Man würde Pornographie erfinden, wenn es sie nicht gäbe
Interview mit Georg Seeßlen
Georg Seeßlen, freier Autor und Filmkritiker aus Hamburg, hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit Beiträgen zur medialen Inszenierung von Sexualität und Pornographie im Film zu Wort gemeldet. Zum Thema erschien zuletzt von ihm das Buch Orgasmus und Alltag. Kreuz- und Querzüge durch den medialen Mainstream (Hamburg 2000). Phase 2 befragte ihn zur gegenwärtig zu beobachtenden Enttabuisierung pornographischer Darstellungen, zum Verhältnis von Pornographie und "normaler" Sexualität sowie zum "progressiven" Gehalt von Pornographie.
Phase 2: Was ist eigentlich Pornographie, Herr Seeßlen?
Georg Seeßlen: Lassen Sie mich darauf mehrere Antworten geben, die von a) keine Ahnung bis b) ich weiß es, wenn ich es sehe über c) immer genau das, was eine Gesellschaft als solche definiert oder d) eine besondere, variable Form, aus der Negation heraus die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und die Beziehung zwischen Bild und Blick zu kontrollieren, reichen. Denkbar wäre auch eine Deutung, die e) die symbolische Aneignung fremder Körperlichkeit, das heißt eine über mehr oder weniger gefahrvolle Netze gezogene Verbindung verschiedener Privatsphären annimmt.
Phase 2: Im Laufe der letzten 15 Jahre hat Pornographie ihr Dasein in gesellschaftlichen Schattenbereichen verlassen und ist zum Mainstream geworden. Freie Bekenntnisse zum eigenen Konsum sind verbreiteter und MTV etwa widmet eine Reportage den Porno-Drehs der Popstars. Darüber hinaus wird das Angebot zur Teilhabe an Pornographie - denkt man an das Fernsehen oder das Internet - stärker. Wie erklären Sie sich diese Enttabuisierung pornographischer Zurschaustellung?
Georg Seeßlen: Leichter als von sexuellen Diskursen zu sprechen ist es vielleicht, von der Sexualisierung der Diskurse zu sprechen. In der Herrschaftsform der populistischen Mediokratie spielt die Sexualisierung der Diskurse in den Kreisläufen der Ökonomie und der Macht eine besondere Rolle. Es gibt allerdings einen Punkt, wo die Sexualisierung von der Strategie zum Symptom wird. Schließlich ist die Sexualisierung des Angebots ein klassischer Marktöffner: Jedes "neue" Medium verkauft sich zunächst mit dem Argument, sozial gefahrlose sexuelle Bilder aus den legalen, halblegalen und illegalen Netzen zu ziehen.
Einerseits ist "öffentliche Pornographie" also ein Widerspruch in sich selbst. Andererseits ist Pornographie nie das gleiche wie ein "Tabu", schließlich ist das pornographische Bild eines, das sich in verschiedenen Ebenen der Legalisierung verwirklicht. Diese Ebenen lassen sich entlang verschiedener Maßgaben darstellen: Da ist einmal die Maßgabe der Moral, die mehr oder weniger religiös abgeleitet sein mag. Es gibt natürliche oder gottgewollte Grenzen der Abbildung, die als Vorstufen des verbotenen Begehrens gewertet werden.
Andererseits nach der Maßgabe der Macht. Der adelige beziehungsweise erfolgsbürgerliche Mann etwa genießt das "pornographische" Bild der proletarischen Frau, der Kolonialist das "pornographische" Bild der schönen Wilden, der Besitzer der Produktionsmittel genießt das Bild jener, die nichts als ihren Körper zu verkaufen haben.
Oder aber nach der Maßgabe des Liberalismus: "Alles ist erlaubt, was gut tut", sagt "Emmanuelle", die einmal Leitmodell für den kleinbürgerlichen Hedonismus war, "as long as nobody get´s hurt". Legalisiert wird also alles, was "man sich leisten kann". Pornographie als Bild der sexuellen "Befreiung" (wie in den siebziger Jahren) liest sich so als sexueller Anreiz für den sozialen Aufstieg in einer Gesellschaft, die sich zugleich "saturiert" vorkommt und ihre ersten tiefen Krisen kommen sieht.
Schließlich nach der Maßgabe des ökonomischen Opportunismus - erlaubt ist, was sich auf dem Markt durchsetzt und nicht den Tatbestand eines Verbrechens erfüllt. Dabei gilt nicht nur "Sex sells", es gilt auch: Die sexualisierte Warenproduktion und die Sex-Industrie "schaffen Arbeitsplätze". Dabei verkauft das Fernsehen Sex vor allem als Erfolgsgeschichte.
Und, nicht zu vergessen, nach der Maßgabe der pädagogischen Mythologie, das heißt nach dem Motto, was für den "Erwachsenen" unschädlich ist, muss vor den Kindern verborgen werden.
Phase 2: Neben der nichtsdestotrotz weiterhin bestehenden dominanten gesellschaftlichen Verpönung gibt es feministische Ansätze, die in der Pornographie subversive Elemente ausmachen. In der von sozialen Beziehungen gelösten Darstellung von Sexualität, so heißt es, würden die patriarchalen Elemente der Sexualität wie Heterosexualität, Ehe und Reproduktionszweck wegfallen. Gibt es so etwas wie einen "progressiven" Gehalt von Pornographie?
Georg Seeßlen: Das sexuelle Bild ist ja nie identisch mit dem pornographischen Bild, und mit der Liberalisierung des sexualisierten, pornographisierten Bildes ist der gesellschaftliche und kulturelle Kampf um das sexuelle Bild - oder noch allgemeiner: das Körperbild, den Körper als Bild - keineswegs entschieden. Im Gegenteil, es muss, zum Beispiel in der Kunst, im Film und im Pop, immer wieder neu erfunden werden. Übrigens wird dabei auch immer mehr der Diskurs von "Erfundenheit" und "Natürlichkeit" selber zum Thema. Und natürlich wird der Kampf nicht nur um das Zentrum des Bildes - der Körper, die Lust, die Verschmelzung etc. - geführt, sondern auch um die Konnotationen. Darum ist es wichtig, den Diskurs von der abstrakten Moral, von der Bindung durch Herrschaft und Ökonomie und am Ende auch von den Mythen zu befreien, auch wenn zugleich das Bewusstsein besteht, dass das nie vollständig gelingen kann.
Phase 2: Aber selbst wenn Pornographie nicht per se patriarchal strukturiert ist, bleibt sie doch in eine patriarchale Gesellschaft eingebunden. Es stellt sich nach wie vor die Frage, welche Funktion die Pornographie für die Aufrechterhaltung eines patriarchalen Rollenbildes hat. Oder ist letztlich alles nur eine Frage der Kamera beziehungsweise des Betrachters?
Georg Seeßlen: Der Kunstkritiker John Berger hat einmal ganz kategorisch die Behauptung aufgestellt: Eine Kamera ist nichts anderes als eine Maschine, die den männlichen Blick auf den weiblichen Körper verstärkt. Das ist natürlich viel komplizierter (geworden), die Kamera kann sogar diesen Blick selber zerlegen und analysieren, umdrehen und zerstören. Vielleicht könnte man allgemeiner formulieren: Die Kamera ist ein Instrument, das sich von einem Subjekt auf ein anderes richtet, dem mehr Sinnlichkeit, eine höhere semiotische Dichte, mehr "Bedeutung" und weniger Stabilität unterstellt wird als dem Subjekt hinter der Kamera und seinen Nutznießern. Eine erste Ableitung also wäre: Die Kamera "verweiblicht" das Bild und "vermännlicht" den Blick, und dieser Blick, der in der Kamera verstärkt, aber eben nicht geschaffen wurde, konstruiert auch die Geschlechterrollen: Das Männliche lernt zu blicken, das Weibliche lernt, sich beim Wahrgenommen-Werden zu sehen. Diese Rollen werden zwar komplexer und einigermaßen "frei" wählbar; das als solches wahrgenommene Pornographische macht daher vielleicht die politische und moralische Dringlichkeit der Reflexion von Bild und Blick deutlich.
Man müsste Pornographie erfinden, wenn es sie nicht gäbe, denn ohne sie gäbe es nicht nur die gesellschaftliche Kontrolle durch Zensur, Strukturierung und Freigabe nicht, sondern auch nicht den Impuls von Aufklärung in einer Bildwelt, die nach wie vor "skandalös" ist und nie anders sein wird, weil im Bild des nackten Körpers und im Bild des Geschlechtsaktes eine Vorbedingung des Gesellschaftlichen selbst in Frage gestellt ist - man denke nur an die Trennung von öffentlicher und privater Sphäre oder an die Struktur der Familie als "Keimzelle" der Ordnung. Die radikal pornographisierte Gesellschaft ist keine mehr, diese Vision gibt es in einer radikalkapitalistischen Version und in einer romantisch-revolutionären.
Phase 2: Warum aber wird Pornographie eigentlich nicht langweilig? In Zeiten, in denen die katholische Kirche nicht mehr die Moralhoheit hat, mit Pornographie also nicht wirklich mehr zu "provozieren" ist, könnte man doch eigentlich annehmen, dass das Immergleiche den Leuten irgendwann zum Hals raus hängt. Oder anders gefragt, welche gesellschaftliche Funktion erfüllt Pornographie?
Georg Seeßlen: Das wesentliche Thema von "Pornographie" ist der konkrete menschliche Körper in der konkreten Aktion, aber in einem Diskurs von "Ideal" und "Individualität", zwischen einer "langue" und einer "parole" des Körperlichen und der Sexualität. Der Körper hat eine "Ikonographie" und ist deshalb beständig aufs neue "lesbar", manchmal aber auch "unlesbar", und die Sexualität hat eine "Dramaturgie" einschließlich Spannung und Katharsis. Es ist daher auch so etwas wie ein "Ur-Bild" und ein "Ur-Text": Jedes Bild enthält das Körperbild, und jedes Drama enthält das sexuelle Drama. Man könnte also, würde man das sexuelle Bild und das sexuelle Drama nicht immer wieder abrufen können, die Welt weder sehen noch "lesen" können. Man könnte auch sagen, Pornographie, als Ware wie als Grenzüberschreitung, hat daher einen höchst ambivalenten Wert: Sie ist Ausdruck und Krise der Lesbarkeit der Körperlichkeit und Geschlechtlichkeit der Welt. Es ist also gleichsam wie "sprechen", das auch nie langweilig wird, obwohl die Anzahl unserer Worte ebenso beschränkt ist wie die Anzahl der Themen, über die wir uns unterhalten können. Jedes neue Bild ist daher zugleich "Wiederholung" und unwiederholbare Einzelheit. "Spannend" aber ist auch das nomadische Erscheinen der Pornographisierung, die an einer Stelle verschwindet, nur um an einer anderen wieder aufzuscheinen. Im Prinzip kann alles "pornographisiert" werden, so wie im Prinzip alles "Mythos" werden kann, und umgekehrt gibt es wohl auch einen Zusammenhang zwischen "Pornographisierung" und "Mythisierung".
Pornographie will letztlich auf die Fleischlichkeit hinaus, und daher muss sich der Mythos immer wieder gegen die Pornographisierung wehren, die er doch gleichzeitig enthält: keine Schöpfungsgeschichte, kein Nibelungenlied, keine Automobilform, die sich nicht auf ein Kernbild von Körper und Geschlecht beziehen ließe. Das Pornographische denunziert die Macht im Namen der Sexualität, der Mythos denunziert die Sexualität im Namen der Macht. Darüber hinaus gibt es kein "reines" pornographisches Bild, es produziert nicht nur einen Bruch mit der Alltagserfahrung, sondern immer auch einen Zusammenhang.
Phase 2: In welchem Verhältnis also steht Pornographie zur sogenannten "normalen" Sexualität? Ist sie Projektionsfläche für die in der Kleinfamilie nicht erfüllbaren Wünsche? Übernimmt sie notwendigerweise den Bereich des Obszönen, der im bereinigten öffentlichen Diskurs keinen Platz findet?
Georg Seeßlen: Kulturgeschichtlich kann man das "Pornographische" auch als einen Versuch ansehen, das Flüchtige, das Triviale "aufzuheben". Es vermittelt nicht zuletzt die Illusion der Kontrolle. Man kann sie als Ideologie oder auch als Transzendenz der "normalen" Sexualität ansehen, einerseits als Projektion, als fiktive und symbolische Wunscherfüllungsmaschine, die bereithält, was das echte Leben nicht enthält, andererseits ist es aber auch eine Art der fetischistischen Verurteilung. Pornographie ist sich der Bildhaftigkeit ihrer selbst bewußt, sie ist nicht die "bessere", sondern nur die "andere" Seite des Sexuellen, der Genuss der eigenen Zeichenhaftigkleit, der Genuss des imaginierten Blicks. Das Problem ist also nicht nur die Pornographisierung der Öffentlichkeit und der politischen und ökonomischen Diskurse, das Problem ist die Pornographisierung der Sexualität selber, die sich am ehesten in den scheinbar so harmlosen Fernsehunterhaltungen wie "Herzblatt" ausdrückt: Sexualität zeigen, spielen, sprechen wird immer leichter, Sexualität empfinden, reflektieren, kultivieren immer schwieriger. Davon handelt zur gleichen Zeit die Inszenierung der emotionalen Katastrophe als Dauerzustand in den Soap Operas, so wie die pornographische Projektion nie ohne ihr destruktives Gegenbild, das Bild der Gewalt funktioniert.
Zweifellos gehört Sexualität als Bild und Ware zu den Angeboten der Medien, die am deutlichsten einen Bruch mit der Alltagswirklichkeit sichern. Sie stellt eine Heftigkeit der Empfindung dar, gegen die man sich nicht wehren kann und will, löscht gleichsam die deprimierende Erfahrung der wirklichen sozialen Kontakte aus, unter anderem auch deshalb, weil es sich eben immer auch um Macht-Phantasien handelt. Pornographie ist also nicht nur das Gegenbild zu nicht geglückter realer Sexualität, sondern vor allem das Gegen-Bild zu nicht geglücktem Leben. Es liegt auf der Hand, sie als Krisensymptom zu analysieren, und zwar weniger im Hard-Core-Segment als vielmehr in den Tendenzen der Pornographisierung immer weiterer Lebensbereiche. Neue Strategien der inneren Legalisierung sind zur gleichen Zeit mit neuen Strategien der "Empörungs-Pornographie" entstanden, die im übrigen ideale Einfallstore für die Faschisierung der Körperbilder liefern. Passend zur Darstellung und Rezeption der Olympischen Spiele in Athen ließe sich etwa sagen, der Körper des Sportlers oder der Sportlerin wird in folgendem Viereck genossen: als faschisiertes Ideal (der heroische Körper, der alle kinetische Energie der Welt in die Pose von Kraft und Gewalt umsetzt), als Körpergroteske (wie lustvoll die Zoten über den Körper der rumänischen Gewichtheberin!), als pornographisierter Fetisch (wer gewonnen hat, kann und muss sich hinterher als Nackt-Modell beziehungsweise als Werbeträger zur Verfügung stellen, so weit er/sie dem Mainstream-Ideal entsprechen) und als nachbarschaftliches Wesen (das endlos gedutzt, bequatscht und betatscht werden darf).
Phase 2: Der marxistische Psychoanalytiker Wilhelm Reich formulierte einmal in seinem gerade für die Diskussionen der 68er zentralen Werk Der sexuelle Kampf der Jugend, dass die soziale Revolution die Vorbedingung der sexuellen Befreiung sei. Ist eine befreite Sexualität im Hier und Jetzt überhaupt möglich?
Georg Seeßlen: Die Vorstellung von einer "befreiten" Sexualität scheint einem Verständnis von Natur und Kultur anzugehören, das immer noch von einem Mythos der linearen Entwicklung, der "guten" Natur und der schlechten Kulturcodes ausgeht. Vielleicht sind wir da mittlerweile ein bißchen weiter. Der Anteil des Fiktiven und des Symbolischen in der Sexualität muss genau so ernst genommen werden wie der der "Natur". Die "Befreiung" ist aber vermutlich wiederum unter den Fiktionen nicht die schlechteste. Aber natürlich kann man genau so, wie man das pornographische Bild faschisieren kann, die Ideologie der Sexualität "stalinisieren". Im übrigen gilt das selbe, was für die "Befreiung" gilt, auch für die "Ehrlichkeit". Wie "ehrlich" etwa ist ein Roman? "Krank" wird man - in den Fiktionen wie im wirklichen Leben - nicht in Bezug auf eine abstrakte Größe, sondern durch die nicht bearbeitbaren Widersprüche zwischen den Elementen der Dramen, zwischen den Metaphern und den Bildern, zwischen medialen Geboten und persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Widerspruch zwischen Macht und Sexualität offenbart sich in immer neuen Formen, und es ist daher alles andere als ein Wunder, dass wir in der Zeit des Neoliberalismus eine Art der sexuellen Ich-AG beobachten können, die sich nicht mehr nach abstrakter Moral und nicht mehr nach "patriarchaler" Hierarchie, sondern nach dem Prinzip von Investition und Verkauf orientiert. Die "Verlierer" dieses Prozesses sind die gleichen wie die Verlierer im neoliberalen System überhaupt; die Liberalisierung hat hier zu einer radikalen Entwertung geführt. Die Medien haben sich nicht nur auf einem allgemeinen Niveau "pornographisiert", sondern sie führen mehr noch einen Diskurs der sexuellen Gewinner und Verlierer. Sie versprechen, fit for fun, hier eine letzte Anstrengung, um auf die Gewinnerseite zu gelangen, dort den Couch Potatoes Trost, denen die sexuellen Verlierer als mehr oder weniger komische Opfer vorgeworfen werden. Die radikal ökonomisierte Herrschaft funktioniert nicht entgegen, sondern gerade durch die Sexualisierung der Diskurse, so dass die Idee einer "Befreiung" zumindest ihre naive Euphorie verloren hat.
Phase 2: Die heutige Gesellschaft wird des öfteren als postpatriarchale beschrieben, wobei hauptsächlich auf die Konstruiertheit von Geschlecht und Sexualität verwiesen wird. Gerät hierbei ein hierarchisches Geschlechterverhältnis aus den Augen oder ist es vielmehr von Vorteil, dass auch begrifflich der Abschied von personfizierenden Erklärungsmodellen vollzogen wird?
Georg Seeßlen: Der Vorteil - und das Gegenbild zur medial pornographisierten Gesellschaft - der postpatriarchalen Gesellschaft ist es, dass die sexuellen Diskurse nicht mehr im Zweidimensionalen geführt werden: Sexualität, Körperlichkeit, Begehren, Ästhetik, all diese miteinander verbundenen Felder der Selbsterfahrung und Erfahrung des anderen, sind komplexer geworden als die Instrumente ihrer gesellschaftlichen Kontrolle. So entstand wohl ein Hase- und Igel-Spiel zwischen Subversion und Ausbeutung, ein Pop-Spiel der sexuellen Inszenierungen, wenn man so will. Möglicherweise treten daher an die Stelle der Diskurse über die Lust die lustvollen Diskurse: Das sexuelle Ich, das sich von den Formen von "Es" und "Wir", und von denen der Verpflichtung - nach dem Motto, dies ist die "Natur" der Sexualität, dies ist die "Kultur" der Sexualität - emanzipiert, hat eine Menge damit zu tun, sich in der suggestiven Welt der role models zu erfinden und diese immer auch wieder in Frage zu stellen. Die Frage dürfte nicht einfach zu beantworten sein, ob dies sozusagen die sexuelle Erfüllung des Kapitalismus ist oder die Ahnung seiner Überwindung. Es ist jedenfalls vielversprechender als die sexuelle Ökonomie zwischen Aufstiegskonsum und Verlierer-Trash.
Phase 2: Herzlichen Dank für das Gespräch.
== Das Interview führte Phase 2 Leipzig. ==
[Nummer:13/2004 ]
gruß
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