Der Irak-Konflikt hat die westliche Welt politisch entzweit. Noch folgenschwerer könnte aber sein, dass Notenbanken und Regierungen ziemlich chaotisch und uneins auf die ökonomische Risikolage reagieren.
Erst kam der Hoffnungsschub, dann die Ernüchterung. Eine Woche nach Beginn des Irak-Kriegs zeichnet sich ab, dass er länger dauert, als in den optimistischsten Szenarien veranschlagt. Jetzt droht mit jedem weiteren Tag wahrscheinlicher zu werden, dass der Krieg die ohnehin labile Weltwirtschaft in neue Turbulenzen bringt - ob über steigende Ölpreise und Militärkosten oder schwindendes Verbrauchervertrauen und fallende Aktienkurse.
Umso erstaunlicher wirkt, wie gelassen Regierungen und Notenbanken bislang auf die ökonomische Risikolage reagiert haben. Hierin liegt womöglich eine mindestens ebenso große Gefahr wie im militärisch-politischen Auseinanderdriften von Anglo-Amerikanern und Franzosen und Deutschen.
Ungewohnte Richtungswechsel
Das wirtschaftspolitische Wirken der großen Industrienationen trägt zunehmend autistische Züge. Klar: Ein paar Abstimmungen gab es. Die US-Regierung erwägt Hilfen für die Flugindustrie. Die Notenbanken würden auf mögliche Liquiditätsengpässe an den Finanzmärkten reagieren, wie sie es nach dem 11. September taten. Das sind aber nur die technischen Aspekte möglicher Turbulenzen.
Ziemlich ratlos reagierten die Finanzmärkte zuletzt auf das ungewohnte Ausbleiben klarer Richtungsvorgaben durch den hoch geschätzten US-Notenbankchef Alan Greenspan. Amerikas Zentralbanker streiten gerade über Grundsatzfragen. Europas Zentralbankchef Wim Duisenberg senkte umgekehrt zwar kurz vor Kriegsbeginn die Zinsen und gab mit ungewohnter Klarheit zu erkennen, dass weitere Schritte folgen könnten. Prima - wenn nur EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing selbiges nicht gleich wieder relativiert hätte. Laut Issing sollten die Zinsen, falls überhaupt, erst dann gesenkt werden, wenn gesicherte Daten über die Kriegsfolgen für die Konjunktur vorliegen - wohl wissend, dass dies Wochen dauern kann und die Zinssenkung dann mit Sicherheit zu spät käme.
Der US-Präsident macht unbekümmert neue Schulden, um Steuern zu senken, Staatspersonal aufzustocken und Kriege zu finanzieren - egal, welche wirtschaftlichen Folgen das haben könnte. In Deutschland herrscht umgekehrt der ebenso absurde Glaube, dass der Staat mitten in Krieg und globaler Konjunkturkrise sein Staatsdefizit sogar drastisch abbauen könnte, indem Steuern und Abgaben steigen. Die Wahrheit liegt in der Mitte.
Was in Amerika zu antizyklischem Überschwang geführt hat, gleicht in Deutschland einem fahrlässig prozyklischen Kurs, der die Krise nur verlängert. Laut Plan sollen Firmen und Verbraucher 2003 derart stark belastet werden, dass das Strukturdefizit im Etat um einen Prozentpunkt des BIP sinkt.
Die Liste der Kuriositäten lässt sich fast beliebig verlängern: Während Japan einsam gegen Deflation und Dollarschwäche kämpft, üben sich Amerikaner und Europäer im "benign neglect", im Ignorieren der gefährlichen Kapriolen bei den großen Weltwährungen. Allein in den vergangenen 15 Monaten seien Japans Devisenreserven wegen der Stützungsaktionen für den Dollar um ein Drittel auf jetzt 500 Mrd. $ gestiegen, schätzt Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank.
Was fehle, sei ein Konsens darüber, wie auf den konjunkturellen Nachfrageeinbruch reagiert werde, sagt Walter. Frankreich lässt die Steuern senken, bricht dafür allerdings frühere Versprechen zum Schuldenabbau. Während sich die Bundesregierung an überholte Konjunkturprognosen klammert und Defizitziele zum Fetisch erklärt. "Damit sabotiert Deutschland die Glaubwürdigkeit der europäischen Finanzpolitik", sagt Walter.
Ein schlechter Kompromiss ist vor diesem Hintergrund die höchst vorsichtige Formel, mit der die EU-Kommission finanzpolitisch auf den Irak-Krieg "reagieren" will. Brüssel räumt ein, dass der Krieg jene "außergewöhnlichen Umstände" schaffen könne, die höhere Staatsdefizite notwendig machen. Was das im Einzelfall bedeutet, soll aber erst später geprüft werden. Das ist verquast - und wird nicht reichen, um Firmen und Verbrauchern die Zuversicht zu geben, dass ihnen wegen des Kriegs keine zusätzlichen Lasten mehr aufgebürdet werden.
Besser wäre, wenn die Notenbanken klar ankündigten, dass sie die Zinsen im Notfall sehr schnell senken würden - und nicht erst Wochen danach. Und wenn etwa die deutsche Bundesregierung daran arbeitete, wenigstens die eigens verursachten Abgabebelastungen dieses Jahres abzufedern - etwa durch vorgezogene Steuersenkungen.
Handelspolitik nach Wildwest-Manier
Für die USA wäre es dagegen keineswegs ein Drama, wenn die eine oder andere geplante Steuersenkung ausbliebe. Im Gegenteil: Auf Dauer wird Amerikas dramatischer Importüberschuss in der Leistungsbilanz nur dann sinken, wenn die Inlandsnachfrage nach Jahren der Exzesse mäßiger wächst und im Rest der Welt entsprechend schneller. Hier würde es lohnen, sich international abzustimmen.
Das Gleiche drängt sich in Sachen Wechselkurs auf. Je länger der Krieg dauert, desto größer wird die Gefahr, dass der ohnehin schwächelnde Dollar zu einem gefährlich unkontrollierten Absturz ansetzt. Ein Gegensteuern könnte auch bei Handelsfragen nötig werden - nach der Wildwest-Reaktion wichtiger US-Abgeordneter, wonach deutsche und französische Produkte boykottiert werden sollten.
Die Hoffnung auf rosige Zeiten nach einem schnellen Kriegsende ist doppelt gewagt. Erstens weil der Krieg eben doch noch Wochen dauern könnte. Zum Zweiten, weil dem Krieg zwar ein Schub der Erleichterung folgen dürfte, nicht aber automatisch ein dauerhafter Aufschwung. Die Terrorangst wird Firmen und Verbrauchern ebenso bleiben wie die Skepsis angesichts von Bilanzskandalen, Aktiencrashs und Bushs Schuldenkurs.
Eine bessere internationale Abstimmung könnte dringlicher kaum sein. Ein Club wirtschaftspolitischer Autisten wird kaum verhindern können, dass der Krieg die Lage noch schlimmer macht als ohnehin schon.
© 2003 Financial Times Deutschland
So long,
Calexa
www.investorweb.de
Erst kam der Hoffnungsschub, dann die Ernüchterung. Eine Woche nach Beginn des Irak-Kriegs zeichnet sich ab, dass er länger dauert, als in den optimistischsten Szenarien veranschlagt. Jetzt droht mit jedem weiteren Tag wahrscheinlicher zu werden, dass der Krieg die ohnehin labile Weltwirtschaft in neue Turbulenzen bringt - ob über steigende Ölpreise und Militärkosten oder schwindendes Verbrauchervertrauen und fallende Aktienkurse.
Umso erstaunlicher wirkt, wie gelassen Regierungen und Notenbanken bislang auf die ökonomische Risikolage reagiert haben. Hierin liegt womöglich eine mindestens ebenso große Gefahr wie im militärisch-politischen Auseinanderdriften von Anglo-Amerikanern und Franzosen und Deutschen.
Ungewohnte Richtungswechsel
Das wirtschaftspolitische Wirken der großen Industrienationen trägt zunehmend autistische Züge. Klar: Ein paar Abstimmungen gab es. Die US-Regierung erwägt Hilfen für die Flugindustrie. Die Notenbanken würden auf mögliche Liquiditätsengpässe an den Finanzmärkten reagieren, wie sie es nach dem 11. September taten. Das sind aber nur die technischen Aspekte möglicher Turbulenzen.
Ziemlich ratlos reagierten die Finanzmärkte zuletzt auf das ungewohnte Ausbleiben klarer Richtungsvorgaben durch den hoch geschätzten US-Notenbankchef Alan Greenspan. Amerikas Zentralbanker streiten gerade über Grundsatzfragen. Europas Zentralbankchef Wim Duisenberg senkte umgekehrt zwar kurz vor Kriegsbeginn die Zinsen und gab mit ungewohnter Klarheit zu erkennen, dass weitere Schritte folgen könnten. Prima - wenn nur EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing selbiges nicht gleich wieder relativiert hätte. Laut Issing sollten die Zinsen, falls überhaupt, erst dann gesenkt werden, wenn gesicherte Daten über die Kriegsfolgen für die Konjunktur vorliegen - wohl wissend, dass dies Wochen dauern kann und die Zinssenkung dann mit Sicherheit zu spät käme.
Der US-Präsident macht unbekümmert neue Schulden, um Steuern zu senken, Staatspersonal aufzustocken und Kriege zu finanzieren - egal, welche wirtschaftlichen Folgen das haben könnte. In Deutschland herrscht umgekehrt der ebenso absurde Glaube, dass der Staat mitten in Krieg und globaler Konjunkturkrise sein Staatsdefizit sogar drastisch abbauen könnte, indem Steuern und Abgaben steigen. Die Wahrheit liegt in der Mitte.
Was in Amerika zu antizyklischem Überschwang geführt hat, gleicht in Deutschland einem fahrlässig prozyklischen Kurs, der die Krise nur verlängert. Laut Plan sollen Firmen und Verbraucher 2003 derart stark belastet werden, dass das Strukturdefizit im Etat um einen Prozentpunkt des BIP sinkt.
Die Liste der Kuriositäten lässt sich fast beliebig verlängern: Während Japan einsam gegen Deflation und Dollarschwäche kämpft, üben sich Amerikaner und Europäer im "benign neglect", im Ignorieren der gefährlichen Kapriolen bei den großen Weltwährungen. Allein in den vergangenen 15 Monaten seien Japans Devisenreserven wegen der Stützungsaktionen für den Dollar um ein Drittel auf jetzt 500 Mrd. $ gestiegen, schätzt Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank.
Was fehle, sei ein Konsens darüber, wie auf den konjunkturellen Nachfrageeinbruch reagiert werde, sagt Walter. Frankreich lässt die Steuern senken, bricht dafür allerdings frühere Versprechen zum Schuldenabbau. Während sich die Bundesregierung an überholte Konjunkturprognosen klammert und Defizitziele zum Fetisch erklärt. "Damit sabotiert Deutschland die Glaubwürdigkeit der europäischen Finanzpolitik", sagt Walter.
Ein schlechter Kompromiss ist vor diesem Hintergrund die höchst vorsichtige Formel, mit der die EU-Kommission finanzpolitisch auf den Irak-Krieg "reagieren" will. Brüssel räumt ein, dass der Krieg jene "außergewöhnlichen Umstände" schaffen könne, die höhere Staatsdefizite notwendig machen. Was das im Einzelfall bedeutet, soll aber erst später geprüft werden. Das ist verquast - und wird nicht reichen, um Firmen und Verbrauchern die Zuversicht zu geben, dass ihnen wegen des Kriegs keine zusätzlichen Lasten mehr aufgebürdet werden.
Besser wäre, wenn die Notenbanken klar ankündigten, dass sie die Zinsen im Notfall sehr schnell senken würden - und nicht erst Wochen danach. Und wenn etwa die deutsche Bundesregierung daran arbeitete, wenigstens die eigens verursachten Abgabebelastungen dieses Jahres abzufedern - etwa durch vorgezogene Steuersenkungen.
Handelspolitik nach Wildwest-Manier
Für die USA wäre es dagegen keineswegs ein Drama, wenn die eine oder andere geplante Steuersenkung ausbliebe. Im Gegenteil: Auf Dauer wird Amerikas dramatischer Importüberschuss in der Leistungsbilanz nur dann sinken, wenn die Inlandsnachfrage nach Jahren der Exzesse mäßiger wächst und im Rest der Welt entsprechend schneller. Hier würde es lohnen, sich international abzustimmen.
Das Gleiche drängt sich in Sachen Wechselkurs auf. Je länger der Krieg dauert, desto größer wird die Gefahr, dass der ohnehin schwächelnde Dollar zu einem gefährlich unkontrollierten Absturz ansetzt. Ein Gegensteuern könnte auch bei Handelsfragen nötig werden - nach der Wildwest-Reaktion wichtiger US-Abgeordneter, wonach deutsche und französische Produkte boykottiert werden sollten.
Die Hoffnung auf rosige Zeiten nach einem schnellen Kriegsende ist doppelt gewagt. Erstens weil der Krieg eben doch noch Wochen dauern könnte. Zum Zweiten, weil dem Krieg zwar ein Schub der Erleichterung folgen dürfte, nicht aber automatisch ein dauerhafter Aufschwung. Die Terrorangst wird Firmen und Verbrauchern ebenso bleiben wie die Skepsis angesichts von Bilanzskandalen, Aktiencrashs und Bushs Schuldenkurs.
Eine bessere internationale Abstimmung könnte dringlicher kaum sein. Ein Club wirtschaftspolitischer Autisten wird kaum verhindern können, dass der Krieg die Lage noch schlimmer macht als ohnehin schon.
© 2003 Financial Times Deutschland
So long,
Calexa
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