US-Firmen ziehen sich aus der Gentechnik zurück
Akzeptanz für veränderte Agrarprodukte schwindet - Weltgrößte Biotech-Messe eröffnet
Von Hannelore Crolly
San Diego - Seit November schon hatte die Polizei von San Diego für den Ernstfall geprobt. Hatte mit Schlagstöcken auf Demonstranten-Puppen eingehauen, mit Gaswaffen-Attrappen um sich geschossen. Weil Gen-Gegner einen großen Protestmarsch angekündigt hatten, vernagelten Ladenbesitzer vor Beginn der "Bio 2001", der größten Biotechnologie-Konferenz der Welt, ihre Schaufenster. Und San Diegos Kongresszentrum war zum Auftakt der Biotech-Tagung am Wochenende von bewaffneten Schutztruppen umstellt wie ein formidabler Hochsicherheitstrakt.
Doch hartes Durchgreifen war nicht nötig; die Demonstration gegen Genmanipulation und "Frankenfood" verlief vollkommen friedlich. Ohnehin waren nur knapp 1000 statt der erwarteten 8000 Demonstranten vor dem Kongressgebäude aufgezogen, um den Eingriff in die Gene von Tieren, Menschen und Pflanzen zu kritisieren. Und mit ihren Schmetterlingskostümen, ihren Tänzen und Trommeln wirkten die Biotech-Gegner wie ausgelassene Partygänger denn aufgebrachte Aktivisten.
Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen: In den USA wächst die Kritik an Gentechnik und Biotechnologie massiv. Die Wende hat vor allem ein Skandal im Herbst vergangenen Jahres gebracht, als Tausende von Getreideprodukten aus dem Handel genommen werden mussten. In Chips und Taco-Schalen waren Spuren von Star-Link entdeckt worden, einem genmanipulierten Getreide, das nur als Tierfutter zugelassen ist. Als Verbraucherschützer auch noch monierten, Star-Link könne Allergien auslösen, kam es zum Proteststurm gegen Biotech-Firmen.
Zwar hat eine staatliche Untersuchung Star-Link mittlerweile Unbedenklichkeit attestiert, was allergische Reaktionen angeht. Doch das Misstrauen gegen Gen-Food und Biotechnologie ist gesät und wächst - auch mit kritischem Blick auf Embryonenzüchtung und das Klonen von Organspendertieren - weiter.
Die Kritik trifft die US-Biotechnologie empfindlich. "Die negativen Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung gerade im Bereich grüne Biotechnologie sind bereits zu spüren", sagte Leonard Gianessi, Marktforscher beim Washingtoner National Center for Food and Agricultural Policy (NCFAP), während der Bio 2001. "Manche Firmen drücken kräftig auf die Bremse, weil sie fürchten, für ihre Produkte keinen Markt mehr zu finden."
Zugleich wird die Konkurrenz aus der Alten Welt immer stärker und macht der Industrie und der Forschung im Land das Leben zusätzlich schwer. Vor allem in Großbritannien und Deutschland boomt die Branche; während in den USA die Zahl der Biotech-Firmen schon seit Jahren bei rund 1250 stagniert, hat Europa kräftig zugelegt.
Wie die Prüfungsgesellschaft Ernst & Young feststellt, ist die Zahl der europäischen Biotech-Unternehmen im Jahr 2000 um 16 Prozent auf 1570 Firmen gewachsen und hat damit die USA überrundet. Auch an der Börse standen die Europäer besser da: Während die Biotech-Werte an der amerikanischen Nasdaq rund 39 Prozent verloren, konnten europäische Biotech-Indizes 50 bis 75 Prozent zulegen.
In den USA dagegen könnte sich die Dynamik abschwächen, wenn sich die Kontroverse weiter zuspitzt. "Die Akzeptanz von genetisch verändertem Saatgut ist selbst dort bereits gesunken, wo Landwirte klare ökonomische Vorteile durch den Einsatz hätten", berichtet Forscher Gianessi. Das Einbringen von Genmaterial in Pflanzenkulturen kann resistent machen gegen Schädlinge, Viren oder große Trockenheit. Doch obwohl genmanipulierte Gemüsemais-Kulturen, Kartoffeln oder Zuckerrüben mittlerweile zum Anbau freigegeben sind, setzen die Bauern weiter auf herkömmliche Pflanzen, die mit teuren Schutzmitteln massiv gespritzt werden müssen. Der Grund: Große Abnehmer wie McDonald's haben zu verstehen gegeben, dass sie kein gentechnisch veränderten Produkte zu kaufen wünschen.
aus "DER WELT" 27.6.01
Akzeptanz für veränderte Agrarprodukte schwindet - Weltgrößte Biotech-Messe eröffnet
Von Hannelore Crolly
San Diego - Seit November schon hatte die Polizei von San Diego für den Ernstfall geprobt. Hatte mit Schlagstöcken auf Demonstranten-Puppen eingehauen, mit Gaswaffen-Attrappen um sich geschossen. Weil Gen-Gegner einen großen Protestmarsch angekündigt hatten, vernagelten Ladenbesitzer vor Beginn der "Bio 2001", der größten Biotechnologie-Konferenz der Welt, ihre Schaufenster. Und San Diegos Kongresszentrum war zum Auftakt der Biotech-Tagung am Wochenende von bewaffneten Schutztruppen umstellt wie ein formidabler Hochsicherheitstrakt.
Doch hartes Durchgreifen war nicht nötig; die Demonstration gegen Genmanipulation und "Frankenfood" verlief vollkommen friedlich. Ohnehin waren nur knapp 1000 statt der erwarteten 8000 Demonstranten vor dem Kongressgebäude aufgezogen, um den Eingriff in die Gene von Tieren, Menschen und Pflanzen zu kritisieren. Und mit ihren Schmetterlingskostümen, ihren Tänzen und Trommeln wirkten die Biotech-Gegner wie ausgelassene Partygänger denn aufgebrachte Aktivisten.
Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen: In den USA wächst die Kritik an Gentechnik und Biotechnologie massiv. Die Wende hat vor allem ein Skandal im Herbst vergangenen Jahres gebracht, als Tausende von Getreideprodukten aus dem Handel genommen werden mussten. In Chips und Taco-Schalen waren Spuren von Star-Link entdeckt worden, einem genmanipulierten Getreide, das nur als Tierfutter zugelassen ist. Als Verbraucherschützer auch noch monierten, Star-Link könne Allergien auslösen, kam es zum Proteststurm gegen Biotech-Firmen.
Zwar hat eine staatliche Untersuchung Star-Link mittlerweile Unbedenklichkeit attestiert, was allergische Reaktionen angeht. Doch das Misstrauen gegen Gen-Food und Biotechnologie ist gesät und wächst - auch mit kritischem Blick auf Embryonenzüchtung und das Klonen von Organspendertieren - weiter.
Die Kritik trifft die US-Biotechnologie empfindlich. "Die negativen Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung gerade im Bereich grüne Biotechnologie sind bereits zu spüren", sagte Leonard Gianessi, Marktforscher beim Washingtoner National Center for Food and Agricultural Policy (NCFAP), während der Bio 2001. "Manche Firmen drücken kräftig auf die Bremse, weil sie fürchten, für ihre Produkte keinen Markt mehr zu finden."
Zugleich wird die Konkurrenz aus der Alten Welt immer stärker und macht der Industrie und der Forschung im Land das Leben zusätzlich schwer. Vor allem in Großbritannien und Deutschland boomt die Branche; während in den USA die Zahl der Biotech-Firmen schon seit Jahren bei rund 1250 stagniert, hat Europa kräftig zugelegt.
Wie die Prüfungsgesellschaft Ernst & Young feststellt, ist die Zahl der europäischen Biotech-Unternehmen im Jahr 2000 um 16 Prozent auf 1570 Firmen gewachsen und hat damit die USA überrundet. Auch an der Börse standen die Europäer besser da: Während die Biotech-Werte an der amerikanischen Nasdaq rund 39 Prozent verloren, konnten europäische Biotech-Indizes 50 bis 75 Prozent zulegen.
In den USA dagegen könnte sich die Dynamik abschwächen, wenn sich die Kontroverse weiter zuspitzt. "Die Akzeptanz von genetisch verändertem Saatgut ist selbst dort bereits gesunken, wo Landwirte klare ökonomische Vorteile durch den Einsatz hätten", berichtet Forscher Gianessi. Das Einbringen von Genmaterial in Pflanzenkulturen kann resistent machen gegen Schädlinge, Viren oder große Trockenheit. Doch obwohl genmanipulierte Gemüsemais-Kulturen, Kartoffeln oder Zuckerrüben mittlerweile zum Anbau freigegeben sind, setzen die Bauern weiter auf herkömmliche Pflanzen, die mit teuren Schutzmitteln massiv gespritzt werden müssen. Der Grund: Große Abnehmer wie McDonald's haben zu verstehen gegeben, dass sie kein gentechnisch veränderten Produkte zu kaufen wünschen.
aus "DER WELT" 27.6.01