Bilanzexperte: Buchführung nach US-Gaap hätte Konzern in die roten Zahlen
geführt
Von Karlheinz Küting
Saarbrücken - Nur wenige Konzerne können ein solch starkes Wachstum
vorweisen
wie der Kamps-Konzern. Die führende deutsche Handwerksbäckerei mit Sitz in
Düsseldorf wartete in den letzten Jahren mit sensationellen Wachstumsraten
auf.
Im Lagebericht heißt es, dass mit dem Wachstum "eine überproportionale
Verbesserung der Ertragsstärke erreicht" werden konnte. Und auf der
Bilanzpressekonferenz am 7. März wurde ein Anstieg des Betriebsergebnisses
um
"mehr als das Vierfache" verkündet.
Eine Kurzanalyse des Jahresabschlusses 2000 fördert jedoch mehrere
bedenkliche
Aspekte zu Tage, die in einer Gesamtbeurteilung der Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage des Konzerns einzubeziehen sind. Die allzu euphorischen
Kennzahlen
dürften hierdurch wesentlich relativiert werden. Unter anderem geht aus der
Jahresbilanz hervor, dass die Kamps AG über keinerlei Rücklagen mehr
verfügt.
Sowohl bei Kapital- als auch bei Gewinnrücklagen findet der Leser eine "0"
im
Geschäftsbericht: Ein Novum in der deutschen Bilanzierungspraxis.
Kamps ist ein Paradebeispiel dafür, dass dem sogenannten Geschäfts- oder
Firmenwert in der Bilanzanalyse eine Schlüsselrolle zufallen kann. Er ist
die
Differenz zwischen dem Kaufpreis der Anteile einer Firma und dem zu
Zeitwerten
angesetzten Reinvermögen. Es handelt sich damit um eine rein rechnerische
Restgröße, deren ökonomische Substanz zu hinterfragen ist. Im Geschäfts-
oder
Firmenwert können sich einerseits wichtige Gewinnerwartungen widerspiegeln.
Der
angegebene Geschäfts- oder Firmenwert kann sich aber auch als wertlos
erweisen,
wenn für das Unternehmen ein unangemessener Kaufpreis gezahlt wurde. In der
klassischen Bilanzanalyse wird der Geschäfts- oder Firmenwert deshalb aus
Vorsichtsgründen gegen das bilanzielle Eigenkapital aufgerechnet.
Nach IAS- und Gaap-Regeln muss der Geschäfts- oder Firmenwert erfolgswirksam
abgeschrieben werden. Nach HGB-Vorschriften darf er auch erfolgsneutral
gegen
die Rücklagen verrechnet werden. Soweit eben möglich, hat Kamps im Jahr 2000
die
letztere Verfahrensweise gewählt. Die Verrechnung von 2081 Mio. DM gegen
das
Eigenkapital führte dazu, dass Kamps zum 31. 12. 2000 über keine
Kapitalrücklage
und keine Gewinnrücklagen mehr verfügt. Weitere Geschäfts- oder Firmenwerte
in
Höhe von 896 Mio. DM konnten aufgrund fehlender Rücklagen nicht mehr
erfolgsneutral verrechnet werden.
Die von Kamps gewählte Bilanzierung lässt folgende Schlussfolgerungen zu:
- Der relativ hohe "Geschäfts- oder Firmenwert" von 896 Mio. DM wird - wenn
keine Rücklagen mehr vorhanden sind - den zukünftigen Jahreserfolg
nachhaltig
beeinträchtigen. Für den Fall, dass Kamps etwa eine zehnjährige Verrechnung
wählt, wird der Überschuss in jedem einzelnen der kommenden zehn Jahre um
rund
90 Mio. DM reduziert.
- Die Verrechnung der Geschäfts- oder Firmenwerte verringerte das
bilanzielle
Eigenkapital um 83 Prozent und die Eigenkapitalquote um 87 Prozent.
- Der ausgewiesene Geschäfts- oder Firmenwert übersteigt das Eigenkapital um
212
Prozent.
- Wäre der Geschäfts- oder Firmenwert - wie nach den internationalen
Bilanzierungsregeln IAS- und Gaap allein zulässig - erfolgswirksam
abgeschrieben
worden und hätte man zum Beispiel eine Nutzungsdauer von zehn Jahren
zugrundegelegt, hätte Kamps einen tiefroten Jahresfehlbetrag ausgewiesen.
Daneben hat Kamps Abschreibungen auf Geschäfts- oder Firmenwerte aus den
Einzelabschlüssen im Konzernabschluss rückgängig gemacht. Auch sie werden
nunmehr erfolgsneutral gegen die Rücklagen verrechnet. Begründet wird dies
damit, dass es "zwischen den Geschäfts- und Firmenwerten aus der
Kapitalkonsolidierung und solchen aus den Einzelabschlüssen keine
materiellen
Unterschiede gibt und somit die Verrechnung einer konzerneinheitlichen
Bilanzierung dient". Diese Begründung kann nicht überzeugen. Das Vorgehen
ist
sowohl in Deutschland wie auch in der internationalen Rechnungslegung
unüblich.
Allein diese Verrechnung führt bei Kamps zu einer Minderung der
Jahresabschreibungen um drei Mio. DM und damit zu einer Erhöhung des
Jahreserfolgs in gleicher Höhe.
Neben der Behandlung des Geschäfts- oder Firmenwertes hat Kamps weitere
erfolgserhöhende Maßnahmen vorgenommen. So wurden Disagiobeträge
(zinsreduzierender Abschlag bei der Kreditaufnahme) aktiviert und über die
Laufzeit der zugrundeliegenden Verbindlichkeit aufgelöst. Kamps hätte
alternativ
- wie häufig in der deutschen Bilanzierung praktiziert - den gesamten
Disagiobetrag sofort als Aufwand verrechnen können. Derzeit ist in der
Bilanz
ein Disagiobetrag von 2,3 Mio. DM enthalten.
Mit zwei Änderungen von Bewertungs-Maßstäben durchbrach Kamps zudem den
Grundsatz der Stetigkeit in der Buchführung. Beide Bewertungswechsel dürften
zum
Ziel gehabt haben, die Abschreibungen in den Jahren 1999 und 2000 zu
vermindern, um auf diesem Wege den Erfolgsausweis bilanzpolitisch zu
verbessern:
- So wurden die Gegenstände des Sachanlagevermögens 1999 erstmalig nach der
linearen Methode pro rate temporis abgeschrieben. Im Jahr 1998 noch wandte
man
die eigentlich übliche geometrisch degressive Methode an.
- Im Geschäftsjahr 2000 erfolgte der zweite Bewertungswechsel: "Im Rahmen
einer
Überprüfung der wirtschaftlichen und technischen Nutzungsdauern wurden die
Abschreibungszeiten im Geschäftsjahr an die tatsächlichen Nutzungsdauern
angepasst", heißt es im Geschäftsbericht. Nicht gesagt wird allerdings, wie
lang
die Abschreibungszeiträume nun geworden sind.
Der Gesetzgeber fordert in Paragraph 284 Abs.2 HGB, dass bei Abweichungen
von
den bisherigen Bewertungsmethoden "deren Einfluss auf die Vermögens-,
Finanz-
und Ertragslage gesondert darzustellen ist", um die Jahresabschlüsse über
mehrere Jahre hinweg vergleichbar zu machen. Diese Pflichtangabe sucht der
Leser
bei Kamps vergeblich. Ein klarer Gesetzesverstoß, der leider allerdings
auch
von Wirtschaftsprüfern anderer Konzerne oft toleriert wird.
Die sonstigen betrieblichen Erträge, in denen sich häufig die Ergebnisse
bilanzpolitischer Gestaltungen widerspiegeln, verdoppelten sich von 76 Mio.
DM
auf 154 Mio. DM. Allein 46 Mio. DM stammen dabei aus der Auflösung von
Rückstellungen. Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sanken hingegen.
Die von der Kamps AG zugunsten der Kamps Rheinland GmbH, Kamps Bonn GmbH,
Kamps
Niederrhein GmbH, Kamps Westfalen GmbH & Co. KG und Kamps Berlin GmbH
abgegebenen Patronatserklärungen könnten darauf hindeuten, dass in Zukunft
Verpflichtungen dieser Gesellschaften übernommen werden müssen. Wie hoch
ihre
Verschuldung und wie hoch das Risiko einer Inanspruchnahme des Patronats
ist,
geht aus dem Geschäftsbericht nicht hervor.
Der Autor ist Ordinarius für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und
Direktor
des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes.
geführt
Von Karlheinz Küting
Saarbrücken - Nur wenige Konzerne können ein solch starkes Wachstum
vorweisen
wie der Kamps-Konzern. Die führende deutsche Handwerksbäckerei mit Sitz in
Düsseldorf wartete in den letzten Jahren mit sensationellen Wachstumsraten
auf.
Im Lagebericht heißt es, dass mit dem Wachstum "eine überproportionale
Verbesserung der Ertragsstärke erreicht" werden konnte. Und auf der
Bilanzpressekonferenz am 7. März wurde ein Anstieg des Betriebsergebnisses
um
"mehr als das Vierfache" verkündet.
Eine Kurzanalyse des Jahresabschlusses 2000 fördert jedoch mehrere
bedenkliche
Aspekte zu Tage, die in einer Gesamtbeurteilung der Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage des Konzerns einzubeziehen sind. Die allzu euphorischen
Kennzahlen
dürften hierdurch wesentlich relativiert werden. Unter anderem geht aus der
Jahresbilanz hervor, dass die Kamps AG über keinerlei Rücklagen mehr
verfügt.
Sowohl bei Kapital- als auch bei Gewinnrücklagen findet der Leser eine "0"
im
Geschäftsbericht: Ein Novum in der deutschen Bilanzierungspraxis.
Kamps ist ein Paradebeispiel dafür, dass dem sogenannten Geschäfts- oder
Firmenwert in der Bilanzanalyse eine Schlüsselrolle zufallen kann. Er ist
die
Differenz zwischen dem Kaufpreis der Anteile einer Firma und dem zu
Zeitwerten
angesetzten Reinvermögen. Es handelt sich damit um eine rein rechnerische
Restgröße, deren ökonomische Substanz zu hinterfragen ist. Im Geschäfts-
oder
Firmenwert können sich einerseits wichtige Gewinnerwartungen widerspiegeln.
Der
angegebene Geschäfts- oder Firmenwert kann sich aber auch als wertlos
erweisen,
wenn für das Unternehmen ein unangemessener Kaufpreis gezahlt wurde. In der
klassischen Bilanzanalyse wird der Geschäfts- oder Firmenwert deshalb aus
Vorsichtsgründen gegen das bilanzielle Eigenkapital aufgerechnet.
Nach IAS- und Gaap-Regeln muss der Geschäfts- oder Firmenwert erfolgswirksam
abgeschrieben werden. Nach HGB-Vorschriften darf er auch erfolgsneutral
gegen
die Rücklagen verrechnet werden. Soweit eben möglich, hat Kamps im Jahr 2000
die
letztere Verfahrensweise gewählt. Die Verrechnung von 2081 Mio. DM gegen
das
Eigenkapital führte dazu, dass Kamps zum 31. 12. 2000 über keine
Kapitalrücklage
und keine Gewinnrücklagen mehr verfügt. Weitere Geschäfts- oder Firmenwerte
in
Höhe von 896 Mio. DM konnten aufgrund fehlender Rücklagen nicht mehr
erfolgsneutral verrechnet werden.
Die von Kamps gewählte Bilanzierung lässt folgende Schlussfolgerungen zu:
- Der relativ hohe "Geschäfts- oder Firmenwert" von 896 Mio. DM wird - wenn
keine Rücklagen mehr vorhanden sind - den zukünftigen Jahreserfolg
nachhaltig
beeinträchtigen. Für den Fall, dass Kamps etwa eine zehnjährige Verrechnung
wählt, wird der Überschuss in jedem einzelnen der kommenden zehn Jahre um
rund
90 Mio. DM reduziert.
- Die Verrechnung der Geschäfts- oder Firmenwerte verringerte das
bilanzielle
Eigenkapital um 83 Prozent und die Eigenkapitalquote um 87 Prozent.
- Der ausgewiesene Geschäfts- oder Firmenwert übersteigt das Eigenkapital um
212
Prozent.
- Wäre der Geschäfts- oder Firmenwert - wie nach den internationalen
Bilanzierungsregeln IAS- und Gaap allein zulässig - erfolgswirksam
abgeschrieben
worden und hätte man zum Beispiel eine Nutzungsdauer von zehn Jahren
zugrundegelegt, hätte Kamps einen tiefroten Jahresfehlbetrag ausgewiesen.
Daneben hat Kamps Abschreibungen auf Geschäfts- oder Firmenwerte aus den
Einzelabschlüssen im Konzernabschluss rückgängig gemacht. Auch sie werden
nunmehr erfolgsneutral gegen die Rücklagen verrechnet. Begründet wird dies
damit, dass es "zwischen den Geschäfts- und Firmenwerten aus der
Kapitalkonsolidierung und solchen aus den Einzelabschlüssen keine
materiellen
Unterschiede gibt und somit die Verrechnung einer konzerneinheitlichen
Bilanzierung dient". Diese Begründung kann nicht überzeugen. Das Vorgehen
ist
sowohl in Deutschland wie auch in der internationalen Rechnungslegung
unüblich.
Allein diese Verrechnung führt bei Kamps zu einer Minderung der
Jahresabschreibungen um drei Mio. DM und damit zu einer Erhöhung des
Jahreserfolgs in gleicher Höhe.
Neben der Behandlung des Geschäfts- oder Firmenwertes hat Kamps weitere
erfolgserhöhende Maßnahmen vorgenommen. So wurden Disagiobeträge
(zinsreduzierender Abschlag bei der Kreditaufnahme) aktiviert und über die
Laufzeit der zugrundeliegenden Verbindlichkeit aufgelöst. Kamps hätte
alternativ
- wie häufig in der deutschen Bilanzierung praktiziert - den gesamten
Disagiobetrag sofort als Aufwand verrechnen können. Derzeit ist in der
Bilanz
ein Disagiobetrag von 2,3 Mio. DM enthalten.
Mit zwei Änderungen von Bewertungs-Maßstäben durchbrach Kamps zudem den
Grundsatz der Stetigkeit in der Buchführung. Beide Bewertungswechsel dürften
zum
Ziel gehabt haben, die Abschreibungen in den Jahren 1999 und 2000 zu
vermindern, um auf diesem Wege den Erfolgsausweis bilanzpolitisch zu
verbessern:
- So wurden die Gegenstände des Sachanlagevermögens 1999 erstmalig nach der
linearen Methode pro rate temporis abgeschrieben. Im Jahr 1998 noch wandte
man
die eigentlich übliche geometrisch degressive Methode an.
- Im Geschäftsjahr 2000 erfolgte der zweite Bewertungswechsel: "Im Rahmen
einer
Überprüfung der wirtschaftlichen und technischen Nutzungsdauern wurden die
Abschreibungszeiten im Geschäftsjahr an die tatsächlichen Nutzungsdauern
angepasst", heißt es im Geschäftsbericht. Nicht gesagt wird allerdings, wie
lang
die Abschreibungszeiträume nun geworden sind.
Der Gesetzgeber fordert in Paragraph 284 Abs.2 HGB, dass bei Abweichungen
von
den bisherigen Bewertungsmethoden "deren Einfluss auf die Vermögens-,
Finanz-
und Ertragslage gesondert darzustellen ist", um die Jahresabschlüsse über
mehrere Jahre hinweg vergleichbar zu machen. Diese Pflichtangabe sucht der
Leser
bei Kamps vergeblich. Ein klarer Gesetzesverstoß, der leider allerdings
auch
von Wirtschaftsprüfern anderer Konzerne oft toleriert wird.
Die sonstigen betrieblichen Erträge, in denen sich häufig die Ergebnisse
bilanzpolitischer Gestaltungen widerspiegeln, verdoppelten sich von 76 Mio.
DM
auf 154 Mio. DM. Allein 46 Mio. DM stammen dabei aus der Auflösung von
Rückstellungen. Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sanken hingegen.
Die von der Kamps AG zugunsten der Kamps Rheinland GmbH, Kamps Bonn GmbH,
Kamps
Niederrhein GmbH, Kamps Westfalen GmbH & Co. KG und Kamps Berlin GmbH
abgegebenen Patronatserklärungen könnten darauf hindeuten, dass in Zukunft
Verpflichtungen dieser Gesellschaften übernommen werden müssen. Wie hoch
ihre
Verschuldung und wie hoch das Risiko einer Inanspruchnahme des Patronats
ist,
geht aus dem Geschäftsbericht nicht hervor.
Der Autor ist Ordinarius für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und
Direktor
des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes.