Interview mit Moroney in B-O
[11:18, 05.10.06, börse-online]
Von Stefan Riedel
Zur Person: Der gebürtige Neuseeländer und promovierte Chemiker
Simon Moroney ist nicht nur einer der Firmengründer von MorphoSys, sondern zählt auch zu den Urgesteinen in der deutschen Biotech-Industrie. Er brachte das Unternehmen 1999 an die Börse und gilt in Branchenkreisen als geschickter wie eisenharter Verhandlungspartner. Erklärtes Ziel von Moroney ist es, MorphoSys als führenden Antikörper-Herstellern zu etablieren. Für seine Verdienste im Biotechsektor erhielt er 2002 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Zum Unternehmen: Das Unternehmen aus Martinsried bei München hat ein neues Verfahren zur Herstellung von synthetischen Antikörpern entwickelt. Diese kommen in der Medikamentenentwicklung und in der biopharmazeutischen Forschung zum Einsatz. Haupteinnahmequelle sind noch die Kooperationen mit renommierten Partnern wie Novartis, Pfizer oder Roche. MorphoSys identifiziert dabei aus der hauseigenen HuCAL-Antikörperbibliothek die geeigneten Kandidaten für die klinische Entwicklung.
Mit diesem Geschäftsmodell schreibt MorphoSys seit 2004 schwarze Zahlen. Darüber hinaus hat das TecDAX-Mitglied zwei eigene präklinische Projekte am Laufen. Zuletzt erhielt MorphoSys einen Auftrag der US-Armee. Das Projekt läuft im Rahmen des Schutzprogramms gegen biologische Waffen.
BÖRSE ONLINE: Was gab den Ausschlag, dass MorphoSys den Zuschlag von der US-Armee bekommen hat?
Simon Moroney: Beim Auftrag geht es darum, dass wir Antikörper gegen fünf Toxine identifizieren. Fakt ist, dass Systeme auf der Basis von Tiermodellen bei der Identifizierung und Neutralisierung von Antikörpern bei weitem nicht so effizient arbeiten wie In-Vitro-Modelle. Hier hat unsere Technologie die US-Militärs überzeugt.
BÖRSE ONLINE: Erwarten Sie jetzt einen höheren Bekanntheitsgrad, um ähnliche Aufträge in den USA zu bekommen?
Moroney: Wir haben seit 1997 Partnerschaften mit US-Firmen. Dieser Deal könnte aber für andere Kooperationen im Diagnostikbereich Modellcharakter haben. Dort wollen wir aktiver werden. Unsere Kernkompetenz bleiben aber Forschungs-Antikörper und therapeutische Antikörper.
BÖRSE ONLINE: Bislang lässt sich der klinische Erfolg der von MorphoSys entwickelten Antikörper noch schwer abschätzen.
Moroney: Zwei Antikörper befinden sich in der Klinik. Insgesamt haben wir 35 Projekte mit Partnern, die wir bis zum Jahresende auf 38 erweitern wollen. Unsere Antikörper entsprechen vollkommen dem menschlichen Vorbild, ohne tierische Komponenten wie bei Konkurrenten. Deshalb lassen sich später weniger oder im Idealfall keine Nebenwirkungen erwarten. Dazu sind sie noch besser optimiert.
BÖRSE ONLINE: Was bedeutet das für die klinischen Studien? Statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Medikamente auf Antikörper-Basis den Sprung auf den Markt schaffen, in der klinischen Phase I bei 15 bis 20 Prozent.
MorphoSys: Analysen haben uns gezeigt, dass zum Start der klinischen Studien die Wahrscheinlichkeit bei bis zu 33 Prozent liegen kann. Wir hoffen, dass sich das so umsetzen lässt.
BÖRSE ONLINE: Die eigene Medikamentenforschung macht noch wenig Fortschritte. Drei präklinische Projekte wurden bislang eingestellt.
Moroney: Zum einen waren die Ergebnisse nicht überzeugend, zum anderen waren potenzielle Partner nicht mehr daran interessiert, Medikamente in den entsprechenden Krankheitsgebieten zu entwickeln. Ganz deutlich wurde das bei MOR-102 gegen Autoimmunerkrankungen. Im Frühjahr 2004 musste Biogen IDEC das Multiple-Sklerose-Medikament Tysabri vom Markt nehmen – und plötzlich war unser Antikörper uninteressant.
BÖRSE ONLINE: Aber wie wollen Sie bei den zwei laufenden Projekten weiterkommen?
Moroney: Wir haben aus den Fehlern gelernt und die Kriterien verbessert, mit denen wir die richtigen Antikörper auswählen. Bei MOR-202 gegen Multiples Myelom wollen wir bis zum Jahresende den Kandidaten haben. Bei MOR-103 gegen Rheumatoide Arthritis wollen wir bis Ende 2007 unseren Teil tun, um mit der klinischen Phase I beginnen zu können. Hier ist es unser Ziel, die erste Wirksamkeitsstudie noch in Eigenregie durchzuführen. Dann wollen wir das Produkt an einen Lizenzpartner vergeben.
BÖRSE ONLINE: Derzeit hat MorphoSys unter anderem Projekte mit Bayer und Schering laufen. Welche Auswirkungen hat die Fusion der beiden Pharmakonzerne?
Moroney: Wir haben noch nicht über Details gesprochen. Wahrscheinlich wissen sie selbst noch nicht genau, wie es weitergeht. Die Konsolidierung der zwei Verträge mit ihren insgesamt zwölf Projekten wird aber kommen.
BÖRSE ONLINE: Wie läuft die Integration der von MorphoSys akquirierten Firma Serotec?
Moroney: Wir sind gerade dabei, den Katalog mit den Forschungsantikörpern zusammenzustellen. Zudem werden die Einheiten von Serotec und Biogenesis gerade in Oxford zusammengelegt. Die Gesamtkosten der Integration werden sich auf etwa zwei Millionen Euro belaufen.
BÖRSE ONLINE: Schafft MorphoSys in der Sparte Forschungsantikörper noch 2006 schwarze Zahlen?
Moroney: Wir werden dem sehr nahe kommen. Das Timing für die zwei Akquisitionen hat in jedem Fall gepasst. MorphoSys hat seit 2003 selbst maßgeschneiderte Forschungsantikörper für Kunden hergestellt. Aber wir waren in diesem Markt unsichtbar. Das ist jetzt anders. Die alten Kunden von Biogenesis und Serotec sind über die bestehenden Vertriebskanäle eine Quelle, um neue Kunden für unsere HuCAL-Technologie zu gewinnen. Das gilt vor allem für den US-Markt.
BÖRSE ONLINE: Wird die Konsolidierung bei den Entwicklern von Forschungsantikörpern weitergehen?
Moroney: Der Markt ist mit etwa 50 relevanten Firmen unterschiedlicher Größe stark fragmentiert. Um ganz vorne zu stehen, sind Akquisitionen einfach nötig und wir sind weiter aktiv auf der Suche.
BÖRSE ONLINE: Umgekehrt sind Spezialisten für Antikörper-Medikamente bei Pharmas sehr gefragt. Sind zuletzt Interessenten auf Sie zugekommen?
Moroney: Darüber kann ich keine Angaben machen. Aber es wäre dumm von uns, attraktive Konditionen von vorne herein auszuschließen.
BÖRSE ONLINE: AstraZeneca hat für die britische Firma Cambridge Antibody einen 67-prozentigen Aufschlag zum Börsenwert gezahlt. Würden Sie da auch schwach werden?
Moroney: Um es klar zu stellen: Wir halten primär am Ziel fest, uns weiter eigenständig zu etablieren. Aber jegliche Angebote abzulehnen wäre gegen meinen Vertrag. Schließlich sind wir dem Shareholder Value verpflichtet.
BÖRSE ONLINE: Werfen wir einen Blick in die Kristallkugel. Wo sehen Sie MorphoSys auf Sicht von drei Jahren?
Moroney: Unser langfristiges Ziel lautet "HuCAL-Bibliothek schlägt Maus-Antikörper". MorphoSys will den neuen Standard bei der Herstellung von Antikörpern setzen.
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