ANDERSEN
Landesgesellschaften treten die Flucht an
Während die Dachorganisation des angeschlagenen Wirtschaftsprüfers Andersen über eine Fusion mit dem Konkurrenten KPMG verhandelt, machen sich die Landesgesellschaften aus dem Staub. Andersens amerikanische Partner überlegen unterdessen, über Andersens De-facto-Auflösung abzustimmen.
AFP/DPA
Andersen Zentrale in Chicago: Jeder kämpft für sich allein
Die durch den Enron-Skandal in Bedrängnis geratene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Andersen zerfällt weiter. Andersen Worldwide, die Dachorganisation des aus zahlreichen nationalen Gesellschaften bestehenden, 85.000 Mitarbeiter umfassenden Netzwerks, verhandelt derzeit mit der Prüfungsgesellschaft KPMG über einen Zusammenschluss. Bei den Gesprächen geht es um Andersen Unternehmungen außerhalb der USA.
Der US-Arm des Netzwerks, Arthur Andersen LLP, ist von den Verhandlungen ausgenommen. Hintergrund sind die erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken, denen die Amerikaner ausgesetzt sind: Gegen Arthur Andersen LLP wird am 6. Mai vom US-Justizministerium Anklage wegen Behinderung der Justiz im Fall Enron erhoben; zudem haben zahlreiche durch den Kollaps des Energieunternehmens Geschädigte Zivilklagen gegen Arthur Andersen LLP eingereicht.
"Final Four" statt "Big Five"
Ein Verkauf des gesamten Andersen-Netzwerks exklusive der US-Operationen an einen Konkurrenten wird jedoch von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Am Freitag erklärten drei Landesgesellschaften, sie hätten eigene Vereinbarungen mit Konkurrenten getroffen. Andersen China und Hongkong schließen sich der weltweit größten Prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers LLP an - kurz zuvor hatten sich die asiatischen Andersen-Partner noch für eine Fusion mit KPMG ausgesprochen. Der russische Teil Andersens geht mit dem Wettbewerber Ernst & Young zusammen.
Weitere Indizien sprechen dafür, dass es keine globale Lösung für Andersen geben wird. Presseberichten zufolge versuchen Andersens Wettbewerber inzwischen, für sie interessante lokale Büros oder Einzelpersonen aus dem Netzwerk herauszubrechen. Denn trotz Skandalfällen wie Enron oder Waste Management haben die Prüfer des Traditionsunternehmens in der Branche einen exzellenten Ruf.
Konkurrenz umwirbt die Partner
Ernst & Young plant für das Wochenende in Atlanta angeblich einen Cocktail-Empfang für Andersen Mitarbeiter; James Copeland, der Chef von Deloitte Touche Tohmatsu, lud am vergangenen Wochenende laut einem Bericht des "Wall Street Journal" Angestellte des Konkurrenten zu einem Get-together in sein Privathaus ein.
Am begehrtesten sind jedoch Andersens Partner - sie sind diejenigen, die einen eigenen Kundestamm besitzen und bei einem Wechsel zur Konkurrenz neue Geschäfte als Brautgeschenk mitbringen können. Ein Partner einer "Big Five"-Prüfungsgesellschaft aus New York sagte dem "Wall Street Journal", es vergehe derzeit kaum ein Abend, an dem er sich nicht mit einem Andersen-Partner zum Dinner treffe.
Noch sind die US-Partner an Andersen gekettet
Die Sache hat nur einen Haken: Arthur Andersen hat eine so genannte "noncompete clause": Diese besagt, dass ein Partner, der zu einer anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechselt, seine alten Kunden nicht mitnehmen darf. Derzeit diskutieren Andersens
REUTERS
Andersens CEO Joseph Berardino: Nur die "noncompete clause" verhindert eine sofortige Implosion
US-Partner darüber, ob die Klausel abgeschafft werden soll. Laut einem Bericht des "Journal" wird es darüber möglicherweise in Kürze eine Abstimmung geben.
Würde die Klausel abgeschafft, brächen vermutlich alle Dämme, die Firma würde sich zwar nicht de jure, wohl aber de facto auflösen. Besonders Partner mit einem interessanten Kundenportfolio würden dann wohl fluchtartig die Firma verlassen. "Ich weiß nicht, wie ich abstimmen will", sagt ein Andersen-Partner. "Wenn es irgendeine Chance auf Rettung gäbe, würde ich dagegen stimmen. Zuzustimmen hieße, zuzugeben, dass wir auseinander fallen. Und wir wissen, dass es so ist."
Von Thomas Hillenbrand
Landesgesellschaften treten die Flucht an
Während die Dachorganisation des angeschlagenen Wirtschaftsprüfers Andersen über eine Fusion mit dem Konkurrenten KPMG verhandelt, machen sich die Landesgesellschaften aus dem Staub. Andersens amerikanische Partner überlegen unterdessen, über Andersens De-facto-Auflösung abzustimmen.
AFP/DPA
Andersen Zentrale in Chicago: Jeder kämpft für sich allein
Die durch den Enron-Skandal in Bedrängnis geratene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Andersen zerfällt weiter. Andersen Worldwide, die Dachorganisation des aus zahlreichen nationalen Gesellschaften bestehenden, 85.000 Mitarbeiter umfassenden Netzwerks, verhandelt derzeit mit der Prüfungsgesellschaft KPMG über einen Zusammenschluss. Bei den Gesprächen geht es um Andersen Unternehmungen außerhalb der USA.
Der US-Arm des Netzwerks, Arthur Andersen LLP, ist von den Verhandlungen ausgenommen. Hintergrund sind die erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken, denen die Amerikaner ausgesetzt sind: Gegen Arthur Andersen LLP wird am 6. Mai vom US-Justizministerium Anklage wegen Behinderung der Justiz im Fall Enron erhoben; zudem haben zahlreiche durch den Kollaps des Energieunternehmens Geschädigte Zivilklagen gegen Arthur Andersen LLP eingereicht.
"Final Four" statt "Big Five"
Ein Verkauf des gesamten Andersen-Netzwerks exklusive der US-Operationen an einen Konkurrenten wird jedoch von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Am Freitag erklärten drei Landesgesellschaften, sie hätten eigene Vereinbarungen mit Konkurrenten getroffen. Andersen China und Hongkong schließen sich der weltweit größten Prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers LLP an - kurz zuvor hatten sich die asiatischen Andersen-Partner noch für eine Fusion mit KPMG ausgesprochen. Der russische Teil Andersens geht mit dem Wettbewerber Ernst & Young zusammen.
Weitere Indizien sprechen dafür, dass es keine globale Lösung für Andersen geben wird. Presseberichten zufolge versuchen Andersens Wettbewerber inzwischen, für sie interessante lokale Büros oder Einzelpersonen aus dem Netzwerk herauszubrechen. Denn trotz Skandalfällen wie Enron oder Waste Management haben die Prüfer des Traditionsunternehmens in der Branche einen exzellenten Ruf.
Konkurrenz umwirbt die Partner
Ernst & Young plant für das Wochenende in Atlanta angeblich einen Cocktail-Empfang für Andersen Mitarbeiter; James Copeland, der Chef von Deloitte Touche Tohmatsu, lud am vergangenen Wochenende laut einem Bericht des "Wall Street Journal" Angestellte des Konkurrenten zu einem Get-together in sein Privathaus ein.
Am begehrtesten sind jedoch Andersens Partner - sie sind diejenigen, die einen eigenen Kundestamm besitzen und bei einem Wechsel zur Konkurrenz neue Geschäfte als Brautgeschenk mitbringen können. Ein Partner einer "Big Five"-Prüfungsgesellschaft aus New York sagte dem "Wall Street Journal", es vergehe derzeit kaum ein Abend, an dem er sich nicht mit einem Andersen-Partner zum Dinner treffe.
Noch sind die US-Partner an Andersen gekettet
Die Sache hat nur einen Haken: Arthur Andersen hat eine so genannte "noncompete clause": Diese besagt, dass ein Partner, der zu einer anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechselt, seine alten Kunden nicht mitnehmen darf. Derzeit diskutieren Andersens
REUTERS
Andersens CEO Joseph Berardino: Nur die "noncompete clause" verhindert eine sofortige Implosion
US-Partner darüber, ob die Klausel abgeschafft werden soll. Laut einem Bericht des "Journal" wird es darüber möglicherweise in Kürze eine Abstimmung geben.
Würde die Klausel abgeschafft, brächen vermutlich alle Dämme, die Firma würde sich zwar nicht de jure, wohl aber de facto auflösen. Besonders Partner mit einem interessanten Kundenportfolio würden dann wohl fluchtartig die Firma verlassen. "Ich weiß nicht, wie ich abstimmen will", sagt ein Andersen-Partner. "Wenn es irgendeine Chance auf Rettung gäbe, würde ich dagegen stimmen. Zuzustimmen hieße, zuzugeben, dass wir auseinander fallen. Und wir wissen, dass es so ist."
Von Thomas Hillenbrand