das Institut für 2003 noch ein Wirtschaftswachstum im Euro-Raum von 1,4 Prozent.
Ähnlich äußerte sich Rainer Sartorius von HSBC, der derzeit noch ein Wachstum von 1,2 Prozent prognostiziert: "Die Abwärtsrisiken sind gestiegen." Jörg Lüschow von der WestLB sagte: "Wenn die Euro-Stärke anhält, müssen wir die derzeit erwarteten 1,25 Prozent noch einmal korrigieren." Nach einer neuen Studie der Deutschen Bank entspricht die bisherige Euro-Aufwertung einer Zinserhöhung um 200 Basispunkte.
"Die Aufwertung hat damit alle Zinssenkungen seit Anfang 2001 kompensiert", sagte Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Internationales bei der Deutschen Bank Research. Schon die bisherige Euro-Aufwertung auf 1,07 $ dämpft laut Schneider das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone 2003 um 0,75 Prozentpunkte. Der Währungsraum werde damit ein Wachstum von nur 1,0 Prozent erreichen, so der Ökonom.
Risiko Ölpreis
Eine zusätzliche Belastung für die Konjunktur dürfte neben der raschen Wechselkursänderung auch der jüngste Anstieg der Ölpreise deutlich über 30 $ pro Barrel sein. "Beim Öl kommen wir langsam in einen Bereich, in dem es kritisch wird", sagte Deka-Volkswirt Kater. Die derzeitige HSBC-Prognose basiert laut Sartorius auf einem durchschnittlichen Ölpreis 2003 von etwa 30 $ pro Barrel. Schon bei einem Anstieg auf 35 $ reduziere dies das Wachstum im Jahresschnitt um etwa 0,1 Prozentpunkte. "Wenn der Ölpreis bis zum Sommer hoch bleibt, ist die Konjunkturerholung in Gefahr", sagte WestLB-Volkswirt Lüschow.
Der Rohölpreis hat seit Jahresbeginn um 14 Prozent zugelegt und notierte am Mittwoch bei 33 $ pro Barrel (159 Liter). Allerdings wird die Preissteigerung für die Europäer zum Teil durch die positive Kehrseite der Euro-Aufwertung abgemildert. In Euro gerechnet kostet Öl derzeit nur etwa sieben Prozent mehr als im Januar.
Wie labil die konjunkturelle Lage im Euro-Raum derzeit schon ist, zeigten am Mittwoch Umfragen unter Einkaufsmanagern im Dienstleistungssektor. Der entsprechende Index des Forschungsinstituts NTC fiel im Februar um 1,1 auf 48,9 Punkte; das war der dritte Rückgang in Folge. Er liegt damit erstmals seit September wieder unter der 50-Punkte-Marke, deren Unterschreiten einen Rückgang der Geschäftstätigkeit signalisiert. In Deutschland fiel der Index sogar auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren.
--------------------------------------------------
Abwärtsrisiken
Euro In den vergangenen zwölf Monaten hat die Einheitswährung 25 Prozent zum Dollar zugelegt. Dies dämpft Europas Exporte und bremst die Konjunktur.
Rohstoff Der Ölpreis ist in Euro gerechnet seit Jahresbeginn um etwa sieben Prozent gestiegen. Dies mindert die Kaufkraft der Verbraucher und die Gewinne der Firmen.
© 2003 Financial Times Deutschland
Euro-Hoch erleichtert Zinssenkung
Von Sebastian Dullien, Mark Schieritz und Andreas Krosta
Der Anstieg des Euro auf etwa 1,10 $ hat am Mittwoch die Wahrscheinlichkeit noch einmal erhöht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer Sitzung am Donnerstag die Zinsen senkt.
"Der starke Euro belastet die Konjunkturaussichten extrem. Damit wird ein Zinsschritt wahrscheinlicher", sagte Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America. Wie eine FTD-Umfrage ergab, werden führende deutsche Bankenökonomen ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum auch wegen der Euro-Aufwertung nach unten revidieren.
Der Euro hat in den vergangenen zwölf Monaten etwa 25 Prozent zum Dollar aufgewertet. Am Mittwoch übersprang er erstmals seit mehr als drei Jahren kurzzeitig die Marke von 1,10 $. Dies dämpft zwar den Preisauftrieb in der Euro-Zone, weil Importe günstiger werden, belastet aber die Konjunktur, weil europäische Exporte auf dem Weltmarkt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Zinssenkung um 50 Basispunkte erwartet
Die meisten Bankenökonomen rechneten bereits Anfang der Woche mit einer Lockerung der Geldpolitik um bis zu 50 Basispunkte; zuletzt senkte die EZB ihren Leitzins im Dezember um 50 Basispunkte auf 2,75 Prozent. Gedämpft wurden die Erwartungen durch den französischen Notenbankchef Jean-Claude Trichet, der sich auffällig zuversichtlich über die weiteren Konjunkturaussichten äußerte und von einem "signifikanten und lebhaften Wachstum" sprach. EZB-Präsident Wim Duisenberg hatte dies in den vergangenen Wochen angezweifelt.
Auch Analysten gaben sich pessimistischer als zuletzt Trichet. "Wegen der Euro-Stärke, der hohen Ölpreise und der Schwäche in wichtigen Euro-Ländern werden wir unsere Prognose wohl nach unten korrigieren müssen", sagte Ulrich Kater, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Deka-Bank. Derzeit erwartet das Institut für 2003 noch ein Wirtschaftswachstum im Euro-Raum von 1,4 Prozent.
Ähnlich äußerte sich Rainer Sartorius von HSBC, der derzeit noch ein Wachstum von 1,2 Prozent prognostiziert: "Die Abwärtsrisiken sind gestiegen." Jörg Lüschow von der WestLB sagte: "Wenn die Euro-Stärke anhält, müssen wir die derzeit erwarteten 1,25 Prozent noch einmal korrigieren." Nach einer neuen Studie der Deutschen Bank entspricht die bisherige Euro-Aufwertung einer Zinserhöhung um 200 Basispunkte.
"Die Aufwertung hat damit alle Zinssenkungen seit Anfang 2001 kompensiert", sagte Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Internationales bei der Deutschen Bank Research. Schon die bisherige Euro-Aufwertung auf 1,07 $ dämpft laut Schneider das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone 2003 um 0,75 Prozentpunkte. Der Währungsraum werde damit ein Wachstum von nur 1,0 Prozent erreichen, so der Ökonom.
Risiko Ölpreis
Eine zusätzliche Belastung für die Konjunktur dürfte neben der raschen Wechselkursänderung auch der jüngste Anstieg der Ölpreise deutlich über 30 $ pro Barrel sein. "Beim Öl kommen wir langsam in einen Bereich, in dem es kritisch wird", sagte Deka-Volkswirt Kater. Die derzeitige HSBC-Prognose basiert laut Sartorius auf einem durchschnittlichen Ölpreis 2003 von etwa 30 $ pro Barrel. Schon bei einem Anstieg auf 35 $ reduziere dies das Wachstum im Jahresschnitt um etwa 0,1 Prozentpunkte. "Wenn der Ölpreis bis zum Sommer hoch bleibt, ist die Konjunkturerholung in Gefahr", sagte WestLB-Volkswirt Lüschow.
Der Rohölpreis hat seit Jahresbeginn um 14 Prozent zugelegt und notierte am Mittwoch bei 33 $ pro Barrel (159 Liter). Allerdings wird die Preissteigerung für die Europäer zum Teil durch die positive Kehrseite der Euro-Aufwertung abgemildert. In Euro gerechnet kostet Öl derzeit nur etwa sieben Prozent mehr als im Januar.
Wie labil die konjunkturelle Lage im Euro-Raum derzeit schon ist, zeigten am Mittwoch Umfragen unter Einkaufsmanagern im Dienstleistungssektor. Der entsprechende Index des Forschungsinstituts NTC fiel im Februar um 1,1 auf 48,9 Punkte; das war der dritte Rückgang in Folge. Er liegt damit erstmals seit September wieder unter der 50-Punkte-Marke, deren Unterschreiten einen Rückgang der Geschäftstätigkeit signalisiert. In Deutschland fiel der Index sogar auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren.
--------------------------------------------------
Abwärtsrisiken
Euro In den vergangenen zwölf Monaten hat die Einheitswährung 25 Prozent zum Dollar zugelegt. Dies dämpft Europas Exporte und bremst die Konjunktur.
Rohstoff Der Ölpreis ist in Euro gerechnet seit Jahresbeginn um etwa sieben Prozent gestiegen. Dies mindert die Kaufkraft der Verbraucher und die Gewinne der Firmen.
© 2003 Financial Times Deutschland