IWF-Manager Häusler über Währungskrisen, Entwicklungshilfe und die Tobin-Steuer
Der deutsche Banker Gerd Häusler steht seit sieben Monaten der neu geschaffenen Kapitalmarktabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington vor. Aufgabe seines Teams ist es, mittels eines Frühwarnsystems aufkommende Finanz- und Wirtschaftkrisen zu erkennen und sie zu bekämpfen. Häusler ist damit einer der wichtigsten Manager des Fonds. Bevor der Jurist zum IWF kam, war er drei Jahre lang Direktoriumsmitglied der Bundesbank und saß zuletzt fünf Jahre im Vorstand der Dresdner Bank. Mit Häusler sprach Martin Halusa.
DIE WELT: Welche Krisen der vergangenen Jahre hätten vermieden werden können, hätte es Ihr Team schon früher gegeben?
Gerd Häusler: Die Existenz einer Abteilung sollte nicht überbewertet werden. Wir bringen vielleicht nun ein bisschen mehr Erfahrung in Kapitalmarktfragen hinein; aber man darf nicht vergessen, dass viele meiner fähigsten Mitarbeiter auch schon vorher beim IWF gearbeitet haben. Die Erkenntnis über Anfälligkeiten an den Finanzmärkten ist heute aber erheblich größer als etwa noch vor fünf Jahren, als die Asienkrise ausbrach.
DIE WELT: Wie lassen sich die Finanzströme beobachten?
Häusler: Das Erfolgsrezept liegt in einer gesunden Mischung aus Zahlen und Statistiken über Kapitalflüsse einerseits und vielen Gesprächen mit Marktteilnehmern andererseits. Alle Statistiken haben das Problem, dass sie rückwärts gerichtet sind. Deshalb sind viele Gespräche mit den Marktteilnehmern nötig, damit man ein Gefühl dafür entwickelt, wohin die Entwicklung geht. Deshalb müssen wir sowohl gute Analysten haben als auch Mitarbeiter, die einen sehr engen Kontakt mit den Praktikern im Markt pflegen.
DIE WELT: Beinhaltet die Beobachtung der Kapitalmärkte auch die Verfolgung von Terroristengeld?
Häusler: Der IWF hat bei der Aufspürung und Verfolgung von terroristischer Finanzierung eine bedeutende Rolle. Dies erfolgt allerdings nicht über die Kapitalmarktabteilung sondern über andere Organe des IWF.
DIE WELT: Was unternehmen Sie, wenn bei einem Land das rote Lämpchen leuchtet, wenn es also in eine Krise gerät?
Häusler: Sofern das Land, bei dem das rote Lämpchen leuchtet, nicht ohnehin schon ein Programm mit dem IWF laufen hat, besteht unser Ziel in erster Linie darin, mit der Regierung des Landes darüber einen konstruktiven und vertraulichen Dialog zu führen, dass korrigierende Maßnahmen geboten sind. Dies geschieht allerdings nicht über die Öffentlichkeit.
DIE WELT: Die Erkenntnisse des Frühwarnsystems des IWF werden also geheim bleiben?
Häusler: Ja. Viele Indikatoren sind allerdings ohnehin bekannt. Ich halte aber nichts davon, die Gespräche mit einem betroffenen Land in aller Öffentlichkeit zu führen.
DIE WELT: Wie können Sie sicher sein, dass die Zahlen stimmen, die Ihnen gemeldet werden?
Häusler: Was die Zuverlässigkeit von Zahlen auf Länderebene betrifft, haben wir in den vergangenen Jahren durch beharrliches Arbeiten an den Standards ein hohes Maß an Fortschritt erzielt. Ich glaube, dass die Statistiken, die wir bekommen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - akkurat sind.
DIE WELT: Immer wieder kommen Stimmen auf, die nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte rufen, andere verlangen eine globale Finanzarchitektur . . .
Häusler: Das kann man nicht nur schwarz oder weiß sehen. Wir brauchen den richtigen Mix aus so viel Freiheit wie möglich und so viel Regulierung wie nötig. Der Kompass muss immer wieder neu eingestellt werden, es wird keine endgültigen Lösungen geben. Ich bin ein überzeugter Marktwirtschaftler, der auch an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt. Regulierung ist nur dann nötig, wenn die Selbstheilung nicht mehr ausreichend funktioniert.
DIE WELT: Die einen sagen über den IWF, er solle mehr machen; andere sagen - wie IWF-Chef Horst Köhler - der Fonds soll sich auf Kernbereiche konzentrieren. Wo geht die Reise hin?
Häusler: Schon seit längerem konzentriert sich der Fonds wieder mehr auf seine Kernaufgaben. Zu diesem Reformprozess gehört auch, dass die Konditionalität, also die Auflagen, an die Programme gebunden ist, auf die wichtigsten Punkte fokussiert wird. Dies hilft unter anderem, die Selbstverantwortung der betroffenen Länder für ihre Programme und Reformbemühungen zu stärken.
DIE WELT: Die Armut in den Entwicklungsländern hält an, obwohl ein Teil der Schulden erlassen wurde. Was können die Industrieländer darüber hinaus tun?
Häusler: In erster Linie ist Wachstum immer das beste Mittel zur Armutsbekämpfung. Und das beste Mittel zum Wachstum sind Investitionen und technologischer Fortschritt. Daher haben Direktinvestitionen oberste Priorität. Allerdings ist dafür ein gesundes, ordnungspolitisch abgesichertes Investitionsklima von zentraler Bedeutung. Ich sehe es mit großer Sorge, dass dies in Argentinien nun infrage gestellt wird. Und was die Industrieländer betrifft: Sie sollten die zugesagte Entwicklungshilfe leisten, und den ärmeren Ländern den Zugang zu ihren Märkten erleichtern. Außerdem sollten sie eine Politik verfolgen, die das globale Wachstum fördert.
DIE WELT: In einem seiner letzten Interviews hat der gerade verstorbene Ökonom James Tobin die später nach ihm benannte globale Spekulationssteuer auf kurzfristige Kapitalmarkttransaktionen verteidigt und vorgeschlagen, dass der IWF das Geld eintreibt. Wie steht der Fonds dazu?
Häusler: Ich bin der Meinung, dass die Tobin-Steuer mehr schaden als nutzen würde. Insbesondere auch, weil es ausgeschlossen erscheint, dass alle Länder der Erde dabei mitmachen. Und wenn sich auch nur einige wenige dem verschließen, wäre das Projekt zum Scheitern verurteilt.