So beurteilt die Schutzgemeinschaft deutscher Kapitalanleger e.V. (SdK) die Lage bei Wirecard:
"(...) 7. Sollen wir die Wertpapiere jetzt verkaufen? Wird der Kurs der WirecardAktie noch einmal steigen? Wie hoch schätzen Sie das Insolvenzrisiko ein?
Aussagen über die kurzfristige Kursentwicklung sind uns nicht möglich. Der Kurs
wird durch zu viele unbekannte Faktoren bestimmt. Einerseits sind ca. 25 – 30 % der
Aktien aktuell von Leerverkäufern verkauft worden, welche diese irgendwann wieder
zurückkaufen werden müssen. Dies kann zu einem plötzlich steigenden Kurs führen.
eigene Einschätzungen bezüglich der Lage der Gesellschaft an. Andererseits gibt es
werden müssen. So hält der ehemalige Vorstand der Gesellschaft unserer
Einschätzung nach noch gut 8 % der Wirecard Aktien. Diese dienen zum Teil jedoch
als Sicherheit für ein 150 Mio. Euro schweres Privatdarlehen der Deutschen Bank an
Herrn Braun. Es ist aus unserer Sicht damit zu rechnen, dass die Deutsche Bank
zeitnah mit der Verwertung der Sicherheiten beginnen dürfte. Darüber hinaus hängt
kommen werden. Eine Aussage, wann der beste Zeitpunkt ist, um sich von den Aktien
zu trennen, ist daher nicht möglich. Wir gehen jedoch davon aus, dass langfristig die
Insolvenzgefahr besteht. Am 19. Juni 2020 wurde bekannt, dass mit Houlihan Lokey
einer der bekanntesten Sanierungsberater von Wirecard engagiert wurde. Dieser soll
zusammen mit Wirecard eine nachhaltigen Finanzierungsstrategie für das
Unternehmen entwickeln. Wenn jedoch eine neue Finanzierungsstrategie benötigt
wird, ist das für uns gleichbedeutend damit, dass die bisherige Finanzierungsstrategie
nicht mehr intakt ist, und eine neue Finanzierung der Gesellschaft mit großen Hürden
verbunden ist, denn sonst würde man hierfür ja keinen Sanierungsberater benötigen.
Wir kennen Houlihan Lokey gut. Bereits in den Fällen Q-Cells, Escada und
Solarworld waren diese mit an Board. In keinem der Fälle ist am Ende für die
Eigentümer des Unternehmens, also die Aktionäre, noch etwas zum Verteilen
übriggeblieben. Stets kam es zur Insolvenz. Dies muss hier nicht so Enden, jedoch
gibt es einige Punkte, die klar gegen eine positive Entwicklung sprechen:
1. Wirecard vermisst 1,9 Mrd. Euro. Diese seien laut Vorstandsangeben in
einem kriminellen Akt verloren gegangen. Die philippinischen Banken,
welche angeblich die Guthaben des Wirecard-Konzerns gehalten haben
sollen, haben jedoch bekanntgegeben, dass Wirecard nie Kunde war. Auch
die philippinische Notenbank hat dementiert, dass jemals Treuhandgelder von
Wirecard in das Finanzsystem der Philippinen geflossen sind. Es ist aus
unserer Sicht daher davon auszugehen, dass die von Wirecard angegebenen
Umsätze entweder nie erzielt wurden, und somit das Guthaben auch nie
vorhanden war. Oder, sofern das Guthaben vorhanden gewesen sein sollte,
dieses tatsächlich in den letzten Monaten in einem kriminellen Akt veruntreut
wurde. Aus anderen Fällen, zum Beispiel der Mox Telecom AG, kennen wir
Sachverhalte, bei denen Gelder im Ausland verschwanden. Die Such- und
Rückholaktionen verliefen in allen Fällen stets erfolglos, da die Deutschen
Behörden meist zu zaghaft und langsam reagierten, und in den asiatischen
Ländern das Rechtssystem auch nicht so ausgeprägt war, um schnell die Täter
überführen zu können. Wir gehen daher davon aus, dass hier eine nur sehr
geringe Chance besteht, die Gelder zurückzubekommen, falls diese
tatsächlich entwendet worden sein sollten.
2. Sollten die Gelder in der Vergangenheit erst gar nicht erwirtschaftet worden
sein, es sich also um Scheinumsätze handeln, droht Wirecard aus unserer
Sicht nicht nur die Zahlungsunfähigkeit, sondern vor allem auch die
bilanzielle Überschuldung, also das die Verbindlichkeiten das Vermögen
übersteigen. Denn dann wären wohl die im Einzelabschluss der Gesellschaft
zum 31.12.2018 aufgeführten Forderungen gegenüber verbundenen
Unternehmen in Höhe von 920 Mio. Euro deutlich zu berichtigen. Auch die
Werthaltigkeit der Anteile an verbundenen Unternehmen in Höhe von 1,289
Mrd. Euro ist dann aus unserer Sicht zu hinterfragen und wohl auch zu
berichtigen. Da Wirecard zum 31.12.2018 ein Eigenkapital in Höhe von 792
Mio. Euro aufgewiesen hat, wäre eine bilanzielle Überschuldung unserer
Einschätzung nach wahrscheinlich. Eine positive Fortführungsprognose
könnten wir für den Fall auch nicht erkennen. Denn operativ dürfte der
Schaden für Wirecard enorm sein. Wir gehend davon aus. Dass aktuell keine
neuen Kunden gewonnen werden können, und bestehende Kunden sich einen
Wechsel zur Konkurrenz überlegen werden. Denn wer vertraut sein Geld
einem Zahlungsabwickler an, der selber ein Guthaben über 1,9 Mrd. Euro
nicht mehr findet? Hinzu kommt, dass Wirecard eventuell auch Probleme
bekommen könnte, zukünftig noch Zahlungen abwickeln zu dürfen. Wirecard
ist auf die Zusammenarbeit mit Kreditkartenunternehmen wie Visa und
Mastercard und auf Kooperationen mit Banken angewiesen. Ob diese
zukünftig die Geschäftsbeziehungen unter diesen Umständen
aufrechterhalten werden, erscheint uns sehr zweifelhaft.
Aus unserer Sicht überwiegen daher die Risiken die Chancen aktuell bei weitem. Dies
muss jedoch nicht gleichbedeutend damit sein, dass der Kurs auch in den kommenden
Tagen weiter fallen wird. Wir rechnen kurzfristig mit hohen Schwankungen bei Kurs.
Mittelfristig gehen wir jedoch davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit deutlich größer
ist, dass der Kurs weiterhin fallen wird. Denn auch bei einem Kurs von 20 Euro ist
die Gesellschaft noch mit rund 2,5 Mrd. Euro an der Börse bewertet, was unter den
aktuellen Umständen sehr hoch erscheint, sofern sich herausstellen sollte, dass die
fehlenden 1,9 Mrd. Euro nie erwirtschaftet worden sind. Dies wäre unserer Meinung
nach gleichbedeutend damit, dass die Gewinne der Wirecard AG der letzten Jahre
nicht existierten (...). Wir sehen also ein großes Risiko, dass mittelfristig auf Sicht von 3 Monaten der Kurs
der Aktie weiterhin fallen wird.
8. Halten Sie ein Übernahmeangebot für die Wirecard Aktien für
wahrscheinlich?
Ein Übernahmeangebot für die Wirecard AG halten wir für extremst
unwahrscheinlich. Die Gesellschaft befindet sich in einer schweren Krise. Die
Aussagekraft der bisher publizierten Unternehmenszahlen erscheint sehr begrenzt.
Ferner haben große Investoren wie die Fondsgesellschaft DWS bereits Klagen auf
Schadensersatz angekündigt. Hier verbergen sich ebenfalls Milliardenrisiken
dahinter, die ein potentieller Käufer auch mittragen müsste. Eine Übernahme der
Wirecard AG als Ganzes im Rahmen eines Übernahmeangebotes an alle Aktionäre
halten wir für völlig ausgeschlossen. Es könnte jedoch sein, dass einzelne Teile des
Konzerns, zum Beispiel die Wirecard Bank AG, das Interesse von Wettbewerbern
wecken. Diese würden jedoch dann wahrscheinlich nur die betreffenden
Tochtergesellschaften erwerben, bzw. im Rahmen eines Assetdeals nur die
Vermögenswerte dieser herauskaufen.
Quelle:
sdk.org/assets/Klageverfahren/Wirecard/...rd-Newsletter-2.pdf Text zur Anzeige gekürzt. Gesamten Beitrag anzeigen »