STRATEGIEN 2003 - Das Jahr der globalen Chancen

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tom68:

STRATEGIEN 2003 - Das Jahr der globalen Chancen

 
29.12.02 15:41

Nach drei Jahren mit sinkenden Aktienkursen schauen viele Experten wieder optimistischer nach vorne. Noch bleiben aber Risiken, vor allem wegen des drohenden Irak-Kriegs. Worauf Anleger im kommenden Jahr dennoch setzen können

Seit 1968 bin ich in dem Geschäft, doch so etwas habe ich noch nie erlebt", stöhnt John Mack, Chef der Investmentbank Credit Suisse First Boston (CSFB). Drei Jahre in Folge ein Bärenmarkt, das hat es seit der großen Depression zwischen 1929 und 1932 nicht mehr gegeben - und bei John Mack sowie seinen Kollegen tiefe Spuren hinterlassen.

Dabei ist es noch nicht so lange her, als an der Wall Street der Traum der Big Deals gelebt wurde. Bei Merrill Lynch arbeiteten Heerscharen von Investmentbankern bis tief in die Nacht, um 500 Firmen als potenzielle Übernahmekandidaten für den US-Mischkonzern Tyco zu analysieren. Heraus kam ein Buch, so dick wie das New Yorker Telefonverzeichnis - und kein einziger Deal.Stattdessen hat sich tiefer Frust breit gemacht. Knapp 80000 Broker, Händler und Investmentbanker wurden seit Mitte 2001 entlassen - und Branchenkenner schätzen, dass noch mal so viele Jobs auf der Kippe stehen. Dennoch kehrt der Optimismus an die Wall Street zurück, weil inzwischen eine ganze Reihe von Faktoren für steigende Kurse sprechen. So sind nach den drastischen Kursverlusten viele Aktien "inzwischen wieder attraktiv bewertet", wie Aktienstratege Steve Gilbraith von Morgan Stanley konstatiert.

Mit einem durchschnittlichen 2003er Kurs/Gewinn-Verhältnis von 17 liegen die 30 Dow-Jones-Werte deutlich unter dem Zehn-Jahres-Schnitt von 22. Zudem kann wieder mit steigenden Gewinnen auf der Unternehmensseite gerechnet werden. Viele Firmen haben ihre Kostenstrukturen inzwischen derart abgespeckt, dass sie auch bei schwachen Umsätzen Gewinne ausweisen. "Für Europa rechnen wir - trotz der gedämpften Konjunkturerwartungen - mit einem durchschnittlichen Gewinnzuwachs von 17 Prozent", sagt deshalb Aktienstratege Martin Gilles von WestLB Panmure. Auch die vorhandene Liquidität spricht für Aktieninvestments. So liegen in amerikanischen Geldmarktfonds aktuell etwa 2,3 Billionen Dollar. Eine Summe, mit der sich theoretisch ein Viertel des gesamten US-Aktienmarktes kaufen ließe. Hinzu kommt: Angesichts der niedrigen Zinssätze sind dividendenstarke Titel aussichtsreich wie selten.

Klar ist aber auch: Die Impulse kommen aus den USA. Wie gehabt. "Amerika spielt für die Erholung der Weltwirtschaft wieder einmal die Schlüsselrolle", urteilt Sal. Oppenheim. Kein Wunder: Für 2003 wird in den USA ein Wirtschaftswachstum von über drei Prozent erwartet. Zum Vergleich: Für Europa liegen die Schätzungen bei 1,5 Prozent. Die Unterschiede zwischen Amerika und Europa liegen auf der Hand: Anders als im Euro-Raum stehen die privaten Konsumausgaben der US-Bürger weiterhin auf einem historisch hohen Niveau. Hinzu kommen massive Finanzspritzen der US-Notenbank sowie milliardenschwere Konjunkturprogramme der Regierung. Die Leitzinsen in den USA sind zudem deutlich niedriger als in Europa und schaffen dadurch ein besseres Investitionsklima. Geld für Investitionen ist - insbesonderen bei den zumeist hochprofitablen Blue Chips - genügend vorhanden. Allerdings: Noch trauen sich die Firmenbosse nicht, tief in die prall gefüllten Taschen zu greifen. Ein Phänomen, für das die Wall Street bereits einen eigenen Spruch formuliert hat: "Deep pockets but short arms."

Auch die Wall-Street-Börsianer trauen sich noch nicht so recht. Die Zurückhaltung hat gute Gründe. Zunächst einen psychologischen: Wie CSFB-Chef John Marks fehlt es den Börsianern an Erfahrung im Umgang mit einem dreijährigen Bärenmarkt. Historische Vergleichsmöglichkeiten beschränken sich auf die Situation in Japan gegen Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre sowie in Deutschland und Frankreich zwischen 1929 und 1932. "Wir würden daher auch von einer Krise der Erfahrungen sprechen", so Martin Gilles von WestLB Panmure.Vor allem aber liegen die Irak-Krise und die Angst vor weiteren Terroranschlägen wie Blei auf den Märkten. "Die Frage, die sich derzeit alle stellen, lautet: Wie lange wird der Krieg andauern", so James Awad von Awad Asset Management. Die Rechnung, die die Börsianer aufmachen, ist simpel: Ein langer Krieg würde die Aktienmärkte nachhaltig belasten. Sollte es dagegen zu einer friedlichen Lösung oder einem schnellen Sieg der Amerikaner kommen, "wird dies die Aktienmärkte beflügeln", so Aktienstratege Matthias Joerss von Sal. Oppenheim. Für Anleger bedeutet das: Solange die Situation im Nahen Osten nicht geklärt ist, werden sie sich auf nervöse Märkte und stark schwankende Kurse einstellen müssen.

"Die alte Kaufen-und-Halten-Strategie wird nicht funktionieren", sagt deshalb John Bollinger, Chef des New Yorker Investmenthauses Bollinger Capital Management. Das heißt: Bei hohen Kursausschlägen ist 2003 zwar viel Geld an den Börsen zu verdienen, das Timing wird aber entscheidend für Erfolg und Misserfolg sein. Auf welche Branchen die Anleger setzen sollen, sind sich die Experten uneins. Allerdings ist in den vergangenen Wochen wieder ein Trend hin zu zyklischen Aktien zu beobachten. Werte also, deren Kursverlauf überproportional auf konjunkturelle Entwicklungen reagiert. Während im Oktober nur 45 Prozent aller von Merrill Lynch befragten Fondsmanager auf Zykliker setzten, waren es im Dezember bereits 60 Prozent.

Die Frage, ob im kommenden Jahr eher europäische oder amerikanische Aktien zu bevorzugen sind, ist unter den Börsianern umstritten. Europäische Aktien sind im Vergleich zu US-Papieren günstiger, doch der Aufschlag auf die US-Aktien hat seinen Grund. "US-Unternehmen passen sich den Gegebenheiten des Marktes in aller Regel flexibler an, restrukturieren schneller, unterliegen weniger politischen Einschränkungen und werden deshalb auch früher als europäische Konzerne zu alter Ertragsstärke zurückfinden", erklärt Ralf Freiherr von Ziegesar, Geschäftsführer der Veritas-Fondsgesellschaft. Sein Tipp: Da bei einem Wirtschaftsaufschwung in den USA zunächst die US-Aktien profitieren werden, sollten Anleger anfangs in diese investieren und später in europäische Aktien umschichten.Unumstritten ist: Auf Grund der relativ hohen Unsicherheiten sind vor allem substanzstarke Werte gefragt, die auch in schwächeren Zeiten nach unten abgesichert sind. Ganz nach dem Motto: Auf den Wert der Firma kommt es an, nicht auf die Phantasie. Passend dazu hat die US-Investmentbank Lehman Brothers "Ten Uncommon Values" zusammengestellt, also zehn Werte, die auf dem aktuellen Kursniveau "den starken fundamentalen Wert der Firma" nicht widerspiegeln: Adecco, Assa Abloy, BskyB, Carlsberg, France Telecom, HSBC Holdings, Porsche, Sage, Saipem und Zurich Financial Service. Seit 1949 stellt das Haus solche Musterportfolios zusammen - und das mit Erfolg. Im laufenden Jahr hat das europäische Value-Portfolio von Lehman deutlich besser abgeschnitten als der Euro Stoxx 50.

Substanz zählt - und Größe. Darin sind sich Experten in ihren Prognosen einig. Denn der Mechanismus ist immer der gleiche: Erholen sich die Aktienmärkte, kaufen die großen Investoren zunächst die großen Werte. "Die Blue Chips haben uns in die Misere geführt, sie werden uns da auch wieder rausholen", sagt ein US-Händler. Als Absicherung gegen einen Irak-Krieg empfehlen viele Strategen Investments in Gold. Und auch die Wachstumsmärkte Asien und Osteuropa dürften 2003 wieder für kräftige Renditen sorgen.Gut möglich also, dass CSFB-Chef John Mack im kommenden Jahr wieder etwas aufatmen kann.

Von Wachstumsmärkten profitieren

Zwar spielen die USA für die Erholung der Weltwirtschaft die entscheidende Rolle, die höchsten Wachstumsraten hatten zuletzt aber die Emerging Markets in Asien und Osteuropa. Ein Umstand, der sich auch an den jeweiligen Börsen bemerkbar gemacht hat. So legte der breite russische Leitindex RTS dieses Jahr um fast 40 Prozent zu und auch der südkoreanische KOSPI-Index zeigte sich mit einem leichten Minus von fünf Prozent deutlich stabiler als die europäischen oder amerikanischen Börsenindizes. Viele Experten gehen davon aus: Auch 2003 sind Investments in Schwellenländern als Depotbeimischung attraktiv.

Institutionelle Investoren setzen besonders auf Russland. Die Wirtschaft in dem Riesenreich dürfte nach Schätzungen der US-Investmentbank Goldman Sachs 2003 wie dieses Jahr abermals um rund vier Prozent zulegen. Allerdings gibt es auch diverse Risiken: Die russischen Ölwerte, die bisher die treibende Kraft an der Moskauer Börse waren, könnten kräftig unter Druck geraten, sollte der Ölpreis unter 20 Dollar pro Barrel fallen. Für Anleger, die nicht in breit gestreute Osteuropa-Fonds wie den Griffin Eastern European, sondern direkt in Aktien investieren wollen, bietet sich deshalb die boomende Mobilfunk-Branche an. Immerhin soll die Branche im kommenden Jahr um rund 20 Prozent wachsen. Die aussichtsreichsten Unternehmen: Vimpelcom und Mobile Telesystems (MTS).In Asien gilt weiterhin Südkorea als Favorit. Hier erwartet Goldman Sachs für 2003 ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent. Das ist zwar deutlich weniger als die ursprünglich geschätzten sieben Prozent, aber immer noch ein starkes Plus. Die aktuellen Empfehlungen von Goldman Sachs sind die eher zyklischen Werte LG Chemical, Samsung und Korea Telecom. Meiden sollten Anleger dagegen Hyundai Motor.

w:o/shm Autor:  12:48 29.12.02      
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