Preisniveau bleibt aber hoch
Ölpreise fallen nach Chávez-Sieg
Die internationalen Ölmärkte haben mit leichter Entspannung auf den Sieg von Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez in der Abstimmung über seine Amtsenthebung reagiert.
NEW YORK/LONDON/CARACAS. An den wichtigsten Handelsplätzen entfernten sich die Notierungen am Montag etwas von den neuerlichen Rekordmarken, die zum Handelsschluss in der vorigen Woche erreicht worden waren. Dennoch blieb das Preisniveau hoch.
An der Londoner Ölbörse International Petroleum Exchange (IPE) fiel der Preis für Nordseeöl der Sorte Brent bis auf 43,35 Dollar je Barrel (159 Liter), nach einem Spitzenwert von 43,92 Dollar am Freitag. Am New Yorker Warenterminmarkt Nymex sank der Preis im elektronischen Handel bis auf 46,20, nachdem er zuvor zeitweise bis auf 46,91 Dollar geklettert war.
Auch Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hatte neue Spitzennotierungen erreicht: In der vergangenen Woche kostete es im Durchschnitt erstmals mehr als 40 Dollar. Wie das OPEC- Sekretariat am Montag mitteilte, stieg der durchschnittliche Korbpreis für sieben wichtige Rohölsorten von 39,13 Dollar in der Vorwoche auf 40,09 Dollar. Allein am Freitag hatte der Korbpreis für ein Barrel um 57 Cents auf 41,33 Dollar zugelegt und damit den höchsten Stand seit der Einführung des Korbpreises im Januar 1987 erreicht.
Der weltweit größte Ölexporteur Saudi-Arabien will nach den Worten von Kronprinz Abdullah seine Ölfördermenge so stark wie möglich erhöhen, um die hohen Ölpreise zu senken.
In einer am Montag veröffentlichten Zeitungsinterview sagte Abdullah, sein Land werde so viel fördern „wie die Ölfelder hergeben“. Ziel Saudi-Arabiens sei es, dass sich der derzeit von Rekordhoch zu Rekordhoch kletternde Ölpreis bei einem Preis zwischen 25 und 30 Dollar pro Barrel (knapp 159 Liter) einpendele. In dem Interview mit der Kuwaitischen Zeitung „Al-Sejassa“ und und ihrer arabischen Ausgabe der „Arab Times“ sagte Abdullah, das Königreich werde das äußerste tun, um die Preise zu senken und Öl auf „Rekordniveau“ fördern.
Entscheidende Ursache für die immer neuen Rekordstände an den Ölmärkten sind knappe freie Förderkapazitäten sowie die weltweit große Nachfrage, vor allem aus den USA und China. Hinzu kommt der psychologische Faktor: Die Händler sorgen sich beispielsweise angesichts der gespannten Lage im Irak um die Versorgungssicherheit. In diesem Zusammenhang hatte zuletzt auch das Thema Venezuela für Nervosität gesorgt.
Die Ölmärkte hatten für den Fall einer Niederlage von Chávez in der Volksabstimmung oder bei einem umstrittenen sehr knappen Ergebnis Unruhen und mögliche Lieferunterbrechungen befürchtet. Venezuela ist OPEC-Mitglied und ein großer Ölexporteur. Jegliche Beeinträchtigungen von Öllieferungen oder selbst die Möglichkeit von Problemen lassen den Ölpreis dieser Tage auf neue Rekordhöhen klettern.
Wie die oberste Wahlbehörde CNE am Montagmorgen in Caracas mitteilte, stimmte eine Mehrheit von 58,25 Prozent gegen die Absetzung des Staatschefs. Zwei Vertreter der Opposition in der fünfköpfigen CNE-Leitung erklärten, das Ergebnis könne noch nicht als offiziell betrachtet werden. Noch seien mehrere Dokumente, die die Auszählung der so genannten elektronischen Urnen bestätigen müssen, nicht überprüft worden. Die von Unternehmern, Gewerkschaften, Traditionsparteien, der Kirche und den Medien gebildete Opposition wirft Chávez einen autoritären Regierungsstil und eine „miserable Wirtschaftspolitik“ vor
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Der 50 Jahre alte frühere Oberstleutnant und Ex-Putschist Chávez regiert Venezuela seit Anfang 1999. Er wurde im Jahr 2000 nach einer Verfassungsreform für die neue Amtszeit von sechs Jahren bis zum 10. Januar 2007 im Amt bestätigt. Die Krise hatte im April 2002 mit der gewaltsamen Absetzung von Chávez und der Rückkehr des Präsidenten an die Macht nach nur 48 Stunden ihren Höhepunkt erreicht.
HANDELSBLATT, Montag, 16. August 2004, 13:11 Uhr