Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Der europäische Börsenbetreiber Euronext hat am Dienstag eine grundlegende Neuausrichtung seiner ESG-Strategie bekannt gegeben, um Investitionen in die europäische Verteidigungsindustrie gezielt zu unterstützen. Diese Maßnahme soll nicht nur die Eigenständigkeit Europas im Verteidigungsbereich stärken, sondern auch die Abhängigkeit von US-Rüstungsgütern verringern.
Kernstück der Reform ist die Umbenennung des ESG-Akronyms von „Umwelt, Soziales und Governance“ in „Energie, Sicherheit und Geostrategie“. Stephane Boujnah, CEO und Vorsitzender von Euronext, erklärte, dass die Anpassung eine Reaktion auf die veränderte geopolitische Lage sei.
Die Verteidigungsunternehmen der Region, insbesondere aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt, haben ihre dringende Notwendigkeit signalisiert, massiv in Innovationen und Produktionskapazitäten zu investieren. Ziel ist es, die strategische Autonomie Europas für die kommenden Jahrzehnte zu gewährleisten.
Euronext plant, die Methodik seiner ESG-Indizes anzupassen, um die bisher geltenden Ausschlüsse von Verteidigungsunternehmen zu lockern. In Absprache mit ESG-Rating-Agenturen soll künftig lediglich die Produktion von Waffen erfasst werden, die durch internationale Verträge explizit verboten sind.
Darüber hinaus kündigte Euronext die Einführung neuer Indizes mit den Schwerpunkten Energie, Sicherheit und Geostrategie an. Diese sollen den veränderten Anforderungen europäischer Anleger gerecht werden, die verstärkt in sicherheitsrelevante Branchen investieren möchten.
Mit dem Programm „IPOready Defence“ will Euronext speziell Börsengänge im Verteidigungssektor fördern. Das EU-finanzierte Projekt startet im dritten Quartal 2025 und soll Unternehmen eine schnellere Notierung ermöglichen. Zudem soll die Zeitspanne für die Notierung von Verteidigungsanleihen auf nur zwei Tage verkürzt werden.
Analysten skeptisch
Obwohl die Förderung von Börsengängen im Verteidigungsbereich positiv bewertet wird, bleiben einige Analysten zurückhaltend. Reg Watson von ING betont, dass letztlich der Markt über den Erfolg von IPOs entscheidet, nicht die Börsenbetreiber selbst.
Parallel zu den Entwicklungen bei Euronext kann die Thyssenkrupp-Tochter TKMS einen bedeutenden Auftragserfolg verbuchen. Singapurs Marine hat den Bau von zwei weiteren U-Booten des Typs 218SG in Auftrag gegeben. Dies erhöht den Auftragsbestand von TKMS auf etwa 16 Milliarden Euro und sichert die Auslastung bis in die 2040er Jahre.
Die neuen Einheiten ergänzen die bereits bestellten vier U-Boote derselben Klasse, die zu den größten in Deutschland gebauten U-Booten seit dem Zweiten Weltkrieg zählen. Die 70 Meter langen Boote der Invincible-Klasse sind mit einem außenluftunabhängigen Brennstoffzellenantrieb ausgestattet und bieten Platz für eine Besatzung von 28 Personen.
Die Fertigung der neuen Boote erfolgt am Standort Kiel, wobei die vorhandenen Kapazitäten trotz hoher Auslastung die Erweiterung ermöglichen. Bereits im Dezember hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags den Bau von vier U-Booten der Klasse 212CD für die Deutsche Marine bewilligt, was das Auftragsvolumen um weitere 4,7 Milliarden Euro erhöht.
Die Entscheidung Singapurs, die Anzahl seiner U-Boote weiter zu erhöhen, unterstreicht die internationale Nachfrage nach moderner Rüstungstechnologie „Made in Germany“. Gleichzeitig zeigt sich die Bedeutung einer starken europäischen Verteidigungsindustrie, die von strategischen Aufträgen und langfristiger Planung profitiert.
Europäische Vermögensverwalter und institutionelle Anleger überdenken angesichts geopolitischer Veränderungen ihre ESG-Kriterien. Dabei gewinnt die Förderung sicherheitsrelevanter Branchen zunehmend an Bedeutung, insbesondere in Ländern, die ihre militärische Unabhängigkeit stärken wollen.
Mit der Umbenennung und Neuausrichtung seiner ESG-Strategie trägt Euronext der veränderten geopolitischen Realität Rechnung und öffnet Verteidigungsunternehmen neue Finanzierungsmöglichkeiten. Dies könnte die Wettbewerbsfähigkeit dieser stärken und zu einer etwas größeren Unabhängigkeit gegenüber den USA führen. Gleichzeitig sichert sich Thyssenkrupp Marine Systems durch den erweiterten Auftrag aus Singapur eine langfristige Auftragslage. Europas Verteidigungsindustrie rückt somit ein Stück weiter in den Fokus internationaler Investoren.
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