18.04.1966
LUFTHANSA-AKTIEN
Papier mit Duft
WERTPAPIERE
Als am Donnerstag vergangener
Woche erstmals ein amtlicher Börsenkurs der Lufthansa-Aktien errechnet wurde, konnten die sogenannten Ersterwerber fröhlich Kasse machen: Pro 1000-Mark-Papier strichen sie 1920 Mark Gewinn ein.
Erneut hatten die Privatisierer staatseigener Firmen ihre unglückliche Hand bewiesen. Bei dem ersten Bonner Papier der Preußag war der Ausgabekurs (145) zu hoch, bei der folgenden VWAktie (350) zu niedrig und bei den Veba-Zertifikaten (210) wieder zu hoch gewesen. Mit den Lufthansa-Aktien aber schlug Bonn seine bisherigen Rekorde: Ausgabekurs 100; Notierung am Donnerstag: 292, am Freitag: 286.
Der Höhenflug der überwiegend staatseigenen Gesellschaft kam für Bonn überraschend:
- Die Lufthansa war erst im vorletzten Jahr aus der Verlustzone herausgekommen und hat den bescheidenen Gewinn von 35,8 Millionen Mark des Jahres 1964 sowie den noch nicht ermittelten Gewinn des letzten Jahres nicht ausgeschüttet, sondern zur Stärkung der Finanzen verwendet.
- Lufthansa-Aktienkäufer können frühestens 1967 - zwei Jahre nach Zeichnung - eine Dividende erwarten.
- Eine Rendite wie bei risikofreien Obligationen - über sieben Prozent - wird die Lufthansa erst ausschütten können, wenn der Gewinn fast doppelt so hoch ausfiele wie 1964. So hatten denn auch Aktien der Lufthansa noch bis zur letzten Kapitalerhöhung 1965 keinen privaten Kapitalgeber anzulocken vermocht. Und als,im Juli des letzten Jahres die Lufthansa-Hauptversammlung eine Aufstockung des Kapitals von 250 auf 400 Millionen. Mit privater Beteiligung beschloß, wurden die Aufstockungs-Zertifikate deshalb nicht - wie bei den Volkspapieren Preußag, VW und Veba - auf 100, sondern auf 1000 Mark Nennwert ausgestellt und damit einem gehobeneren Börsenpublikum angeboten.
Der unerwartet einsetzende Ansturm von deutschen Bewerbern wird von Bonns Privatisierern einem Peter -Stuyvesant-Image der Lufthansa zugeschoben. Lufthansa-Sprecher Dr. Carl Wingenroth nennt das neue Papier mit dem Duft der großen weiten Welt die "Volksaktie des gehobenen Mittelstandes".
Völlig überraschend steigen aber auch viele ausländische Käufer ein. Amerikaner ließen sich nicht einmal durch eine 15prozentige Steuer abschrecken, die ihre Regierung für den Erwerb ausländischer Aktien erhebt.
Das Wallstreet-Publikum setzt seit geraumer Zeit auf die Expansion im Weltluftverkehr und zahlt etwa für Papiere der Pan American World Airways, die vor einem Jahr mit 29 Dollar notiert wurden, heute 70 Dollar (280 Mark).
Da die Bundesregierung von den 400 Millionen Mark Kapital ohnehin nur 42 Millionen zum Verkauf stellen ließ und je Bewerber höchstens zwei 1000 -Mark-Aktien ausgegeben wurden, gingen die Lufthansa-Papiere bald auf Panam-Kurs.
Dabei muß die Gesellschaft nach vorläufigen Plänen bis 1970 mindestens eine Milliarde Mark investieren, um mit den Flugzeugparks der anderen internationalen Luftlinien konkurrieren zu können. Für Dividenden wird deshalb vorerst wenig übrigbleiben.
Allein vom Jahre 1968 ab müssen 21 neue Maschinen des Typs Boeing 737 abgenommen und mit je 15 Millionen Mark bezahlt werden. Hinzu kommen noch einige Maschinen der 707-Frachtflugzeug-Version. Falls auch die Lufthansa, wie Panam in der vergangenen Woche, Großraumflugzeuge vom Typ Boeing 747 für 430 Passagiere in Auftrag gibt, werden die Anschaffungskosten noch höher sein.
Angesichts dieser Investitionen ist der Höhenflug ihrer Aktien der Lufthansa zwar ein Zeichen "weltweiten Vertrauens", zugleich aber auch etwas unheimlich. Lufthansa-Sprecher Dr. Wingenroth: "Wir sind der Meinung, daß dieser Kurs spekulativen Charakter hat."
Die Bundesregierung gab den Emissionsbanken inzwischen Order, weitere Lufthansa-Aktien im Nennwert von 1,5 Millionen Mark an der Börse abzustoßen. Damit soll der Kursanstieg gebremst werden, um der Regierung den Vorwurf zu ersparen, sie hätte beim Verkauf der Wertpapiere 80 Millionen Mark. Vermögen zum Nachteil der Steuerzahler verschleudert:
Tagesspiegel
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