Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Volkswagen gelingt im ersten Halbjahr 2025 eine bedeutende Verschiebung auf dem europäischen Automarkt: Mit einem Absatzplus von über 70 % bei Elektroautos überholt die Marke ihren einstigen Rivalen Tesla bei den Zulassungszahlen in Europa. Laut vorab veröffentlichten Zahlen des Branchendienstleisters Dataforce setzte VW von Januar bis Mai 122.632 reine Elektrofahrzeuge ab – ein Zuwachs von rund 90 % gegenüber dem Vorjahr. Tesla hingegen büßte mehr als ein Drittel seines europäischen Volumens ein und kam auf nur 76.407 Neuzulassungen im gleichen Zeitraum.
In Deutschland dominiert VW bereits seit geraumer Zeit das Segment. Das Modell ID.7 ist aktuell das meistverkaufte Elektroauto im Land. Mit dem ID.3, ID.4 und ID.7 platziert VW gleich drei Modelle unter den fünf meistzugelassenen E-Autos in Europa. Der bisherige Spitzenreiter Tesla hat hingegen mit rückläufiger Nachfrage zu kämpfen. Im April 2025 verzeichnete das Unternehmen nur knapp 8.000 Neuzulassungen in Europa, so wenige wie seit Oktober 2022 nicht mehr.
Selbst das Tesla Model Y, noch immer das europaweit meistzugelassene Elektrofahrzeug, verliert zunehmend Marktanteile. Nur im März lagen beide Hersteller in Europa auf Augenhöhe – ansonsten hatte VW bei den Zulassungen konstant die Nase vorn.
Tesla-Chef Elon Musk reagiert auf die Schwächephase in Europa mit einem bemerkenswerten Schritt: Laut Bloomberg hat er persönlich die Verantwortung für Produktion und Vertrieb auf dem Kontinent übernommen. Sein langjähriger Vertrauter Omead Afshar verließ zuvor das Unternehmen. Diese Personalrochade unterstreicht, welchen Stellenwert Musk Europa trotz seiner öffentlichen Kritik („schwächster Markt“) einräumt.
In Grünheide bei Berlin steht Teslas einziges europäisches Werk. Doch trotz der geografischen Nähe zum europäischen Kundenmarkt hat der US-Hersteller mit Absatzproblemen und wachsenden Herausforderungen zu kämpfen – nicht zuletzt durch eine zunehmende Konkurrenz aus China und Europa selbst.
Laut Constantin Gall, Mobilitätsexperte und Managing Partner bei EY, ist der technologische Abstand zwischen Tesla und den deutschen Herstellern weitgehend geschmolzen: „Die Zeiten, als Tesla den europäischen Wettbewerbern technologisch weit überlegen war, sind vorbei.“ Die Investitionen der europäischen Hersteller in Ladeinfrastruktur, Software und Produktdesign zeigen nun Wirkung.
Dennoch stellt Gall klar, dass der nächste Schritt entscheidend ist: Profitabilität. Während VW inzwischen hohe Stückzahlen erreicht, liegt die Gewinnmarge weit unter den Unternehmenszielen. Gall fasst zusammen: „Mit dem Absatzvolumen alleine ist es nicht getan.“
Ein bedeutender Faktor für den VW-Erfolg ist die aggressive Preispolitik: Die Wolfsburger haben ihre Rabattaktionen auf die ID-Modelle bis Ende September 2025 verlängert. Der ID.3 liegt damit nun unter der psychologisch wichtigen 30.000-Euro-Grenze. Auch die größeren Modelle ID.4, ID.5 und ID.7 wurden deutlich verbilligt.
Diese Rabatte erhöhen nicht nur den Absatz, sondern sichern auch die Auslastung der Produktionswerke in Emden und Zwickau. Doch das hat seinen Preis: Die operative Rendite der Kernmarke VW sank im ersten Quartal 2025 auf nur 0,5 % – nach 3,9 % im Vorjahr. Hauptgründe sind laut dem Unternehmen hohe Restrukturierungskosten und Rückstellungen für CO₂-Verpflichtungen.
Vertriebschef Martin Sander betont zwar, dass mit den Elektrofahrzeugen bereits ein Gewinn erzielt werde – jedoch liegt dieser klar unter der Zielrendite von 6,5 %, die VW bis 2029 anstrebt.
Trotz schwacher Margen bleibt der E-Auto-Absatz für Volkswagen (VW Aktie) aus regulatorischer Sicht entscheidend. Die Einhaltung der EU-CO₂-Flottengrenzwerte ist für den Konzern zwingend notwendig, um Strafzahlungen zu vermeiden. Da die Berechnung der Emissionen auf Konzernebene erfolgt, spielt die volumenstarke Marke VW eine Schlüsselrolle.
Sander kündigte an, dass die Marke 2025 durch das hohe Elektro-Volumen einen „bedeutenden Beitrag zur CO₂-Compliance des Konzerns“ leisten werde. Konkrete Zielwerte wurden jedoch nicht genannt.
Die Zukunftsstrategie zur Erreichung der Gewinnziele fußt auf einer Vereinfachung der Produktion, günstigeren Plattformen und größeren Volumina. Zentrales Projekt ist der ID.2all, ein Elektrofahrzeug im Kompaktsegment mit einem geplanten Einstiegspreis von 25.000 Euro. Dieses Modell soll ab 2026 die Lücke zwischen Preis, Nachfrage und Marge schließen.
„Das wird unser erstes Elektroauto, bei dem wir eine Marge erreichen wie bei einem vergleichbaren Verbrenner“, so Sander im Interview mit dem Handelsblatt. Präsentiert werden soll das Fahrzeug noch in diesem Jahr – mutmaßlich auf der IAA 2025 in München.
Neben Tesla sieht sich VW auch mit wachsendem Wettbewerbsdruck durch chinesische Hersteller konfrontiert, die zunehmend den europäischen Markt ins Visier nehmen. Unter anderem BYD, Chery, Geely, Nio und SAIC Motor treiben ihre Expansion in Europa massiv voran. Vor allem BYD überholte im April 2025 erstmals Tesla bei den europäischen BEV-Zulassungen – mit 7.231 verkauften Fahrzeugen in einem Monat.
Die chinesischen Marken setzen auf attraktive Preise, moderne Technologie und eine schnelle Marktdurchdringung. So baut BYD in Ungarn derzeit ein eigenes Werk, Changan plant zehn neue Märkte in Europa und Geely will mit dem neuen EX5-SUV in Großbritannien starten.
Die Präsenz chinesischer Marken hat zu Handelsspannungen zwischen Brüssel und Peking geführt. Die EU-Kommission prüft seit Monaten Strafzölle auf in China produzierte Elektroautos. Ziel ist der Schutz europäischer Hersteller vor Marktverzerrungen durch staatlich subventionierte Importe.
Abseits des operativen Geschäfts belastet Tesla auch die zunehmende politische Aktivität von CEO Elon Musk. Laut einer Analyse von Morgan Stanley-Top-Analyst Adam Jonas könnten Musks Ambitionen in der US-Innenpolitik die Tesla-Aktie weiter unter Druck setzen. Jonas weist in einem Bericht darauf hin, dass Anleger mit weiteren Verlagerungen von Musks Aufmerksamkeit auf politische Projekte rechnen müssten.
Am Montag vor Veröffentlichung des Berichts verlor die Tesla-Aktie knapp 7 %, was einem Wertverlust von rund 68 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung entspricht. Hintergrund war Musks Ankündigung, eine neue politische Partei („America Party“) gründen zu wollen – aus Unmut über das kürzlich verabschiedete Gesetz „One Big Beautiful Bill Act“.
Obwohl Musk betont, seine Ablehnung habe nichts mit dem darin enthaltenen Ende der Bundessteueranreize für Elektrofahrzeuge zu tun, bleibt das Timing auffällig. Morgan Stanley hält dennoch an einer Kaufempfehlung für die Tesla-Aktie fest, mit einem Kursziel von 410 US-Dollar – ein erwartetes Aufwärtspotenzial von 39 % gegenüber dem damaligen Kurs von 293,94 USD. Allerdings fiel der Kurs seit Jahresbeginn bereits um 26 %.
Volkswagen gelingt es, seine Position als führender E-Auto-Anbieter in Europa weiter auszubauen. Doch die neue Dominanz beruht auf Rabatten, nicht auf Rentabilität. Während Tesla mit internen Umstrukturierungen und politisch motivierten Unsicherheiten kämpft, bleibt für VW die größte Herausforderung bestehen: Aus dem Volumen auch Gewinn zu generieren. Die entscheidende Phase beginnt 2026, wenn mit dem ID.2all das erste „Volks-Stromer“-Modell auf den Markt kommt, das endlich auch die Marge liefern soll, die für langfristigen Erfolg notwendig ist.
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