Wachstum wie im Märchenland

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Wachstum wie im Märchenland

 
11.11.03 13:46
[ noch eine Fundsache ]

"Wirtschaftswunder" durch Zahlenfälschung - Wachstum wie im Märchenland

Die sensationelle Nachricht kam am 30. Oktober. Das Büro für Wirtschaftsanalysen der US-Regierung gab bekannt, daß die amerikanische Wirtschaft im dritten Quartal 2003 um sage und schreibe 7,2% gewachsen ist, während der Rest der Welt im Umfeld des Nullwachstums herumdümpelt. Noch nicht einmal während der Hochphase der "New Economy" in den späten 90er Jahren hatte es jemals ein Quartal mit einem derart explosiven Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegeben. Haben die USA nun China als die dynamischste Region der Weltwirtschaft abgelöst? Wachstumsraten von 7% kennt man bislang eigentlich nur von Volkswirtschaften, in denen neue Unternehmen und damit zugleich unzählige neue Arbeitsplätze wie Pilze aus dem Boden sprießen und das ganze Land umkrempeln.

Davon ist in den USA aber nicht viel zu sehen. Obwohl ständig Millionen unbeschäftigte Amerikaner aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik herausfallen, weil sie schon längere Zeit arbeitslos sind oder weil sie für ein paar Stunden pro Woche einen Minijob gefunden haben, ist die Zahl der offiziell Arbeitslosen auf fast 9 Millionen geklettert. Selbst nach den geschönten Statistiken der Regierung sind seit Amtsantritt von George W. Bush netto 3,3 Millionen Arbeitsplätze in der US-Wirtschaft verloren gegangen.

Auch in jüngster Vergangenheit hat der Arbeitsplatzschwund, trotz der märchenhaft tollen Wachstumszahlen, keineswegs aufgehört. So berichtete am 5. November die Job-Agentur Challenger, Gray & Christmas, daß die großen amerikanischen Unternehmen allein im Monat Oktober den Abbau von insgesamt 172 000 Arbeitsplätzen angekündigt haben. Das sind doppelt so viel wie im Vormonat, dreimal so viel wie man erwartet hatte und mehr als in jedem Monat seit Oktober 2002. Der Automobilsektor gab im Oktober die Streichung von 28 000 Arbeitsplätzen bekannt, im Einzelhandel und im Telekomsektor waren es jeweils 21 000. Und 78% der befragten Personalchefs erwarten für die nächsten neun Monate nicht den geringsten Aufschwung bei Neueinstellungen. Kein einziger Personalchef, so die Job-Agentur, erwartet eine Verbesserung der Arbeitsplatzsituation im jetzigen oder im darauffolgenden Quartal.


Das seltsam "bereinigte" BIP
Aber was ist es dann, was da in der amerikanischen Wirtschaft so fulminant wächst? Die Antwort ist die gleiche wie zu Zeiten der "New Economy": Das einzige, was wirklich wächst, sind Schulden und Bilanzfälschungen. Letzteres betrifft die Unternehmen wie die Regierung.

Nehmen wir die BIP-Zahlen für das dritte Quartal unter die Lupe. Den Regierungsstatistikern zufolge stieg das "reale" BIP - also nach allen möglichen saisonalen, inflationsbedingten und sonstigen "Bereinigungen" - von 9629 Mrd. Dollar im zweiten Quartal auf 9797 Mrd. Dollar im dritten Quartal. Zunächst einmal sind das ziemlich große Zahlen für ein Quartal, wenn man bedenkt, daß das reale BIP im ganzen letzten Jahr 9440 Mrd. Dollar betrug. In der US-Statistik gibt es aber die Gewohnheit, sämtliche Quartalszahlen auf das Jahr hochzurechnen, d.h. sie mit einem Faktor 4 zu multiplizieren. Das sieht dann schon viel imposanter aus. Für das prozentuale Wachstum ist es allerdings ohne Belang. Wenn man nun aber den Anstieg um 168 Mrd. Dollar vom zweiten auf das dritte Quartal in Wachstumsraten ausdrückt, kommt ein handelsüblicher deutscher Taschenrechner lediglich auf magere 1,7% Zuwachs. Die 7,2% erhält man nur dann, wenn man auch das Wachstum vom Quartal auf's Jahr hochrechnet - eine Praxis, die außerhalb der USA kaum üblich ist.

Aber auch die 168 Mrd. Dollar sind geschwindelt. Denn der bedeutendste Faktor sind hier die Computerkäufe, die angeblich von 354,9 auf 390,3 Mrd. Dollar anstiegen. Der Bericht der US-Regierung gibt zugleich unumwunden zu, daß die real stattgefundenen Computerkäufe lediglich von 82,4 auf 88,3 Mrd. Dollar angestiegen sind. Wie erklärt sich der Unterschied? Nun, die Statistiker meinen, daß ein heutiger Computer im Wert von tausend Dollar im Jahre 1996 wohl über 4000 Dollar gekostet hätte, wenn er theoretisch dann schon vorhanden gewesen wäre. Bei der Berechnung des "realen" BIP will man aber alles, um die Preisinflation herauszunehmen, "in Preisen von 1996" ausdrücken. Also geht man hin und multipliziert den ganzen Umsatz im Computersektor mit einem Faktor, der ständig größer wird und sich momentan auf 4,42 beläuft. Mit anderen Worten: Wenn ein US-Unternehmen heute für tausend Dollar einen Computer kauft, dann steigt allein durch diesen Kauf das US-Bruttoinlandsprodukt rechnerisch um 4420 Dollar an. Eine tolle Sache: Auf diese Weise wird ein Anstieg um 5,9 Mrd. Dollar in einen Anstieg um 35,4 Mrd. Dollar verwandelt, eine glatte Versechsfachung mittels statistischer Tricks. (Für das ganze Verfahren, genannt "hedonische" Preisanpassung, gibt es natürlich höchst "wissenschaftliche" Begründungen.)


Nicht Wachstums-, sondern Schuldenrekord!
Der andere entscheidende Faktor ist die ungehemmte Schuldenproduktion. Der Privatmann nimmt immer höhere Hypotheken auf's Haus, reizt sämtliche Kreditkartenspielräume aus und läßt beim Autohändler anschreiben. Auch die Regierung macht inzwischen rekordhohe Schulden, über 500 Mrd. Dollar pro Jahr. Und der Unternehmenssektor stellt die privaten Haushalte und die Regierung bei der Anhäufung neuer Schulden noch in den Schatten.

Alles in allem kommen so jedes Jahr rund 2000 Mrd. Dollar an zusätzlichen Schulden zusammen. Dagegen fällt der auf das Jahr hochgerechnete und durch kreative Buchführung aufgeblähte Zuwachs des BIP in Höhe von 168 Mrd. Dollar recht mickrig aus. Sollten demnächst die Zinsraten von ihrem 50-Jahres-Tief abheben, dann wird sich der nunmehr 33 Billionen Dollar schwere US-Schuldenberg in eine hochexplosive Sprengladung für die Weltwirtschaft verwandeln.

Schon viel früher könnte an den weltweiten Aktienmärkten ein neues Ungewitter losbrechen. Wirtschaftsprofessor Fredmund Malik von der Hochschule St. Gallen faßte die Lage am 2. November folgendermaßen zusammen: Die Stimmung an den Aktienmärkten ist "grotesk und steht in krassem Widerspruch zur tatsächlichen Lage". Was Anleger wie Medien gegenwärtig charakterisiere, sei eine "Blindheit gegenüber Fakten, das Ausblenden aller Information, welche die gute Stimmung stören könnte". Malik ist daher der Auffassung, daß "ein crashartiges Einbrechen der Aktienkurse hochwahrscheinlich ist - und zwar innert der nächsten Tage oder Wochen".


Grüße

NL
Willi1:

WAU! o. T.

 
11.11.03 13:57
54reab:

wieso muss malik an der hochschule arbeiten, wo

 
11.11.03 14:08
er doch in die zukunft schauen kann. die fundsache gibt nicht neues wieder und was wichtiges fehlt: das wachstum wurde im wesentlichen durch die erhöhte staatsverschuldung und die explosiv gestiegenen militärausgaben erreicht.


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NextLevel:

54reab bewerbe Dich in St. Gallen, damit Malik

 
11.11.03 14:39
endlich durch einen brillianten Denker ersetzt wird :)))


Grüße

NL
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