P O L I T I K
Rot-Grün dreht bei
Die Wahl ist gewonnen, nun denken Gerhard Schröder und Joschka Fischer offenbar doch über einen deutschen Beitrag zum Kampf gegen Irak nach.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete am Donnerstag unter Berufung auf das Auswärtige Amt, für die Zeit nach einem Krieg gegen Saddam Hussein habe Berlin nichts ausgeschlossen. Zuvor hatte Außenminister Fischer (Grüne) bereits erklärt, die Bundesregierung lehne zwar einen Krieg gegen Irak ab, nicht aber einen Folgeeinsatz mit Mandat der Vereinten Nationen.
Damit wird laut „FAZ“ folgendes Szenario wahrscheinlich: Die Bundesregierung bleibe zwar bei ihrer ablehnenden Haltung eines militärischen Schlages gegen Bagdad, trage dies aber weniger aggressiv vor als im Wahlkampf. Zugleich werde die Bundesregierung Washington durch diplomatische Kanäle signalisieren, dass Deutschland sich an einem Einsatz zur Stabilisierung des Landes nach einem Krieg mit Soldaten beteiligen werde.
Kanzler Schröder (SPD) hatte bisher stets betont, dass seine Ablehnung unabhängig von einem Mandat der Vereinten Nationen sei. Dies scheint sich dem Bericht zufolge jedoch ausschließlich auf einen Krieg gegen Irak bezogen zu haben. Denn Fischer sagte zu einer Folgemission, diese müsste an ein UN-Mandat gebunden sein.
Nach der gewonnenen Wahl hatte Fischer der „New York Times“ gesagt, es sei „ein Tag des Glücks“ für ihn. „Doch ich weiß, dass ich einen bitteren Preis für diese Glück bezahlen werde, für diesen einen süßen Tag des Glücks.“
Doppelbesuch in Washington
Zuerst hatte Fischer einen Besuch angekündigt, nun will offenbar auch der Kanzler in die USA reisen. Das Kanzleramt erwäge ein direktes Gespräch zwischen Schröder und US-Präsident George W. Bush, um die deutlich gestörten Beziehungen wieder zu verbessern, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am Donnerstag.
Im Kanzleramt heiße es, das ursprünglich beim Nato-Gipfeltreffen in Prag am 21. und 22. November geplante Treffen Schröder-Bush sei zu spät. Sollte Washington die Idee positiv aufnehmen, werde es vorher einen Kurzbesuch Schröders in den USA geben, so der Bericht.
Außenminister Fischer hatte am Mittwoch in Berlin gesagt, er werde zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ nach Washington reisen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, konkrete Reisedaten gebe es noch nicht.
Nach Angaben von Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye arbeitet die Bundesregierung „mit großer Geduld“ daran, Missstimmungen und Missverständnisse in den deutsch-amerikanischen Beziehungen zu beseitigen. Über die einzelnen Schritte machte er keine Angaben. Zu hoffen sei, dass die „Verstimmung“ bis zum Nato-Gipfel Ende November in Prag bereinigt sei.
Rumsfeld verließ eilig die Tafel
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte am Dienstagabend in Warschau ein Abendessen der Nato-Verteidigungsminister verlassen, bevor sein deutscher Kollege Peter Struck das Wort ergreifen konnte. Er erklärte das auf einer Pressekonferenz am Mittwoch mit dienstlichen Erfordernissen. Seiner Meinung nach habe Struck zu dem Zeitpunkt bereits gesprochen. Gleichwohl ließ er erkennen, dass er sich durch die Haltung Deutschlands in der Irak-Frage getroffen fühlt.
Rumsfeld verwies auf ein Sprichwort in seiner Heimat, wonach man nicht noch graben solle, wenn man in ein Loch hineingeraten sei. Als ihm klar wurde, dass dies auch bedeuten könne, Deutschland mache die Dinge mit seinen Wiedergutmachungsbemühungen nur schlimmer, sagte er: „Lasst uns so tun, als ob ich das nie gesagt hätte.“
Fragen, ob es direkte Verbindungen zwischen dem Terror-Netzwerk El Kaida und Irak gebe, beantwortete Rumsfeld mit „Ja“. Zur Begründung verwies er auf CIA-Dokumente und auf das vom britischen Premierminister Tony Blair vorgelegte Dossier. Es sei ein erneuter Beweis, dass die bisherigen Sanktionen nicht zur Entwaffnung Iraks geführt hätten und dass man überlegen müsse, mit welchen Mitteln dies erreicht werden könne.
Nato-Generalsekretär George Robertson warnte bei dem Treffen, die Meinungsunterschiede in der Irak-Politik dürften nicht die Einheit des Bündnisses schwächen.
Hilferuf an „Amerikas treuesten Freund“
Blair soll Schröder aus der Klemme helfen. Bei seinem ersten Auslandsbesuch nach der Bundestagswahl unterhielt sich der deutsche Bundeskanzler am Dienstagabend mehr als zwei Stunden lang mit dem britischen Premierminister. Bei dem Gespräch in London ging es nach Angaben aus Downing Street vor allem um das Thema Irak.
Das Treffen, das auf Schröders Wunsch stattfand, sei „wie immer gut“ gewesen, verlautete aus Londoner Regierungskreisen. Blair soll zwischen Deutschland und den USA vermitteln, um das derzeit frostige Verhältnis wieder zu verbessern, wie die BBC berichtete.
US-Präsident Bush hat Blair wiederholt als den „treuesten Freund Amerikas“ bezeichnet. Anders als Schröder schließt Blair einen Militärschlag gegen Iraks Diktator Saddam Hussein – auch ohne UN-Mandat – nicht aus. Der britische Regierungschef unterhält aber auch gute Kontakte zu Schröder und hatte dem SPD-Vorsitzenden in den vergangenen Wochen sogar Wahlkampfhilfe geleistet. Die Tatsache, dass die beiden Sozialdemokraten in der Irak-Frage unterschiedlicher Auffassung sind, habe das Verhältnis nicht belastet, hieß es aus London.
Der Präsident bleibt verschnupft
Das Weiße Haus hatte zuvor erneut betont, dass es nach der deutschen Kritik an Bushs Irak-Kurs nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wird. Nach den „Exzessen“ im deutschen Wahlkampf wäre es nicht „natürlich“, so zu tun, als sei nichts geschehen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, am Dienstag. Man könne die Worte, die während des Wahlkampfs gefallen seien, nicht ignorieren. „Ich denke, dass niemand überrascht sein sollte, dass Worte und Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen und dass sie nach der Wahl nicht einfach nichtig sind“, erklärte Fleischer weiter. „Die Beziehungen sind offensichtlich belastet.“
26.09.02, 12:45 Uhr
news.focus.de/G/GN/gn.htm?snr=111253&streamsnr=7&q=2
Rot-Grün dreht bei
Die Wahl ist gewonnen, nun denken Gerhard Schröder und Joschka Fischer offenbar doch über einen deutschen Beitrag zum Kampf gegen Irak nach.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete am Donnerstag unter Berufung auf das Auswärtige Amt, für die Zeit nach einem Krieg gegen Saddam Hussein habe Berlin nichts ausgeschlossen. Zuvor hatte Außenminister Fischer (Grüne) bereits erklärt, die Bundesregierung lehne zwar einen Krieg gegen Irak ab, nicht aber einen Folgeeinsatz mit Mandat der Vereinten Nationen.
Damit wird laut „FAZ“ folgendes Szenario wahrscheinlich: Die Bundesregierung bleibe zwar bei ihrer ablehnenden Haltung eines militärischen Schlages gegen Bagdad, trage dies aber weniger aggressiv vor als im Wahlkampf. Zugleich werde die Bundesregierung Washington durch diplomatische Kanäle signalisieren, dass Deutschland sich an einem Einsatz zur Stabilisierung des Landes nach einem Krieg mit Soldaten beteiligen werde.
Kanzler Schröder (SPD) hatte bisher stets betont, dass seine Ablehnung unabhängig von einem Mandat der Vereinten Nationen sei. Dies scheint sich dem Bericht zufolge jedoch ausschließlich auf einen Krieg gegen Irak bezogen zu haben. Denn Fischer sagte zu einer Folgemission, diese müsste an ein UN-Mandat gebunden sein.
Nach der gewonnenen Wahl hatte Fischer der „New York Times“ gesagt, es sei „ein Tag des Glücks“ für ihn. „Doch ich weiß, dass ich einen bitteren Preis für diese Glück bezahlen werde, für diesen einen süßen Tag des Glücks.“
Doppelbesuch in Washington
Zuerst hatte Fischer einen Besuch angekündigt, nun will offenbar auch der Kanzler in die USA reisen. Das Kanzleramt erwäge ein direktes Gespräch zwischen Schröder und US-Präsident George W. Bush, um die deutlich gestörten Beziehungen wieder zu verbessern, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am Donnerstag.
Im Kanzleramt heiße es, das ursprünglich beim Nato-Gipfeltreffen in Prag am 21. und 22. November geplante Treffen Schröder-Bush sei zu spät. Sollte Washington die Idee positiv aufnehmen, werde es vorher einen Kurzbesuch Schröders in den USA geben, so der Bericht.
Außenminister Fischer hatte am Mittwoch in Berlin gesagt, er werde zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“ nach Washington reisen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, konkrete Reisedaten gebe es noch nicht.
Nach Angaben von Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye arbeitet die Bundesregierung „mit großer Geduld“ daran, Missstimmungen und Missverständnisse in den deutsch-amerikanischen Beziehungen zu beseitigen. Über die einzelnen Schritte machte er keine Angaben. Zu hoffen sei, dass die „Verstimmung“ bis zum Nato-Gipfel Ende November in Prag bereinigt sei.
Rumsfeld verließ eilig die Tafel
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte am Dienstagabend in Warschau ein Abendessen der Nato-Verteidigungsminister verlassen, bevor sein deutscher Kollege Peter Struck das Wort ergreifen konnte. Er erklärte das auf einer Pressekonferenz am Mittwoch mit dienstlichen Erfordernissen. Seiner Meinung nach habe Struck zu dem Zeitpunkt bereits gesprochen. Gleichwohl ließ er erkennen, dass er sich durch die Haltung Deutschlands in der Irak-Frage getroffen fühlt.
Rumsfeld verwies auf ein Sprichwort in seiner Heimat, wonach man nicht noch graben solle, wenn man in ein Loch hineingeraten sei. Als ihm klar wurde, dass dies auch bedeuten könne, Deutschland mache die Dinge mit seinen Wiedergutmachungsbemühungen nur schlimmer, sagte er: „Lasst uns so tun, als ob ich das nie gesagt hätte.“
Fragen, ob es direkte Verbindungen zwischen dem Terror-Netzwerk El Kaida und Irak gebe, beantwortete Rumsfeld mit „Ja“. Zur Begründung verwies er auf CIA-Dokumente und auf das vom britischen Premierminister Tony Blair vorgelegte Dossier. Es sei ein erneuter Beweis, dass die bisherigen Sanktionen nicht zur Entwaffnung Iraks geführt hätten und dass man überlegen müsse, mit welchen Mitteln dies erreicht werden könne.
Nato-Generalsekretär George Robertson warnte bei dem Treffen, die Meinungsunterschiede in der Irak-Politik dürften nicht die Einheit des Bündnisses schwächen.
Hilferuf an „Amerikas treuesten Freund“
Blair soll Schröder aus der Klemme helfen. Bei seinem ersten Auslandsbesuch nach der Bundestagswahl unterhielt sich der deutsche Bundeskanzler am Dienstagabend mehr als zwei Stunden lang mit dem britischen Premierminister. Bei dem Gespräch in London ging es nach Angaben aus Downing Street vor allem um das Thema Irak.
Das Treffen, das auf Schröders Wunsch stattfand, sei „wie immer gut“ gewesen, verlautete aus Londoner Regierungskreisen. Blair soll zwischen Deutschland und den USA vermitteln, um das derzeit frostige Verhältnis wieder zu verbessern, wie die BBC berichtete.
US-Präsident Bush hat Blair wiederholt als den „treuesten Freund Amerikas“ bezeichnet. Anders als Schröder schließt Blair einen Militärschlag gegen Iraks Diktator Saddam Hussein – auch ohne UN-Mandat – nicht aus. Der britische Regierungschef unterhält aber auch gute Kontakte zu Schröder und hatte dem SPD-Vorsitzenden in den vergangenen Wochen sogar Wahlkampfhilfe geleistet. Die Tatsache, dass die beiden Sozialdemokraten in der Irak-Frage unterschiedlicher Auffassung sind, habe das Verhältnis nicht belastet, hieß es aus London.
Der Präsident bleibt verschnupft
Das Weiße Haus hatte zuvor erneut betont, dass es nach der deutschen Kritik an Bushs Irak-Kurs nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wird. Nach den „Exzessen“ im deutschen Wahlkampf wäre es nicht „natürlich“, so zu tun, als sei nichts geschehen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, am Dienstag. Man könne die Worte, die während des Wahlkampfs gefallen seien, nicht ignorieren. „Ich denke, dass niemand überrascht sein sollte, dass Worte und Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen und dass sie nach der Wahl nicht einfach nichtig sind“, erklärte Fleischer weiter. „Die Beziehungen sind offensichtlich belastet.“
26.09.02, 12:45 Uhr
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