für die User hier, die sich jetzt selbstherrlich auf die Fahne schreiben, das sie die Superhausse verhergesehen haben, empfehle ich diese Lektüre von einem wirklichen Profi:
Der Start der Übertreibungsphase?
von Jochen Steffens
In den letzten beiden Tagen dürfte der explosiv gestiegene Dax ziemlich viele Shorties, die auf weiter fallende Märkte gesetzt hatten, geradezu zerfetzt haben.
Dieser Anstieg ist ein weiteres eindrucksvolles Beispiel dafür, wie schwer und wie gefährlich es ist, gegen ein derart starken Trend auf der Short-Seite Blumentöpfe gewinnen zu wollen.
Das Problem ist, dass diese Erfahrung von fast jedem Investor teuer erkauft werden muss. Sicherlich liest man es in Büchern oder hier im Investor's Daily, aber erst wenn die Erinnerung an all die Schmerzen, die solche Trades gebracht haben, sehr gegenwärtig ist, wird man diesen Hang dazu vermeiden können. Das ist mir nicht anders gegangen und das wird noch vielen so gehen.
Erst mit diesen schmerzlichen Erfahrungen kann man relativ gelassen fallenden Märkten hinterhersehen und sich sagen, dass es zwar das Ende eines Trends sein könnte, aber eben nicht sein muss. Erst dann wartet man ab, bis sich eindeutige Bärensignale zeigen.
Der Hintergrund des Anstiegs
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Eigentlicher Auslöser dieses Anstiegs waren die überraschend guten Zahlen von SAP. Allein der 9-10 % Anstieg von SAP am Mittwoch ließ den Dax nach oben schnellen und löste Kaufsignale aus. Dann kam noch Siemens am Donnerstag und führte zu weiteren Kurssteigerungen. Das gemischt mit der Meldung, dass der Iran vielleicht doch die strittige Urananreicherung nach Russland auslagert, verbunden mit einem fallenden Ölpreis und moderat steigenden Amis macht das explosive Gemisch perfekt. Heute kam dann noch ein guter Ausblick von Microsoft dazu.
Durch den unerwartet stark steigenden Dax mussten die Shorties ihre Positionen zurückkaufen (um sie glattzustellen) und das brachte zusätzliches Feuer ins Gemenge.
Die Folge ist diese Art Shortsqueeze - nahezu unvorhersehbar, da alles mit externen überraschenden Nachrichten begann und so zu einer der vielen bizarren Blüten in der Börsenlandschaft mutierte.
Aus diesem Grund sind auch alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, selbst meine bullishten Kollegen, von diesem Anstieg nahezu völlig überrascht worden. Miss Börse hat sich einmal mehr von ihrer arrogantesten Seite gezeigt.
Sind die Zweifel nun beseitigt?
Nein, ganz und gar nicht! Eher das Gegenteil. Diese Anstieg zeigt, wie bullish alle sind. Zu bullish. Das gefällt mir nicht, wirkt auf mich alles wie in 2000. Aber es kann der Beginn der Übertreibungsphase werden, keine Frage. Der Dax ist im Moment außer Rand und Band.
Und deswegen interessiert mich auch nicht die Entwicklung im Dax, sondern die in den USA. Der Dax wird, wie gesagt, ab März anfangen unter den Mittelabflüssen wegen der WM zu leiden. Hinzu kommt, dass der Ifo Index ein Anzeiger dafür ist, dass es in diesem Jahr durchaus zu einer dann alle überraschenden, schwachen Entwicklung kommen kann!
Auch dazu passt die übertriebene Stimmung.
Im Hintergrund bleiben die Probleme bestehen
Zumal ich noch nicht davon überzeugt bin, dass der Atomstreit mit dem Iran nun geklärt ist. Zu hoch ist die Gefahr, dass es sich um ein spielen auf Zeit handelt. Immerhin geht es dem Iran auch darum, dass der UN-Sicherheitsrat nicht eingeschaltet wird.
Zudem scheinen die Probleme in Nigeria schwerer zu wiegen, als bisher angenommen. So wurden vier ausländische Ölarbeiter von nigerianischen Separatisten entführt. Zuletzt hatten Anschläge auf die nigerianische Ölindustrie dazu geführt, dass die Fördermenge um 8 Prozent gesunken ist. Nigeria ist der größte afrikanische Ölproduzent mit einer Fördermenge von 2,5 Millionen Fass pro Tag.
Sinnvolle Depotanpassung
Ich hatte in der letzten Wochen das Depot des Target-Traders an die veränderte Gefahrensituation angepasst. Meine sehr bullishe Einstellung ist einer, wie Sie wissen, skeptisch bullishen Einstellung gewichen. So habe ich etwas Druck aus dem Depot genommen, bin aber nach wie vor recht deutlich Long positioniert.
Und genau das ist der Weg, wie Sie sich an den Markt anpassen. Wenn Zweifel kommen, wenn der Markt fällt, dann kann man Druck aus dem Depot nehmen, ohne direkt auf die Short Seite zu wechseln.
Man darf sich dann aber auch nicht auf der anderen Seite durch solche Kurssteigerungen verrückt machen lassen und jetzt massiv einsteigen.
Hier gilt das gleiche wie bei fallenden Kursen: Bei weiter steigenden Märkten nach und nach einsteigen.
Extrem schlechtes US-BIP ist bullish!
Bullish ist das überaus schlechte US-Bruttosozialprodukt im vierten Quartal. Heute wurde die Vorrausschätzung bekannt gegeben, danach beträgt es (für die USA) mickrige 1,1 %!
Erwartet wurde ein Anstieg um 2,8 bis 3 %.
Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer baldigen Aussetzung des Zinserhöhungszyklus in den USA kommen wird.
Allerdings zeigt der Chain Deflator, ein Anzeiger für die Inflation an, dass die Inflation höher als erwartet ist. Er stieg auf 3 %, erwartet wurde ein Wert um 2,6 %. Damit liegt er jedoch niedriger als der Wert des dritten Quartals mit 3,3 %. Eventuell wirken sich hier schon die gestiegenen Zinsen aus.
Nehmen wir beide Faktoren zusammen, spricht das dafür, dass die Fed vorsichtig mit weiteren Zinserhöhungen sein sollte. Das scheinen die Investoren auch ähnlich zu sehen.