Trotz der absehbaren Erleichterung über das nahende Ende des Irak-Kriegs haben führende Ökonomen am Donnerstag konjunkturstützende Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) eingefordert. Der Ruf hat besonderes Gewicht.
"Ohne eine weitere Zinssenkung kommt die europäische Konjunktur nicht auf die Beine", sagte Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, in einer FTD-Umfrage. Ähnlich nachdrücklich setzten sich für eine geldpolitische Lockerung im Euro-Raum eine Reihe weiterer Bankenchefvolkswirte sowie der OECD-Chefökonom Jean-Philippe Cotis und der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) Horst Köhler ein.
Der Ruf nach einer Zinssenkung erhält durch die Prominenz und Einmütigkeit der Befürworter besonderes Gewicht. Als Grund für die notwendige Konjunkturstützung wird dabei angeführt, dass das Ende des Krieges - anders als zeitweilig vermutet - nicht automatisch zu einem Aufschwung führen wird. Die EZB hatte die Aussicht auf weitere Zinssenkungen zuletzt implizit an den weiteren Kriegsverlauf und dessen wirtschaftliche Konsequenzen gebunden.
Probleme in USA Asien
Im April-Monatsbericht bestätigte die Zentralbank diese Haltung. "Da außergewöhnliche Umstände die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung derzeit erschweren, wird der EZB-Rat die Ereignisse weiterhin sorgfältig beobachten und sie seinem Auftrage gemäß beurteilen", heißt es in dem Papier, das allerdings vor dem Zusammenbruch des Bagdader Saddam-Regimes am Mittwoch abgeschlossen wurde.
Obwohl sich die geopolitische Unsicherheit damit jetzt verringern dürfte, halten die befragten Ökonomen nach der jüngsten Lockerung der EZB-Zinsen vom März eine erneute Senkung im Mai oder Juni für notwendig. Die Experten der HypoVereinsbank fordern sogar noch einen weiteren drastischen Rückgang der Euro-Leitzinsen um 50 Basispunkte während des dritten Quartals. Die EZB müsse damit auf eine erneute Abschwächung der Konjunktur "wegen der strukturellen Probleme der US-Wirtschaft und der absehbaren Probleme in Asien" reagieren, sagte HypoVereinsbank-Volkswirt Andreas Rees.
Verbrauchervertrauen bessert sich
Derzeit liegen die Leitzinsen im Euro-Raum bei nur noch 2,5 Prozent und in den USA bei lediglich 1,25 Prozent. Laut Schmieding wird sich zwar in den kommenden Wochen das Verbrauchervertrauen wieder verbessern, nachdem es durch die Kriegssorgen zuletzt stark belastet worden war. Der Chefökonom bei Invesco Asset Management, Jörg Krämer, rechnet sogar damit, dass sich das nahende Kriegsende bereits in der Finanzmarktumfrage des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in der kommenden Woche niederschlägt: Die Erwartungen dürften wieder etwas positiver ausfallen.
Das ändere aber nichts an der flauen Tendenz und der Notwendigkeit weiter sinkender Zinsen. Die meisten Prognosen seien ohnehin von einem kurzen Krieg ausgegangen. Wie Schmieding erklärte, wirken unabhängig vom Krieg auch die gestiegene Steuer- und Abgabenlast sowie der drastische Beschäftigungsabbau belastend.
Ähnlich äußerte sich Michael Hüther, Chefvolkswirt der Deka-Bank: "Die Schwäche der Binnenkonjunktur ist nicht auf den Krieg zurückzuführen und wird daher auch nach Kriegsende bleiben." Es werde eine leichte Belebung geben, "aber Aufschwung kann man das nicht nennen".
Aufschwung für 2004 erwartet
Nach einer Umfrage des Beratungsinstituts MJ Economics erwarten Europas führende Bankenökonomen derzeit im Schnitt einen Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von nur 0,4 Prozent. Für die Euro-Zone liegt die Konsensprognose bei 1,0 Prozent.
Der Chefvolkswirt von Allianz und Dresdner Bank, Michael Heise, äußerte am Donnerstag die Erwartung, dass sich die deutsche Wirtschaft "erst im letzten Quartal 2003 nennenswert erholt." Für 2004 setzt Heise laut der neuen Prognose dann allerdings auf einen "respektableren Aufschwung".
Laut Schmieding könnte jetzt zwar jene kriegsbedingte Unsicherheit wegfallen, die zuletzt verhindert habe, dass niedrigere Zinsen vollständig in der Realwirtschaft ankommen. Zusätzlich dämpfe aber die Krise im deutschen Bankensystem den geldpolitischen Impuls; die Banken hielten sich wegen der schlechten Geschäftslage bei ihrer Kreditvergabe derzeit stark zurück.
"Symptome für deflationäre Tendenzen"
Damit könnte es laut Schmieding wie in Japan zu einer Situation kommen, in der die Kreditvergabe trotz eines starken Geldmengenwachstums schwächelt. Allianz-Volkwirt Heise sieht wegen der gedämpften Kreditvergabe und abgeschwächten Einkommenszuwächsen "einige bedenkliche Symptome für deflationäre Tendenzen" in Deutschland.
Das Risiko einer Deflation sei dennoch gering, sagte der Chefökonom der Bundesbank Hermann Remsperger. Trotz der Probleme der Banken sei die Kreditversorgung der Wirtschaft "generell gesichert".
Gedämpft wird die Euro-Konjunktur laut Schmieding schließlich durch die Stärke des Euro. Der jüngste Aufwärtstrend sei nicht nur kriegsbedingt, sondern eine Reaktion auf Ungleichgewichte in den USA, wie etwa das Leistungsbilanzdefizit. "Die Aufwertung wird sich fortsetzen und die Exportaussichten in Europa belasten", sagte Schmieding. Auch das spreche für eine monetäre Lockerung an anderer Stelle: eine Leitzinssenkung.
"Ohne eine weitere Zinssenkung kommt die europäische Konjunktur nicht auf die Beine", sagte Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank of America, in einer FTD-Umfrage. Ähnlich nachdrücklich setzten sich für eine geldpolitische Lockerung im Euro-Raum eine Reihe weiterer Bankenchefvolkswirte sowie der OECD-Chefökonom Jean-Philippe Cotis und der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) Horst Köhler ein.
Der Ruf nach einer Zinssenkung erhält durch die Prominenz und Einmütigkeit der Befürworter besonderes Gewicht. Als Grund für die notwendige Konjunkturstützung wird dabei angeführt, dass das Ende des Krieges - anders als zeitweilig vermutet - nicht automatisch zu einem Aufschwung führen wird. Die EZB hatte die Aussicht auf weitere Zinssenkungen zuletzt implizit an den weiteren Kriegsverlauf und dessen wirtschaftliche Konsequenzen gebunden.
Probleme in USA Asien
Im April-Monatsbericht bestätigte die Zentralbank diese Haltung. "Da außergewöhnliche Umstände die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung derzeit erschweren, wird der EZB-Rat die Ereignisse weiterhin sorgfältig beobachten und sie seinem Auftrage gemäß beurteilen", heißt es in dem Papier, das allerdings vor dem Zusammenbruch des Bagdader Saddam-Regimes am Mittwoch abgeschlossen wurde.
Obwohl sich die geopolitische Unsicherheit damit jetzt verringern dürfte, halten die befragten Ökonomen nach der jüngsten Lockerung der EZB-Zinsen vom März eine erneute Senkung im Mai oder Juni für notwendig. Die Experten der HypoVereinsbank fordern sogar noch einen weiteren drastischen Rückgang der Euro-Leitzinsen um 50 Basispunkte während des dritten Quartals. Die EZB müsse damit auf eine erneute Abschwächung der Konjunktur "wegen der strukturellen Probleme der US-Wirtschaft und der absehbaren Probleme in Asien" reagieren, sagte HypoVereinsbank-Volkswirt Andreas Rees.
Verbrauchervertrauen bessert sich
Derzeit liegen die Leitzinsen im Euro-Raum bei nur noch 2,5 Prozent und in den USA bei lediglich 1,25 Prozent. Laut Schmieding wird sich zwar in den kommenden Wochen das Verbrauchervertrauen wieder verbessern, nachdem es durch die Kriegssorgen zuletzt stark belastet worden war. Der Chefökonom bei Invesco Asset Management, Jörg Krämer, rechnet sogar damit, dass sich das nahende Kriegsende bereits in der Finanzmarktumfrage des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in der kommenden Woche niederschlägt: Die Erwartungen dürften wieder etwas positiver ausfallen.
Das ändere aber nichts an der flauen Tendenz und der Notwendigkeit weiter sinkender Zinsen. Die meisten Prognosen seien ohnehin von einem kurzen Krieg ausgegangen. Wie Schmieding erklärte, wirken unabhängig vom Krieg auch die gestiegene Steuer- und Abgabenlast sowie der drastische Beschäftigungsabbau belastend.
Ähnlich äußerte sich Michael Hüther, Chefvolkswirt der Deka-Bank: "Die Schwäche der Binnenkonjunktur ist nicht auf den Krieg zurückzuführen und wird daher auch nach Kriegsende bleiben." Es werde eine leichte Belebung geben, "aber Aufschwung kann man das nicht nennen".
Aufschwung für 2004 erwartet
Nach einer Umfrage des Beratungsinstituts MJ Economics erwarten Europas führende Bankenökonomen derzeit im Schnitt einen Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von nur 0,4 Prozent. Für die Euro-Zone liegt die Konsensprognose bei 1,0 Prozent.
Der Chefvolkswirt von Allianz und Dresdner Bank, Michael Heise, äußerte am Donnerstag die Erwartung, dass sich die deutsche Wirtschaft "erst im letzten Quartal 2003 nennenswert erholt." Für 2004 setzt Heise laut der neuen Prognose dann allerdings auf einen "respektableren Aufschwung".
Laut Schmieding könnte jetzt zwar jene kriegsbedingte Unsicherheit wegfallen, die zuletzt verhindert habe, dass niedrigere Zinsen vollständig in der Realwirtschaft ankommen. Zusätzlich dämpfe aber die Krise im deutschen Bankensystem den geldpolitischen Impuls; die Banken hielten sich wegen der schlechten Geschäftslage bei ihrer Kreditvergabe derzeit stark zurück.
"Symptome für deflationäre Tendenzen"
Damit könnte es laut Schmieding wie in Japan zu einer Situation kommen, in der die Kreditvergabe trotz eines starken Geldmengenwachstums schwächelt. Allianz-Volkwirt Heise sieht wegen der gedämpften Kreditvergabe und abgeschwächten Einkommenszuwächsen "einige bedenkliche Symptome für deflationäre Tendenzen" in Deutschland.
Das Risiko einer Deflation sei dennoch gering, sagte der Chefökonom der Bundesbank Hermann Remsperger. Trotz der Probleme der Banken sei die Kreditversorgung der Wirtschaft "generell gesichert".
Gedämpft wird die Euro-Konjunktur laut Schmieding schließlich durch die Stärke des Euro. Der jüngste Aufwärtstrend sei nicht nur kriegsbedingt, sondern eine Reaktion auf Ungleichgewichte in den USA, wie etwa das Leistungsbilanzdefizit. "Die Aufwertung wird sich fortsetzen und die Exportaussichten in Europa belasten", sagte Schmieding. Auch das spreche für eine monetäre Lockerung an anderer Stelle: eine Leitzinssenkung.