Der Ethikrat
Diesmal für: Sarah Wagenknecht, Luxuskommunistin
Von Slavoj Zizek *
Das Spannungsverhältnis zwischen Marxismus und Luxus, speziell die Frage nach den Privilegien sozialistischer Parteikader, kochte kürzlich wieder hoch, nachdem Sarah Wagenknecht, Sprecherin der Kommunistischen Plattform der PDS, im Anschluss an eine Podiumsdiskussion freundlicherweise den FDP-Politiker Mehmet Daimagüler in ihrem Dienstwagen mitgenommen hatte.
Wenig gentlemanlike petzte der hinterher: Die Vorzeigekommunistin lässt sich nicht etwa in einem Trabant, sondern in einem rund 70 000 Mark teuren Audi A6 von einem Chauffeur durch die kapitalistische Außenwelt fahren. Der Ethikrat will nun einmal ganz grundsätzlich klären: Wie viel Luxus darf sich eine Idealistin wie Sarah Wagenknecht gönnen?
Machen wir zunächst mal ein einfaches gedankliches Experiment: Was wäre, wenn Frau Wagenknecht genau das Gegenteil täte - wenn sie ausschließlich mit dem Fahrrad fahren würde oder nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Zweifellos würde man sie der billigen Demagogie bezichtigen.
Ein altbekannter psychoanalytischer Witz handelt von der Pünktlichkeit, mit der ein Patient zur Therapiesitzung kommt:
Wenn er sich verspätet, ist es eine hysterische Provokation; wenn er zu früh kommt, ist es eine obsessive Zwanghaftigkeit;
wenn er genau zur vereinbarten Zeit auftaucht, ist es ein perverses Ritual.
Warum? Weil der Psychoanalytiker alles zum Gegenstand seiner Interpretation macht. Alles verbirgt für ihn eine pathologische Motivation. Entsprechend liegt die Wahrheit im Vorwurf des FDP-Abgeordneten darin, dass alles, was Frau Wagenknecht tut, ihm verdächtig erscheinen muss:
Eine Limousine wiederspricht ihrer Ideologie; der Verzicht wäre Demagogie; und wenn sie sich einfach ganz genauso verhalten würde wie die Mehrheit der Bevölkerung, würde dies bedeuten, dass sie versucht, in der Menge unterzutauchen, um so die Tatsache zu vertuschen, dass die PDS keine »normale« demokratische Partei sein kann.
Diesmal für: Sarah Wagenknecht, Luxuskommunistin
Von Slavoj Zizek *
Das Spannungsverhältnis zwischen Marxismus und Luxus, speziell die Frage nach den Privilegien sozialistischer Parteikader, kochte kürzlich wieder hoch, nachdem Sarah Wagenknecht, Sprecherin der Kommunistischen Plattform der PDS, im Anschluss an eine Podiumsdiskussion freundlicherweise den FDP-Politiker Mehmet Daimagüler in ihrem Dienstwagen mitgenommen hatte.
Wenig gentlemanlike petzte der hinterher: Die Vorzeigekommunistin lässt sich nicht etwa in einem Trabant, sondern in einem rund 70 000 Mark teuren Audi A6 von einem Chauffeur durch die kapitalistische Außenwelt fahren. Der Ethikrat will nun einmal ganz grundsätzlich klären: Wie viel Luxus darf sich eine Idealistin wie Sarah Wagenknecht gönnen?
Machen wir zunächst mal ein einfaches gedankliches Experiment: Was wäre, wenn Frau Wagenknecht genau das Gegenteil täte - wenn sie ausschließlich mit dem Fahrrad fahren würde oder nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Zweifellos würde man sie der billigen Demagogie bezichtigen.
Ein altbekannter psychoanalytischer Witz handelt von der Pünktlichkeit, mit der ein Patient zur Therapiesitzung kommt:
Wenn er sich verspätet, ist es eine hysterische Provokation; wenn er zu früh kommt, ist es eine obsessive Zwanghaftigkeit;
wenn er genau zur vereinbarten Zeit auftaucht, ist es ein perverses Ritual.
Warum? Weil der Psychoanalytiker alles zum Gegenstand seiner Interpretation macht. Alles verbirgt für ihn eine pathologische Motivation. Entsprechend liegt die Wahrheit im Vorwurf des FDP-Abgeordneten darin, dass alles, was Frau Wagenknecht tut, ihm verdächtig erscheinen muss:
Eine Limousine wiederspricht ihrer Ideologie; der Verzicht wäre Demagogie; und wenn sie sich einfach ganz genauso verhalten würde wie die Mehrheit der Bevölkerung, würde dies bedeuten, dass sie versucht, in der Menge unterzutauchen, um so die Tatsache zu vertuschen, dass die PDS keine »normale« demokratische Partei sein kann.