Der Dax bald über 5.000?
Seit dem Crash vom März 2000, als der Dax von seinem Höhepunkt von 8.100 hinabstieg, erlebten wir zwei markante Kurserholungen. Eine die im Oktober 2001 bei 3.600 begann und im März 2002 bei 5.600 endete, das waren rund 50% Kursgewinn. Die nächste Rallye startete wiederum im Oktober 2002, damals stand der Dax bei 2.500 und erholte sich auf 3.500, das waren wieder satte 40% Gewinn. In diesem Jahr begann die Rallye Mitte März bei 2.200 und stieg mittlerweile auf rund 2.900, das sind bisher immerhin bereits 30% Steigerung. Gleichgeblieben sind die Kommentare der Bullen, die sofort aus ihren Löchern kriechen und, sobald die Rallye 25% bis 30% erreicht, von alten Höchstkursen träumen und den Anlegern die Wiederkehr des Nirwana-Wunderlandes der Aktien der 90er Jahre suggerieren. Nächstes Hindernis sei lediglich die 3.000er Marke, die überwunden werden muss, damit die Post weiter abgehen kann. Der bekannte US-Vermögensverwalter, Ken Fisher, prognostiziert für Ende des Jahres einen Dax über 5.000 und einen Standard & Poors 500 über 1.200. Sein Optimismus für Amerika ist fundamental und mit soliden Argumenten begründet: Erst einmal in der Nachkriegsgeschichte ist der US-Markt im dritten und vierten Amtsjahr eines Präsidenten gefallen, und nächstes Jahr haben wir Präsidentschaftswahlen. Zweites solides und « tiefgründiges » Argument besteht in der Weiterführung des Amtes als US-Notenbankchef durch Alan Greenspan. Fishers bestechendes Argument im Wortlaut : « Greenspans junge Freundin will, dass er noch eine Amtszeit dranhängt, und damit ihn Bush wieder nominiert, werde er eine sehr wirtschaftsfreundliche Geldpolitik fahren. » Das Argument des Boerse Online Redakteurs, die Bewertung der US-Aktien sei sehr hoch, wischt Fisher galant vom Tisch : « Wer glaubt, die Kurs/Gewinnverhältnisse bestimmen die Richtung an den Aktienmärkten, der irrt. »
Professor Robert Shiller scheint seinen Bestseller « Irrational Exuberance » umsonst geschrieben zu haben, aber immerhin sagte er punktgerecht den Crash vom März 2000 voraus, als er nachwies, dass die KGV des Standard & Poors mit 44 weit über dem historischen Durchschnitt von 16 lag, und deshalb die Kurse einer Korrektur bedürfen. Heute hält Shiller den amerikanischen Markt nach wie vor für stark überbewertet.
Ich bleibe bei meiner Meinung seit 2001, dass wir für rund 10 Jahre eine Börse erleben wie in den 70er Jahren, das heisst eine Seitwärtsbewegung. Ich wiederhole, wie in den 70er Jahren müssen Sie als Anleger die Kurserholungen nutzen, und nach 15 bis 20% Kurserholung die Kursgewinne glattstellen. Nach dem Motto : Die Börse ist wie eine kalte Dusche nach der Saune, schnell reinspringen und schnell wieder raus. Nur so kommen Sie auf einen grünen Zweig. Misstrauen Sie Scharlatanen wie Professsor Fred Bergsten, Leiter des Institute for International Economics in Washington, eine der führenden Denkfabriken der USA, die behaupten, wie nach dem Kuwait-Krieg von 1991, als die Goldenen 90er Jahre begannen, kommt nach diesem Irak-Krieg wieder ein Jahrzehnt der Prosperität auf Amerika zu. Lassen Sie sich eher von dem an dieser Stelle schon öfters zitierten Nobelpreisträger Joseph Stiglitz überzeugen, der den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton beriet und Chefvolkswirt der Weltbank war : « Die fundamentalen Probleme der US-Wirtschaft sind immens, und sie wachsen durch den Krieg noch an. George Bush und seine Regierung haben nicht nur die Haushaltsüberschüsse der Clinton-Jahre verbraucht, sie haben sie in kürzester Zeit in Defizite umgewandelt, grösser als sich irgend jemand vorstellen konnte. Ich erwarte kein Jahrzehnt des Wachstums. Das reichste Land der Welt kann sich nicht unbegrenzt beim Rest der Welt verschulden. » Also aufgepasst : Demnächst platzt die Dollar-Blase. Fazit : Zweimal war es richtig nach 15 bis 20%iger Kurserholung seine Gewinne glattzustellen, es dürfte auch beim dritten Mal so sein. Verkaufen Sie also Ihre hier an dieser Stelle empfohlenen Allianz, Siemens, Daimler etc. Die grosse Wende an den Aktienbörsen liegt noch in weiter Ferne, und bis dahin werden wir alle kleinere Brötchen backen müssen. Merke : Kleinere Brötchen können knuspriger sein als grosse.
Roland Leuschel