Hi!
Hier ein guter Artikel aus der FTD von heute:
www.ftd.de/tm/tk/FTD967402935072.html?nv=hp
Aus der FTD vom 28.8.2000
Deutsche Telekom: Kursrückgang wird zum
Politikum
Von Tim Bartz und Ina Bauer
Noch hat der deutsche Aktionär die Lektion Telekom nicht ganz gelernt. Der bittere Teil kommt jetzt: Nach den satten Kursgewinnen der jüngsten Zeit hat sich der Börsenwert der Volksaktie Deutsche Telekom seit dem Höchststand im März mehr als halbiert.
"Die Börse ist keine Einbahnstraße", sagte Franz-Josef Leven, Volkswirt beim Deutschen Aktieninstitut (DAI). Das DAI vertritt die Interessen deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften. Anleger müssten lernen, dass sie beim Aktienkauf ein Risiko eingehen. "Manche lernen es sehr schmerzhaft."
Der erste Aktionär klagt bereits gegen die Telekom wegen Betrugs, wie am Freitag vergangener Woche auf der ersten Seite der "Bild"-Zeitung zu erfahren war. Allerdings mit wenig Aussicht auf Erfolg, weil Unternehmen ihren Aktionären Kursgewinne nicht garantieren. Lars Labryga, Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V. (SdK), dazu: "Basierend auf den Fakten, die ich weiß, ist die Klage aussichtslos." Bei den privaten Anlegern sei die Stimmung bezüglich der Telekom-Kursentwicklung gemischt, sagte Labryga. "Richtig satte Zornesklagen sind bei uns nicht eingegangen."
Aktienkultur begründet
Der Kursverfall der Deutschen Telekom ist im europäischen Branchenvergleich seit den Auktionen für die Lizenzen der dritten Mobilfunkgeneration (UMTS) kein Einzelfall. Dennoch entwickelt er sich zum Politikum. Kein Wunder, denn der Börsengang des ehemaligen Monopolisten und Staatsunternehmen im November 1996 hat in Deutschland die Aktienkultur begründet. Allein im ersten Halbjahr 2000 gab es nach DAI-Angaben 1,2 Millionen neue Aktionäre in Deutschland. Damit entspricht die Wachstumsrate in den ersten sechs Monaten dem Aktionärswachstum der Jahre 1998 und 1999. "Dass bei den neuen
Aktionären viele dabei sind, die dem Irrtum unterliegen, es gehe an der Börse nur bergauf, bleibt nicht aus", sagte DAI-Experte Leven.
Auf den Börsengang der Telekom folgten im Juni 1999 und im Juni 2000 weitere Tranchen - die zweite in Form einer Kapitalerhöhung und die dritte aus dem Bestand des Bundes. Bei der Platzierung der letzten Tranche kündigte sich bereits an, dass der Höhenflug der Telekom-Titel beendet ist. Dennoch zog der Bund die Emission durch, die ihm brutto 15 Mrd. Euro einbrachte. Durch die Beteiligung des Bundes sieht der private Anleger den Kursverfall der Telekom mit anderen Augen als bei anderen Unternehmen. Kleinaktionärsvertreter Labryga beschreibt das folgendermaßen: "Die Klage des einen Aktionärs bezieht sich darauf, dass der Bund gewisse Garantien
übernimmt." Damit stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung in ihrer Privatisierungspolitik einen Fehler gemacht hat. Sie ist auf die gute Stimmung unter den Privatanlegern angewiesen, weil sie Anfang November einen weiteren Staatsbetrieb, die Deutsche Post, teilprivatisieren will.
Das Bundesfinanzministerium lehnte eine Stellungnahme zu dem Thema ab. Ein Sprecher erklärte, die Regierung kommentiere nicht die Kursentwicklung von Unternehmen, an denen sie beteiligt sei. In den politischen Reihen werden allerdings die ersten kritischen Stimmen laut.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Michael Glos hat heftige Kritik daran geübt, dass "die Kleinaktionäre Leidtragende des Kursverfalls der T-Aktie” seien. Vor allem die Anleger, die bei der jüngsten Tranche eingestiegen seien, müssten sich jetzt düpiert fühlen, sagte Glos Ende vergangener Woche in Berlin. Der CSU-Politiker stellte einen Zusammenhang zu den Kosten der UMTS-Lizenzen her: Der Bundesfinanzminister freue sich zwar über die Einnahme von rund 100 Mrd.DM aus der UMTS-Auktion, für die Telekom-Gesellschaften sei das aber eine Belastung, die zum Kursverfall beigetragen habe. Glos forderte den Bund auf, die Interessen der Kleinaktionäre stärker zu berücksichtigen.
Uwe Jens, SPD-Abgeordneter und früherer wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, ist der Ansicht, dass weder die Bundesregierung noch die Deutsche Telekom bisher Fehler gemacht haben. Nur jetzt müssten beide handeln: "Ich würde schon sagen, dass die Regierung und in erster Linie die Telekom selbst eine gewisse Verpflichtung haben, dass der Aktienkurs nicht ins Bodenlose fällt.
Notfalls muss man Kurspflege durch Rückkäufe betreiben." Die Kursentwicklung der T-Aktie sei weder für die deutsche Aktienkultur noch für die Post-Aktie gut. Die Bundesregierung müsse aufpassen, ihre Klientel nicht zu verprellen. In Anspielung auf den geplanten Börsengang der Deutschen Bahn fügt Jens hinzu: "Die Bundesregierung will auch noch andere Staatsunternehmen an die
Börse bringen."
Stimmen aus dem Markt
Die Aktienhändler suchen die Schuldigen bei den Banken, die die Emission der dritten Telekom-Tranche betreut haben. Der Bund habe nur seine Interessen vertreten. Ein Händler sagte, es sei nicht richtig, auf der Telekom rumzuhacken. "Wenn schon, sollte man die Börsianer kritisieren, die so dumm waren und den Kurs hochgezogen haben. Bei den ersten beiden Tranchen haben die Anleger gut verdient. Sie hatten genügend Zeit, die Aktien zu verkaufen. Viele haben sich einfach blenden lassen von der Kursentwicklung."
Händler vermuten, dass die Deutsche Bank als einer der Konsortialführer vor und nach der Platzierung der dritten Tranche den Kurs gestützt hat. Sollte die T-Aktie sich 63,50 Euro annähern, wird sie diese Hürde kaum nehmen können, weil private und institutionelle Anleger froh sein dürften, ihre Aktien ungefähr zum Einstiegspreis loszuwerden, sagte ein Händler. Bei 63,50 Euro lag der ermäßigte Ausgabekurs für Private.
Ein Händler verteidigte den Bund: "Er hat vernünftig gehandelt. Wie anders als vom Marktpreis abhängig hätte die Emission ablaufen sollen?"
© 2000 Financial Times Deutschland
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Soviel also dazu.
DI6